12.

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Ich liege in meinem provisorischen Bett auf der Couch und bin hundemüde. Aber ich kann kein Auge zutun. Zu viele Dinge sind heute passiert, die mein Hirn nicht so schnell verarbeiten kann.

Sein Gesicht will mir nicht aus dem Kopf gehen. Dieses hässliche unbarmherzige kalte Gesicht. Die Kälte in seinen Augen lassen mich erzittern und ich habe seinen Geruch in der Nase. Seine Hände an meinem Körper. Er fasst mich an und ich kann mich nicht bewegen. Ich will schreien, aber ich kann nicht. Ein dreckiges Grinsen breitet sich auf Seinen dünnen Lippen aus und ich bekomme Panik. Hilflos liege ich da. Ihm ausgeliefert. Ich petze die Augen zusammen. Ich schrecke auf. Bin doch eingeschlafen. Mein Atem geht stoßweise und mein Körper erschüttert unter den Schluchzern. Ich kauere mich wie ein Baby zusammen und wünsche mich in den Bauch meiner Mutter zurück. Ich versuche mich wieder zu beruhigen, aber immer wieder höre ich Seine Stimme in meinem Kopf. Sie hallt und treibt mich in den Wahnsinn. Immer wenn ich die Augen schließe sehe ich Ihn. Ich kann nicht mehr.

Wäre ich doch bloß tot.

Oder Er.

Dann wäre es alles vorbei.

Nein, so darf ich nicht denken. Ich schluchze unkontrolliert und vergrabe schützend meinen Kopf in dem Kissen und verstecke meinen ausgelaugten Körper unter der Decke, die so schön nach Leo riecht. Ich kann nicht mehr. Ich kann mich niemandem mehr antun. Es ist hoffnungslos. Ich setze mich nach einer gefühlten Ewigkeit zitternd auf. Die Decke rutscht mir andauernd von der Schulter. Ich will weg. Ich schaue mich um und habe immer noch Seine Stimme im Ohr. „Du bist Dreck. Nichts wert. Du nervst. Stell dich nicht so an. Du bist eine Schande." Ich kneife die Augen zusammen und versuche die Stimme aus meinem Kopf zu verbannen. Ein unbestimmter Laut des Ärgers entfährt mir und kurz darauf folgt ein Schluchzen. Ich schlage meine zitternde Hand vor den Mund. Ich bin ein Frack. Mit einer zögernden Bewegung schlage ich die Decke zurück. Es ist warm. Ich stelle die Füße auf den Boden und stelle mich auf. Kurz muss ich mich noch einmal zurück fallen lassen, da meine Beine mich nicht tragen wollen. Aber schnell stelle ich mich wieder hin und halte mich auch im Gleichgewicht. Ein Schritt vor den anderen. Die Uhr an der Wand tickt. Es ist halb drei Uhr mitten in der Nacht. Was mache ich? Ich laufe weiter. Immer weiter. Bis ich im Flur bin. Ich bekomme keine Luft. Panik steigt in mir auf. Luft. Panisch stolpere ich in die Küche und nestle an dem Fenstergriff herum. Ich ringe nach Luft. Endlich geht es auf. Ich reiße es auf. Ein Glas fällt auf den Boden und zerklirrt. Ich atme die frische Sommernachtsluft und mein Hirn wird wieder mit Sauerstoff versorgt. Meine Beine zittern und ich stütze mich auf das Fensterbrett und klammere mich an dem Stein fest. „Du bist Dreck. Keiner mag dich. Ungeliebt." Ich schaue hinaus. Dritter Stock. Ganz schön tief. Ein Lächeln schleicht sich in mein Gesicht.

„Lou", sanft und mit leichter Panik und Sorge in der Unterstimme höre ich Leo hinter mir sagen. „Was machst du da?" Ich drehe mich nicht um, sondern starre weiterhin aus dem Fenster und in die Dunkelheit. Wie viele Meter das wohl sind? „Lou", spricht er mich wieder an, diesmal drängender. Ich kann ihn nah hinter mir spüren. Er ist so präsent. Ich drehe mich langsam um und meine Beine knicken weg, als ich meinen Griff löse, der mir beim Stehen geholfen hatte. Ich knalle einfach so ungebremst auf den Boden und sofort ist Leo bei mir. Er sagt nichts, sondern setzt sich einfach nur neben mich und nach einer Weile nimmt er sachte meine dünne kraftlose Hand. „Ist alles in Ordnung?", fragt er. Ich nicke, rühre mich jedoch nicht von der Stelle. Ich will nicht aufstehen. Ich finde hier gehöre ich hin. Auf den Boden. „Steh auf", meint er. Ich schaue ihn an. Seine grünen Augen leuchten mir enthusiastisch entgegen. Aber ich habe keine Motivation, keine Kraft und keine Lust. Ich will einfach hier liegen bleiben, auch wenn mein Bein langsam anfängt zu kribbeln, als würden tausende Ameisen in ihm herumkrabbeln und einen Staat errichten. „Los. Bitte", sagt er und zieht leicht an meiner Hand. „Für mich, okay?", bitter er, als ich mich immer noch nicht bewege. Ich schaue ihn noch einmal an. Wieso sollte es ihm etwas Bedeuten, wenn ich nicht mehr hier unten herumliege? Das kann ihm doch egal sein. „Du bist Dreck. Ungeliebt." Ich beiße die Zähne zusammen und mein gebrochenes Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Kann man daran verbluten? Eine einzelne Träne kullert meine Wange hinunter. Mehr Tränen kann ich nicht aufbringen. Er beugt sich zu mir herunter. Gefährlich nahe an mein Gesicht. Dann flüstert er etwas in mein Ohr. „Du bist besonders. Lass dich nicht hängen. Ich helfe dir. Bitte steh auf."Er setzt sich wieder gerade auf und betrachtet mich. Die Worte dringen nach und nach zu mir durch. Ganz langsam verstehe ich. Ich gebe mir einen Ruck. Ich weiß nicht warum. In mir ist wieder Kraft. Ich schaffe es mich aufzusetzen und merke jetzt erst, dass sich eine Scherbe von dem zerbrochenen Glas in meine Hand gebohrt hat. Aber ich spüre den Schmerz nicht. Das ist gar nichts im Gegensatz zu dem Schmerz in meinem Inneren. Er glaubt an mich. Ich weine wie lange nicht mehr. Das ist alles zu viel. Meine Gefühle knüllen sich wie ein Blatt Papier in meinem Inneren zusammen und öffnen sich dann wieder, verknittert und unlesbar. Ich finde mich in seinen Armen wieder und atme seine Wärme ein. Langsam beruhige ich mich wieder, doch es ist lange noch nicht alles wieder in Ordnung. Das wird es, glaube ich niemals sein. Doch in einem bin ich mir sicher. Ich werde niemals mehr aus dem dritten Stock schauen und lachen. Die Erlösung liegt woanders. Nicht auf dem dunklen Boden weit unten.

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Sorry, dass ich euch wieder so lange habe warten lassen. Aber voila eine emotionales Kapi und ich hoffe ich werde schon bald wieder weiterschreiben ^ ^
Und ich werde das nächste Kapitel jetzt immer dem widmen, der als erstes oder das schönste oder ein Kommentar schreibt, dass mir weiterhilft.
Bitte hinterlasst mir Kritik! ;)
Bis bald
LG
Lu ♥

ArabesqueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt