11. Du siehst Gespenster | Keno/Miki/Keno

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Nachdem wir wieder am Festland angelegt hatten, trennte ich mich von Miki und suchte allein die Vogelbeobachtungsplattform im Schutzgebiet auf.

Robert saß verwaist auf seiner Bank, doch anstatt wie gewohnt in den Himmel zu starren, blickte er heute geradeaus zur Friedhofsinsel. Sein Blick war entrückt und wirkte ... unendlich traurig.

„Hallo Konrad", grüßte er mich, nachdem ich schweigsam neben ihn gerutscht war.

„Robert, wer ist Alicia?"

„Alicia?"

„Du musst sie gekannt haben. Ich habe euch zusammen gesehen, dort drüben auf der Friedhofsinsel."

„Das bezweifle ich doch stark. Denn die Alicia, die ich gekannt habe, ist schon vor deiner Geburt bei einem schrecklichen Autounfall verstorben."

„Ich weiß. Patrick Endler saß auch mit im Auto, stimmt's? Doch er hat den Unfall überlebt."

„Das ist wahr", bestätigte Robert.

„Also waren sie damals befreundet oder vielleicht sogar ein Paar?"

„Das ist schon so lange her, Konrad. Warum fragst du?"

„Weil es da irgendwie einen Zusammenhang geben muss. Warum sonst sollte Alicia sich mir plötzlich zeigen? Irgendwas verheimlichst du mir, oder? Was ist damals wirklich passiert?"

„Ich weiß nicht, was du von mir hören möchtest. Es war, was es war, ein tragischer Unfall."

„Du weichst der Frage aus", warf ich ihm verstimmt vor. „In welchem Verhältnis standen sie zueinander?"

Robert seufzte tief, bevor er antwortete: „Alicia war Nazarios und Carmens jüngere Cousine. Ich kannte sie gut, da ich die Sommerferien oft auf der Friedhofsinsel verbracht habe, damit meine Mutter nicht täglich die Fähre hin- und zurück zum Festland nehmen musste. Anfangs fand ich das nicht so toll, es kursierten die kuriosesten Gerüchte über die Insel und meine Freunde zogen mich damals ständig deswegen auf. Aber spätestens als ich mich mit Naz und Carmen angefreundet habe, habe ich angefangen die Sommer dort zu genießen, ja, freute mich sogar darauf. Und in einem dieser Sommer reparierte Knut Endler das Dach und brachte Patrick mit auf die Insel. So haben er und Alicia sich kennengelernt."

„Und dann ... was? Haben sie sich ineinander verliebt?"

„Soweit ich weiß, waren sie nur Freunde", erwiderte Robert ruhig, den Blick weiter auf die Friedhofsinsel gerichtet. „Alicia war ein sehr besonderer Mensch. Sie ... hat immer in ihrer eigenen kleinen Welt gelebt."

„Aber das erklärt immer noch nicht, warum sie ausgerechnet auf dieser Insel geblieben ist. Irgendwas muss dort passiert sein, weshalb sie nicht gehen kann oder möchte."

Als er darauf keine Antwort gab, blickte ich meinerseits zu der Insel im Wasser. „Bitte Robert, ich muss es wissen. Wenn ich nicht herausfinde, warum Patrick Endler so verdammt wütend ist, werden womöglich noch weitere Menschen verletzt werden."

„Ich habe dir nichts weiter zu sagen, Konrad. Du solltest gehen. Komm nicht wieder, ich kann dir nicht helfen."

Meine Kehle trocknete aus und ich musste schwer Schlucken, bevor ich es wagte ihn die Frage zu stellen, die mir schon seit einer kleinen Ewigkeit auf der Seele brannte: „Warum ... Warum bist du wirklich geblieben? Um Vögel zu beobachten oder um weiter diese verdammte Insel dort drüben anzustarren?! Was ist passiert, Robert? Warum musste Alicia sterben?"

„Tut mir leid, Konrad", unterbrach er mich seufzend. „Wie gesagt, Alicia starb vor über fünfzehn Jahren bei einem tragischen Autounfall. Mehr gibt es wirklich nicht zu sagen."

Nur in meinem Kopf - Eine GeistergeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt