Kapitel 14

25 6 22
                                    

Mir ist schwindlig. Tausend Bilder und Gedanken jagen sich in meinem Kopf, vor meinen Augen, in meiner Vorstellung.

Nani verbrennt.

Nein, sie ist in Sicherheit.

Aber meine Mutter ...

... ist nicht meine Mutter.

Sie verbrennt.

Sie schreit.

Sie stirbt.

Monster.

Nur am Rande nehme ich wahr, dass sich jemand vor mich hockt. Da sind kalte Hände auf glühender Haut, ein Gesicht, schwarze Muster. Das Blut rauscht mir in den Ohren, ich höre nichts anderes.

Nur Schreie.

Aber sie sind nicht real.

Nur in meinem Kopf.

Oder?

Noch ein Gesicht, das vor meinen Augen verschwimmt. Ich spüre etwas an meinen Lippen, öffne den Mund, schlucke. Dann ist es wieder weg. Ich blinzle. Allmählich nehmen die Umrisse um mich herum wieder Form an, die Stimmen werden lauter, verständlich.

»Lemesh, Lore. Lemesh«, sagt Ogech und atmet demonstrativ langsam und tief durch. Ich versuche es nachzumachen. Es erfordert meine ganze Konzentration und ich merke, wie der Gedankenstrudel langsamer wird und mich allmählich loslässt.

Verwirrt lasse ich meinen Blick durch den Raum streifen; ich bin nicht mehr in Arpach. Die Erkenntnis sickert zu mir durch und ersetzt die lähmende Angst mit niederschmetternder Hoffnungslosigkeit. Es fühlt sich an, als würde mein Herz ein Stück tiefer sinken.

Bevor ich mich in meinen Gefühlen verliere, schaue ich zu Barak hinauf, der dem geschockten Memri die angebrannte Decke in den Arm drückt. Neben ihm steht Ekene und beide schauen mich verstört an. Mit einer knappen Handbewegung scheucht Barak die beiden raus. An der Tür müssen sie sich an weiteren Zuschauern vorbeidrängen. Unter ihnen erkenne ich den älteren Jungen mit der auffallend schiefen Nase, ein Mädchen mit unordentlichem Haarknäuel auf dem Kopf und Kalu mit seinem langen Flechtzopf, der ihm seitlich über die Schulter fällt.

Akin kann sein abfälliges Lächeln nicht einmal verstecken. Seine Blicke bohren sich wie glühende Pfeilspitzen in mich. Erbärmlich, scheinen sie zu sagen. Lachhaft, schwach, minderwertig.

Auch die drei jungen Nachtwesen vertreibt Barak mit ein paar harschen Worten.

Mein Feuer versiegt und ich fühle mich von innen heraus wie ausgebrannt. Starr schaue ich auf meine verkrampften Hände hinunter und kann nichts gegen die Abscheu tun, die in mir aufsteigt. Ich brauche meine Kette. Sie war das einzige, das mich vor mir selbst – das andere vor mir – beschützen konnte.

Barak steht nicht weit von mir und es wäre nicht schwer ihn anzugehen und mein Eigentum einzufordern, aber mein Körper rührt sich nicht. Bewegungsunfähig sitze ich auf dem angesengten Teppich und sehe meine Hände an. Meine schwarzen Haare fallen mir dabei vor die Augen und schirmen mich vor den Blicken der zwei Männer ab. Sie reden miteinander. Ogech klingt besorgt, Barak eher irritiert. Ich blende ihre Stimmen aus und konzentriere mich auf meine Atmung.

In diesem Moment bin ich mir sicher, dass ich dieses schwarze, feuerähnliche Zeug niemals werde beherrschen können. Nicht nur, weil es mir zutiefst widerstrebt, mich überhaupt damit auseinander zu setzen. Ich spüre tief in mir drinnen einen leisen Nachklang dessen, was so eben aus mir herausbrach, als warte es nur auf den nächsten Moment, um mein Leben zu einem Alptraum zu machen.

Mach die Augen auf, Dummkopf. Dein Leben ist bereits ein Alptraum. Einer von der Sorte, der einem mit gutem Essen und weichen Decken vorgaukelt, harmlos zu sein. Bis zu dem Moment, in dem du wieder realisierst, dass du alles, was dir jemals wichtig war, verloren hast.

Eldur - Das schwarze Feuer (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt