Ezio x Leonardo | An Assassin's Creed Story

1 - Ezio

Ich atme tief durch, bevor ich die Hand hebe, um gegen die schwere Holztür zu klopfen. Wir haben uns einige Monate nicht gesehen. Ob es ihm gut geht?

Klopf doch einfach, Ezio, dann weißt du es.

Ich zögere, denn ich spüre, dass irgendetwas anders ist seit meinem letzten Besuch bei ihm. Es ist kein schlechtes Gefühl, keine Gefahr. Aber ungewohnt. Ich schüttle den Kopf, und bevor ich noch länger darüber nachdenken kann, klopfe ich endlich und drücke die eiserne Türklinke nach unten.

Schon dringt der vertraute Geruch seiner Werkstatt in meine Nase. Wie ich diesen Duft vermisst habe. Warte, was? Ich gehe einige Schritte in den Raum hinein, doch er scheint mich noch nicht gehört zu haben. Und tatsächlich, da steht er, vertieft vor einer Leinwand.

Bei seinem Anblick ziehen sich meine Mundwinkel nach oben.

"Leonardo". Er zuckt kurz zusammen und dreht sich erschrocken um. Doch als er realisiert, dass ich es bin, legt er schnell seinen Pinsel weg und kommt auf mich zu.

"Du hättest auch einfach Klopfen können, so wie normale Menschen das tun."

"Das habe ich, du hast mich nur nicht-"
Ich kann meinen Satz nicht beenden, denn Leonardo zieht mich soeben in eine feste Umarmung. Wieso riecht er nur so gut? Das ist mir doch früher nicht aufgefallen.

"Ich habe dich vermisst, Ezio." Sein warmer Atem streicht sanft über meinen Hals, und sofort macht sich eine Gänsehaut auf meiner Haut breit. Passiert das immer, wenn man gute Freunde nach langer Zeit wieder trifft?

"Also mein Freund, sag mir, wieso bist du hergekommen?"

"Braucht man immer einen Grund, um alte Freunde zu besuchen?" Scherze ich.

"Nein Ezio, normale Menschen nicht. Aber du bist viel zu beschäftigt, um für ein kurzes Plauderstündchen vorbeizuschauen."

Verlegen kratze ich mich am Hinterkopf. Er hatte ja Recht. Ich bin aus einem Grund hergekommen.

"Ich habe eine Kodexseite." Der forschende Ausdruck in Leonardos blauen Augen weicht für eine kurze Sekunde... Enttäuschung? Nein, das muss ich mir eingebildet haben.

Als er die Kodexseite schließlich aufrollt, tritt das gewohnte Funkeln wieder in seine Augen.

"Ahh ja, ich sehe. Ich denke, ich weiß, wie ich es bewerkstelligen muss, das Rätsel zu lösen. Ich werde einige Stunden brauchen. Sagen wir, zwei. Kommst du dann noch einmal vorbei?"

Er schickt mich tatsächlich weg? Normalerweise war ich immer dabei, wenn er die Seiten enträtselt. Aber gut. Vielleicht hat er in den letzten Monaten, in denen wir uns nicht gesehen haben, seine Arbeitsweisen geändert.

Ich brauche sowieso etwas frische Luft. Mein Kopf muss mir einen Streich spielen. Wieso ist alles so anders als sonst, wenn ich Leonardo besuche?

Ohne groß darüber nachzudenken, wo ich hinlaufe, klettere ich die Häuser hinauf und schleiche über einige Dächer. Ehe ich mich versehe, stehe ich auf einem hohen Turm. Hier oben sehen mich nicht einmal die Wachen. Die Aussicht ist neu für mich. Ich war bisher auf vielen Türmen Venedigs, doch diese scheinen nicht zu enden.

Der Blick aufs Meer beruhigt mich etwas. Vermutlich war ich einfach nur froh, einen guten Freund wieder zu treffen. Und der Duft der Atelier-Werkstatt war so intensiv, weil ich ihn lange nicht gerochen habe und Leonardo auch soeben gemalt hatte. So muss es sein.

Ich muss Stunden hier oben verbraucht haben, denn die Sonne steht mittlerweile schon tief. Wie konnte mir das passieren? Schnell klettere ich den Turm hinab, da ich auf die Schnelle keine gute Landemöglichkeit entdecke. Auf dem Dach des Gebäudes angekommen, aus dem der Turm ragt, sehe ich auf einmal ein vertrautes Zeichen. Ein Assassinengrab. Widerwillig wende ich meinen Blick davon ab, präge mir den Ort aber genauestens ein. Ich muss es später machen. Ich komme so schon zu spät zu Leonardo.

Schwer atmend stehe ich dieses Mal vor seiner Tür, zum zweiten Mal heute. Schnell schüttle ich die Gedanken weg, dass heute irgendetwas anders gewesen ist. Ich muss mir das eingebildet haben. Doch als ich die Tür nach einem Klopfen öffne und mir der vertraute Duft in die Nase steigt, bin ich mir auf einmal nicht mehr so sicher.