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Gebannt folge ich den Bewegungen. Ich kann gar nicht anders. Es ist fesselnd und unglaublich. Dabei ist es gerade mal der erste Tanz. Es sind fünf Mädchen etwas jünger als ich und sie strahlen. Modern Ballett. Sie sind echt super gut. Sie verlassen die Bühne und die Musik wird ruhiger. Und da ist er. Alleine betritt er die Bühne. Die Hauptrolle, war ja klar. Manchmal frage ich mich, ob das hier alles nur ein schlechter Scherz ist, das kann doch alles nicht sein. Ich erwische mich dabei, wie ich grinse. Schnell kontrolliere ich meine Gesichtszüge und fahre mir erschrocken über die Wange. Für die nächste Stunde bin ich gebannt auf die Bewegungen der Körper auf der Bühne, lasse mich verzaubern und verfolge die Geschichte. Trotz des Jungen neben mir, der circa drei Jahre jünger ist und anscheinend gegen seinen Willen hier her geschleift wurde und ab und zu meckerte und ein dummes Kommentar abgab wie: "Der sieht mit den engen Hosen total schwul aus." Und ich konnte mir gerade so ein Lachen verkneifen. Wo er Recht hat, hat er Recht. Das fand ich schon immer albern, auch wenn ich zugeben muss an Leo sieht es sogar annehmbar aus. Was zu Hölle ist mit mir los?

Es ist zu Ende und ich gehe auf den Ausgang zu. Raus aus diesem Gebäude, das mir Angst bereitet, doch die Aufführung war wunderbar. Ich befinde mich fast auf einem Höhenflug, mal abgesehen, dass ich immer wieder an meine Aufführungen denken muss, die ich hier hatte. Mein Hirn kommt nicht mit meinen Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen mit und ich bin eigentlich ziemlich verwirrt. Aber momentan bin ich glücklich und freue mich für Leo, dass es so ein Erfolg war. Und zack ist es vorbei. Panik durchflutet jede einzelne Zelle meines Körpers und ich fühle mich uralt und gebrechlich. Er ist da. An dem Tisch steht er und quasselt mit einer Frau. Einer gutaussehenden jungen Frau. Entweder hat er sie sich gekauft, oder sie hat nur Stroh unter der Haube. Aber das ist jetzt auch völlig egal, ich muss hier raus. Und zwar sofort. Meine Muskeln spannen sich an und ich gebe mir einen Ruck. Jetzt sofort. Ich renne die letzten Meter auf den Ausgang zu und remple dabei eine Dame an und ernte einen verärgerten Blick. Beinahe wäre ich gestolpert, aber ich fange mich noch gerade so auf und hechte um die Ecke und lehne mich an die Wand. Ich weiß nicht, ob er mich noch gesehen hat. Ich schließe die Augen und bete zu Gott, dass dem nicht so ist. „Hey, ist alles klar bei dir?", fragt eine tiefe Stimme und ich öffne die Augen. Mein guter Engel steht da. Leo fasst mich an der Schulter und wartet stumm auf eine Erlaubnis mich umarmen zu dürfen. Ich drücke mich an ihn und versuche mein schnell pochendes Herz zu beruhigen. Ich habe Angst um mich. Kann ein Körper das überhaupt verkraften, wenn von Null auf Hundert das Blut auf einmal dreifach so schnell durch den Körper gepumpt wird. Anscheinend schon, denn ich lebe noch und fühle starke Hände an meinem Rücken, die mich halten. Ich kenne ihn erst seit ein paar tagen und schon ist er ein wichtiger Mensch in meinem Leben, ein Mensch an dem ich mich festhalten kann, der mich versteht. Ich rieche seinen Schweiß und erinnere mich, warum wir hier sind. Ich löse mich und schaue ihn an. „Du warst klasse", sage ich und lächle ihn an. In dem schwachen Licht, sehen seine Augen ganz dunkel aus und mir fallen seine markanten Gesichtszüge zum ersten Mal richtig auf. Er lacht auf und winkt verlegen ab. Ich atme durch. So langsam bin ich wieder vollkommen normal und mein Herz schlägt wieder fast wie bei jedem normalen Menschen, auch wenn es einen kurzen Hüpfer macht, als Leo seinen Arm um mich legt und wie selbstverständlich in die falsche Richtung geht, weg von dem Mann, der mich so in Angst versetzt. Er ist so beschwingt und Balsam für meine Seele. In seiner Gegenwart bin ich komplett und ich selbst. Bei ihm vergesse ich, was mir passiert ist, was ich getan habe, oder was ich fast getan habe. Er redet über den Auftritt, erzählt und erzählt und ich denke, dass ich ihn nie verlieren will, dass ich einen Jungen wie ihn brauche. Ich wünsche jedem Menschen auf dieser Welt einen Menschen wie Leo in ihrem Leben, ohne so einen Menschen hat es nämlich keinen Sinn. Wir laufen durch den kleinen Park hinter der Festhalle. Irgendwann setzen wir uns auf eine Bank. Es ist schon spät, aber ich will nicht gehen. Es ist perfekt. Leo redet und redet und er redet mir meine Sorgen weg. Ich höre ihm zu und muss gar nichts sagen. Ich genieße es. Irgendwann verstummt er und es ist sehr still. Ich schaue in das Licht der Lampe uns gegenüber. Eine Feldermaus rauscht vorbei, ich sehe sie, habe sie aber schnell wieder aus den Augen verloren. Eine Hand berührt meinen Wangenknochen und ich drehe mich zu Leo. Er schaut mich an. Ich schaue ihn an. Ich bin hypnotisiert von seinen Augen und kann kaum genug bekommen von seinem Gesicht. Und ich drehe mich beschämt wieder weg. Er nimmt seine Hand weg. „Tut mir leid", murmle ich. „Schon gut", meint er und nimmt meine Hand.

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Lu <3

ArabesqueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt