2 - Leonardo

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"Leonardo".

Beim Klang einer, nein, seiner rauen Stimme zucke ich kurz zusammen. Sofort überzieht mich eine Gänsehaut und ich drehe mich um. Bitte, lass mich mich nicht getäuscht haben. Und tatsächlich, vor mir steht er. Ezio. In seiner anziehenden Assassinenkleidung, wie eh und je. Wie schafft er es, dass diese Kleidung praktisch und attraktiv ist?

Ich muss irgendetwas sagen. Ich kann ihn nicht einfach nur anstarren.

"Du hättest auch einfach Klopfen können, so wie normale Menschen das tun."

Echt Leonardo, etwas anderes fällt dir nicht ein?

Ezio murmelt gerade eine Erklärung, doch ich halte es nicht mehr aus. Mit schnellen Schritten komme ich auf ihn zu und ziehe ihn in eine feste Umarmung. Gott, wie ich das vermisst habe.
"Ich habe dich vermisst, Ezio." Meine Lippen streichen sanft seinen Hals, als ich die Worte forme. Bilde ich mir das nur ein, oder verspannte sich Ezio bei der Berührung meiner Lippen?

Der Berührung... Gott, ich habe das gerade laut gesagt. Ich kann ihm auch einfach gleich meine Gefühle gestehen, damit er sofort die Biege macht. Großartig, Leonardo.

Schnell löse ich die Umarmung und frage ihn, wieso er zu mir gekommen ist.

"Braucht man immer einen Grund, um alte Freunde zu besuchen?"
Alte Freunde. Wenigstens etwas. Ezio, ich wünschte, du würdest auch einmal ohne Grund zu Besuch kommen. Mir zeigen, dass du wirklich meinetwegen vorbeikommst, und nicht nur wegen meiner Fähigkeiten als Entschlüsseler und Erfinder.

Als ich ihm das in netter Form mitteile, knickt er ein und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. Er gibt zu, eine Kodexseite gefunden zu haben.

Bei seinen Worten fährt ein leichter Stich durch mein Herz. Wieso frage ich Narr auch nach? Ich kannte die Antwort bereits.

Der Anblick der Kodexseite jedoch hebt meine Laune wieder etwas.
"Ahh ja, ich sehe. Ich denke, ich weiß, wie ich es bewerkstelligen muss, das Rätsel zu lösen."

Wieso ist Ezio in der Lage, meine Gefühle derart zu beeinflussen?

Ich weiß, er ist normalerweise hier, wenn ich die Seiten entschlüssele. Aber heute... Ich kann mich in seiner Gegenwart kaum eine Sekunde konzentrieren. Immer wieder will ich zu ihm sehen. Den Blick seiner karamellfarbenen Augen auf meinem spüren. Ihm das dunkle Haar aus dem Gesicht streichen -

"Ich werde einige Stunden brauchen. Sagen wir, zwei."

Ezio, dessen Gefühle es mir unmöglich sind, zu lesen, presst die Lippen zusammen und nickt zum Abschied. Schnell verschwindet er aus der Tür.

Ist er jetzt sauer? Oder wütend? Oder enttäuscht? Ich schüttle den Kopf, denn ich werde es nicht herausfinden.

Ich setze mich an die Kodexseite, doch meine Gedanken wollen sich nicht recht darauf konzentrieren. Da war dieses Verspannen von Ezio, als ich in der Umarmung an seinen Hals geflüstert habe. Und seine zusammengepressten Lippen, als ich ihn hinausgeschickt habe. Bedeutet das, ...
Leonardo, hör auf. Es bringt doch nichts, warnt mich eine Stimme in meinem Kopf. Viel zu oft habe ich mir über sein Verhalten den Kopf zerbrochen. Allein die Umarmung damals, die er nicht erwidert hat. Hat er einfach nicht kapiert, dass ich ihn umarmen wollte? Oder wollte er mich nicht umarmen? Ich habe damals Wochen darüber nachgedacht.
Nein, ich kann nicht schon wieder ein solches Gedankenkarussell aufspringen.

Ich versuche, mich auf die Kodexseite zu konzentrieren, doch meine Gedanken schweifen immer wieder zu Ezio. Was macht er wohl gerade? Nur mühselig komme ich voran.

Ich bemerke erst, wie spät es ist, als die Tür knarrend aufspringt und Ezio hereintritt. Von außen fällt kaum noch Sonnenlicht hinein. Es muss viel mehr Zeit als zwei Stunden vergangen sein, und doch bin ich noch annähernd nicht fertig mit der Seite. Wieso muss Ezio meine Gedanken auch dermaßen einnehmen?
Sein Anblick macht es nicht besser. Langsam tritt er im Kerzenschein auf mich zu. Das sanfte Licht lässt seine sonst so harten Züge weicher aussehen.
Wieso muss er so verdammt schmale Hüften haben... Und wieso betont seine Montur das so? Ich muss all meine Willenskraft aufbringen, um wieder hoch in sein Gesicht zu sehen. Ezio sieht mich mit durchdringendem Blick an. Wenn er gesehen hat, wohin ich zuerst geblickt habe, verzieht er keine Miene.

"Es tut mir leid, ich bin noch nicht fertig. Ich war... Abgelenkt."

Leonardo, wieso sagst du so etwas? Ezio ist aufmerksam, er wird fragen, was dich-

"Wovon?", Fragt Ezio aufrichtig.

Lügen liegt dir auch so gut, Leonardo...

"Von... Anderen... Aufträgen..." Stammle ich.

"Nungut, ich werde hier warten. Wecke mich, wenn du so weit bist."

Mit diesen Worten verschwindet er in eine dunkle Ecke meiner Atelier-Werkstatt, in der eine gepolsterte Liege steht.

Ezio x Leonardo | An Assassin's Creed StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt