Kapitel 18

19 6 36
                                    

Ich werde davon wach, dass Barak polternd hereinplatzt. Erschrocken richte ich mich auf und erkenne den haltlosen Ärger in seinem Gesicht. Unwillkürlich frage ich mich, was ich verbrochen habe, dass er so zornig auf mich zustapft. Ein flüchtiger Blick auf die anderen Betten verrät mir, dass die beiden anderen Jungs bereits fort sind – habe ich die Glocke verschlafen? Es bleibt keine Zeit darüber nachzugrübeln, denn just in diesem Moment erreicht mich ein zorniges, bärtiges Nachtwesen. Ich verspanne mich und spiele mit dem Gedanken aufzuspringen und wegzulaufen. Weit würde ich vermutlich nicht kommen, aber da ist es ohnehin bereits zu spät.

Mit erstaunlicher Vorsicht legt Barak zwei Finger unter mein Kinn und hebt meinen Kopf an, damit ich ihn ansehen muss. Ich glaube es hinter seinen Augen brennen zu sehen, aber neben dem Zorn ist auch Sorge und so etwas wie – Zuneigung?

Seine Wut richtet sich nicht gegen mich, sage ich mir selbst und entspanne mich ein wenig. Barak nimmt die Finger weg und zieht mich bestimmt aus dem Bett. Meine nackten Füße treffen patschend auf den kalten Stein. Er bückt sich und stellt die gefütterten Schuhe vor mich hin. Ich fahre hinein und lasse mich von ihm mitziehen. Das lange Hemd raschelt um meine Beine. Unbeirrbar führt er mich die Treppen hinab, durch den Korridor und bis in den Saal hinein. Mit jedem Schritt pocht mein Herz schneller.

Uns erwartet eine ganze Versammlung von Nachtwesen. Zuerst fällt mir Fara ins Auge, die auf einer Bank Platz genommen hat. Neben ihr steht der Wächter, dem ich vor nur wenigen Stunden in die Arme gelaufen bin, Ogech und noch zwei andere Männer, die ein Auge auf fünf Jungs haben.

Ich hätte mir denken können, dass es darum geht.

Akins Anblick und der unverblümte Hass in seinen Augen erschrecken mich so, dass ich mich gegen Baraks Hand, die mich immer weiter schiebt, wehre. Er bemerkt meinen Widerstand sofort, aber als er zu Akin sieht, setzt dieser gerade eine undurchdringliche Maske der Gleichgültigkeit auf.

Neben Akin stehen seine drei Freunde deren Namen ich nicht kenne und Kalu. Letzterer schenkt mir ein verhaltenes Lächeln, das aber sofort wieder verschwindet, als Akin es bemerkt. Unwillkürlich frage ich mich, ob er seine Freundesgruppe verraten hat. Denn der Wächter, der sich mit einem Blick auf mich als Apiyo vorstellt, hat meines Erachtens nach nichts von meinen Peinigern bemerkt.

Barak schleppt mich bis in die Runde der Nachtwesen und hört dem zu, was Apiyo zu sagen hat. Keiner macht sich die Mühe es mir mit Händen und Füßen zu übersetzen – nichts von dem, was hier gesprochen wird. Trotzdem spielt es offenbar eine Rolle, dass ich im Nachthemd vor ihnen stehe und nichts beizutragen weiß.

Das Wort wird von Person zu Person weitergegeben, während die Jungs betreten auf den Boden starren. Alle außer Akin, der mich erneut mit Blicken fixiert, die an ein hungriges Raubtier erinnern. Ich klammere meine Hände in das weite Hemd und schaue demonstrativ woanders hin. Trotzdem fressen sich seine Blicke wie glühende Kohlen in mich hinein.

Als meine Peiniger schließlich zu Wort kommen, trieft Akins Stimme nur so vor Ungerührtheit mit einer mickrigen Spur von falscher Reue. Ich bin mir sicher, dass er damit niemanden täuschen kann. Trotzdem hören ihm alle geduldig zu. Kalu sagt nur kurz etwas und die anderen drei stammeln nur etwas vor sich hin. Nachfolgend geht es zwischen den Erwachsenen wieder hin und her, bis Fara aufsteht und etwas verkündet. Ihre heisere Stimme hat einen endgültigen, abschließenden Klang angenommen.

Akin fährt auf, wird aber von Barak augenblicklich in die Schranken gewiesen, sodass er tatsächlich den Mund wieder zuklappt und wütend auf den Boden starrt.

Nervös trete ich auf der Stelle und frage mich, ob es jetzt damit gewesen ist, als sich mit einem Mal alle Aufmerksamkeit auf mich legt. Nicht sicher, was von mir erwartet wird, sehe ich zu Barak auf. Er winkt einen der Jungs nach vorne. Dieser sinkt vor mir auf ein Knie, senkt den Kopf und reckt mir die aneinander gelegten Hände hin. Es ist eine demütige Haltung. So könnte jemand vor einem König knien und um Gnade betteln. Er spricht etwas, in dem ich deutlich eine Entschuldigung heraushöre.

Eldur - Das schwarze Feuer (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt