3 - Ezio

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Leonardo mustert mich, als ich sein Atelier betrete. Der Schein einer Kerze erhellt den Teil des Raums, in dem Leonardo an seinem Schreibtisch sitzt.

"Es tut mir leid, ich bin noch nicht fertig. Ich war... Abgelenkt."

Abgelegt? Leonardo lässt sich nie ablenken. Wieso war er abgelenkt?

"Wovon?", Frage ich ihn also voller Neugier.

Bei meiner Frage weiten seine Augen, und Leonardo beginnt zu stammeln.

"Von... Anderen... Aufträgen..." Plappert er vor sich hin. Was ist nur los mit ihm?

"Nungut, ich werde hier warten", beschließe ich. Auch wenn ich das Assassinengrab zu gerne erforschen würde, habe ich das Gefühl, hier bleiben zu wollen. Ich erinnere mich an eine Liege, die irgendwo hier stand. Ich mustere kurz den Raum, dann entdecke ich sie.

"Wecke mich, wenn du so weit bist."

-

Als ich wieder erwache, ist es immer noch dunkel in Leonardos Werkstatt. Das ist es jedoch immer, da dieser Raum keine Fenster besitzt.
Ich will mich aufrichten, doch meine Füße bleiben an etwas hängen.
Einer Decke.

Leonardo muss mich zugedeckt haben.

"Ah, du bist wach. Dann kann ich dir ja meine Erkenntnisse zeigen."

"Du bist fertig?" Ich sehe zu Leonardo der nun vor mir steht. "Wieso hast du mich nicht geweckt?"

"Ezio, willst du wirklich eine Antwort darauf? Du schläfst so gut wie nie, und selbst wenn, dann immer nur kurz. Ich wollte dir etwas Ruhe gönnen."

Da ich ihn nicht widersprechen kann, lege ich lächelnd meine Hand auf Leonardos Schulter.

"Danke, mein Freund."

Bei meinen Worten sieht er betreten zu Boden. Wird er gerade rot? Nein, das muss ich mir einbilden. Bei dem Kerzenlicht hier in der Werkstatt sieht man einfach nicht gut. Ich frage mich, wie Leonardo damit zurecht kommt.

Er zeigt mir schließlich das Ergebnis seiner Forschungen. Er konnte ein kleines Feuergeschoss bauen, das an meinem Handgelenk Platz hat. Er ist wirklich genial.

Ich verabschiede mich von ihm, um eine Runde zu üben. Nicht jedoch, bevor ich mich erneut bei ihm bedankt habe.

Einige Tage später konnte ich endlich das Assassinengrab aufsuchen. Ich fand dort das letzte Siegel, das mir gefehlt hatte. Nun bekomme ich endlich Zugang zu Altairs Rüstung.

In Monteriggioni angekommen, sehe ich zuerst nach meiner Mutter. Unverändert sitzt sie vor dem Bett und trauert dem Teil der Familie nach, den sie verloren hat. Ich hoffe, dass ein paar Federn ihre Stimmung aufhellen.

Auf dem Weg in die Gruft bleibt mein Blick an der Kodexwand hängen. Bald sollte ich alle beisammen haben. Mit angespannter Miene füge ich schließlich das letzte Siegel der zugehörigen Statue hinzu. Schon höre ich das Klappern des Riegels, der sich zurückschiebt. Und endlich versinken die eisernen Streben im Boden.

Die Rüstung und das Gewand passen mir wie angegossen. Ob sie Leonardo auch gefallen wird? Verwundert schiebe ich diesen Gedanken beiseite. Warum denke ich zurzeit so oft an ihn?

Ich werde es sowieso herausfinden. Die Halterung einer meiner Klingen ist locker. Und nur Leonardo kann sie reparieren.

Als ich ein paar Tage später zurück in Venedig bin, mache ich mich sofort auf den Weg zu Leonardo. Ich muss bald den Dogenpalast auskundschaften, und eine lockere Klinge wäre wirklich fatal.

Nach meinem gewohnten Klopfen trete ich ein und entdecke ihn sofort. Er sitzt, wie immer, vertieft über irgendwelchen Schriften.

Er muss mich jedoch gehört haben, denn als ich einen Schritt näher trete, blickt er auf und seine Augen werden groß.

"Ezio! Schön dich zu sehen!" Er hat wohl meine Montur gemustert, denn erst jetzt blickt er mir in die Augen.

"Was hast du diesmal für mich?" Mit einem geduligen Lächeln kommt er auf mich zu.

"Meine Klinge ist locker. Aber das ist nicht der einzige Grund, wieso ich hier bin."

Wenn es überhaupt möglich ist, werden Leonardos Augen noch größer.

"Ich wollte dir meine neue Rüstung zeigen."

Langsam nickt Leonardo, während seine Augen jedes Detail meiner Rüstung und des neuen Gewandes mustern.

Ich weiß nicht, wieso, doch je länger er mich mit diesen großen Augen ansieht, desto... Desto was? Ich kann das Gefühl nicht einordnen. Doch dann fällt es mir ein. Ich werde nervös.

Wie bin ich in diese Situation gelangt?

"Gefällt sie dir?", Frage ich also beiläufig.

Ertappt sieht Leonardo von meinen Körper hoch.

"Sie ist... wunderschön." Es dauert einen Moment, bis seine Lippen das letzte Wort formen. Diesmal brennen mehr Kerzen in seinem Atelier, weshalb ich es jetzt klar erkennen kann. Nein, ich bilde mir das nicht ein, da bin ich mir sicher. Leonardos Wangen färben sich tatsächlich rot und betreten sieht er zu Boden. Aber wieso? Ich will, dass er mich ansieht. Mit seinen eisblauen Augen.

Entschlossen trete ich einen Schritt auf ihn zu. Leonardo möchte instinktiv zurückweichen, doch er stößt mit dem Rücken gegen ein Bücherregal. Ich stehe keinen Meter von ihn entfernt, und endlich sieht er zu mir hoch.

"Zeig sie mir... Deine Klinge." Daraufhin hebe ich meinen linken Arm und zeige ihm, wo genau die lockere Stelle ist. Als seine warmen Hände meine umschlossen halten, um einen genaueren Blick auf die Klinge zu werfen, zucke ich beinahe zusammen, so intensiv ist die Berührung. Vorsicht sehe ich in sein Gesicht, aus dem ich wie ein Buch lesen kann. Es scheint nicht so, als hätte er bemerkt, was diese Berührung in mir auslöst. Ich will wieder hinunter zur Klinge sehen, doch mein Blick bleibt an seinen Lippen hängen. Ein einziger Gedanke durchströmt mich plötzlich.
Ich will ihn küssen.
Er muss meinen Blick bemerkt haben, denn sein Gesicht wendet sich meinem zu. Mit aller Kraft reiße ich den Blick von seinen verführerischen Lippen los und sehe wieder in seine Augen. Doch diesmal blickt er mich nicht an. Nein, seine blauen Augen betrachten etwas tieferes in meinem Gesicht.
Meine Lippen.

Ich weiß nicht, ob es eine Kurzschlussreaktion ist, aber ich muss es tun. Sofort. Meine linke Hand umfasst seine, mit der er die Klinge inspiziert hat, und drückt sie neben seinen Kopf gegen das Bücherregal.

Leonardos Aufkeuchen gibt mir den Rest, und mit rasendem Herzen drücke ich meine Lippen auf seine.

Ich will gerade schon wieder zurückweichen, da sich sein ganzer Körper versteift. Doch plötzlich umfasst er mit seiner freien Hand meinen Hinterkopf und zieht mich enger in den Kuss.

Ezio x Leonardo | An Assassin's Creed StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt