III. Nahtoderfahrung

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Flynn nahm sich kurzerhand eine Laterne, die im Tunnel hing, damit wir etwas sehen konnten, bevor wir weiterliefen.

"Das war echt beeindruckend", kommentierte Flynn, während er sich ein Skelett ansah, was aufgespießt an der Wand hing. "Ja, ich hätte vieles erwartet, aber sowas nicht", merkte ich noch an, woraufhin Rapunzel nur schüchtern lächelte.

Nachdem er sich geräuspert hatte, trat er zwischen Flynn und mich. Vorher lief er ein paar Schritte hinter uns. "Also, ihr beiden. Wo kommt ihr her?" Flynn hielt sofort defensiv seine freie Hand nach oben. "Woah, nichts da. Keine Hintergrundgeschichten, obwohl ich zugeben muss, dass mich deine ziemlich interessiert. Also ich weiß, dass es mir nicht erlaubt ist, die Haare zu erwähnen." "Genau." "Oder deinen Vater." "Richtig." "Wegen dem Frosch traue ich mich gar nicht zu fragen." "Chamäleon." "Oder so. Aber eine Frage habe ich doch. Wenn du diese Laternen so dringend sehen willst, wieso bist du nicht früher aufgebrochen?" "Das würde mich auch interessieren. Ich meine, wie alt bist du? 18, 19?" "Ich werde 18 die nächsten Tage und zu deiner Frage, na ja ..."

Rapunzel stoppte, als der Boden begann zu beben. Wir sahen uns alle fragend an, bevor wir Licht aus der Richtung, aus der wir kamen, sahen. Die Wachen waren uns auf den Fersen.

Schnell rannten wir weiter, nur um auf einer Erhöhung herauszukommen. Hinter uns ragte ein Damm hervor, der meiner Meinung nach nicht wirklich stabil aussah und vor uns lag ein leeres Becken mit scheinbar mehreren Ausgängen. Über eine Leiter konnte man hinunter ins Becken klettern.

Aus einem der Ausgänge kamen zwei Männer, anscheinend Zwillinge, heraus, die ziemlich gefährlich aussahen. Die Gesichter habe ich schon mal auf einem Fahndungsposter gesehen, wenn ich mich recht erinnere. "Wer sind die?", fragte Rapunzel in die Runde, woraufhin Flynn schnell antwortete. "Die mögen mich nicht." Als dann die Wachen und Maximus aus dem Tunnel traten, konnte er seine Ausführung gleich fortfahren. "Gehen wir mal davon aus, dass mich keiner hier leiden kann."

"Gut. Halt mal." Rapunzel drückte Flynn seine Bratpfanne in die Hand, bevor er sich bei mir entschuldigte, während er seine Haare um einen in der Luft ragenden Pfosten wickelte, mich mit der anderen Hand an der Taille nahm und uns über den Abgrund auf die nächste Erhöhung schwang.

Aus der Ferne konnten wir nun Flynn beobachten, wie er mit der Bratpfanne zuerst alle Wachen umhaute und dann mit Maximus kämpfte, der ein Schwert zwischen die Zähne genommen hatte.

"Ich hätte nie erwartet, dass eine Bratpfanne eine so gute Waffe ist." Rapunzel zuckte nur grinsend mit den Schultern, bevor er seine Haare zu Flynn herüberschwang und ihn dann auf eine andere Erhöhung zu schwingen. "Ich nehme das, was ich habe. Und entschuldige, dass ich dich ohne Vorwarnung angefasst habe." "War kein Problem." Warum auch immer. Normalerweise wäre ich ausgetickt.

Ich wurde schnell aus meinen Gedanken gerissen, als ein Balken auf unserer Erhöhung landete und als Brücke für Maximus diente. "Und ich entschuldige mich noch einmal", meinte Rapunzel, bevor er mich nochmal an sich zog und wir nach unten schwangen. Hinter uns barst plötzlich der Damm und wir rannten so schnell wie möglich zu dem nächsten Ausgang. Flynn rutschte auf einer Art Wasserrutsche herunter und folgte uns. Als wir gerade so den Eingang erreicht hatten, klappte ein riesiger Felsen hinter uns herunter und versperrte den Weg. Allerdings drang immer noch Wasser ein und unser Ausgang stellte sich schnell als eine Sackgasse heraus.

Wir saßen fest. Und würden gleich kläglich ertrinken.

Während Flynn immer wieder untertauchte, um einen Weg herauszufinden, klopften Rapunzel und ich gegen die Steine über uns, doch nichts schien zu helfen. Dass ich mir die Hand an einem scharfen Stein geschnitten hatte, war in dem Moment mein geringstes Problem.

"Es hat keinen Sinn. Ich kann überhaupt nichts sehen." Geschlagen lehnten wir uns an die Wand, als das Wasser uns schon bis auf Brusthöhe angestiegen war. Wir kamen hier nicht raus.

"Das ist alles meine Schuld. Er hatte recht. Ich hätte das nie tun dürfen. Dann wären wir alle jetzt nicht hier. Elisa, Flynn, es tut mir so leid." Rapunzel hatte seine Arme um sich geschlungen und sah zu Boden. Sanft legte ich meine Hand auf seinen Arm. "Es ist nicht deine Schuld. Ich wollte mit euch mitgehen und Flynn wollte in den Laden gehen. Dass wir hier sind, ist Niemandes Schuld und das mit dem Damm hätte niemand vorhersehen können. Weder du noch ich, noch Flynn." "Eugene", seufzte mein Bruder, was mich stocken ließ. Er wollte sich, seit dem er das Waisenhaus verlassen hat, nicht mehr so nennen. Aber wir sind ja auch gleich tot. Von daher spielt das wohl keine Rolle mehr. Als Rapunzel nachfragte, wiederholte er sich nochmal. "Mein richtiger Name ist Eugene Fitzherbert. Ich finde, jetzt kann ich es ruhig erzählen", meinte er an mich gerichtet, was mich sanft lächeln ließ.

"Ich hab Zauberhaare, die leuchten, wenn ich singe", erklärte Rapunzel daraufhin, was Eugene und mich stutzig werden ließ. "Ist das ein Witz?" Das Wasser stieg uns langsam bis zum Hals. Rapunzel schüttelte mit dem Kopf, bevor er die Augen aufriss, als wäre ihm die lebensrettende Idee gekommen. Im Nachhinein betrachtet, war sie das auch. "Ich habe Zauberhaare, die leuchten, wenn ich singe."

Er holte tief Luft und sang schnell eine Melodie, bevor das Wasser die ganze Höhle füllte. Unter Wasser war es, wie Eugene gesagt hatte, stockdunkel, doch plötzlich erhellte sich die Höhle, als Rapunzels Haare wirklich anfingen zu leuchten. Mit dem Licht konnten wir eine leichte Strömung durch einige Steine am Boden erkennen. Schnell schwammen wir hin und räumten die Steine weg, bis wir genug freigeräumt hatte und von der Strömung weggerissen wurden.

Mit Schwung landeten wir in einem Fluss und hievten uns schnell ans Ufer.

"Wir haben es geschafft", seufzte Rapunzel, nachdem wir alle tief Luft geholt hatten. "Seine Haare leuchten", murmelte Eugene überrumpelt neben mir.

"Wir leben noch." Rapunzel hatte sich wesentlich schneller gefangen, als mein Bruder und stand auf, bevor er mir seine Hand entgegenhielt. Ich gab ihm nur zuerst die verletzte Hand und zog gleich wieder weg, als Druck auf meine Wunde kam. Rapunzel hob sofort die Hände defensiv und entschuldigte sich mehrfach, weil er wahrscheinlich dachte, dass das Problem, das Anfassen an sich war. "Nein, alles gut. Hör auf. Ich hab mich nur geschnitten in der Höhle. Guck." Ich zeigte ihm meine Handfläche mit dem Schnitt, wonach er sichtlich aufatmete und die Hände sinken ließ.

"Ich dachte, er macht Witze. Nein, wirklich, seine Haare leuchten. Wieso leuchten seine Haare?", brabbelte Eugene neben uns, während Rapunzel mir nun an der anderen Hand hoch half, bevor er sich grinsend zu meinem Bruder drehte.

"Sie leuchten nicht nur."


Wahre Träume (m. Rapunzel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt