VII. Laternen

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Als ich wieder am Marktplatz ankam, tanzten die Leute fröhlich umher. Am Rand konnte ich Eugene entdecken, der sich zwischen zwei Häusern platziert hatte und etwas aß, was ziemlich sicher gestohlen war, aber es kümmerte mich in der Situation nicht.

Inmitten des Tanzgetümmels konnte ich Rapunzel erkennen, als er mich sah, schien sein Gesichtsausdruck aufzuleuchten und er deutete mit einer Handbewegung, dass ich zu ihm in den Kreis der Tanzmäuse kommen sollte. Mit einem lächelndem Augenrollen gab ich schnell nach und bewegte mich zur Musik in Richtung Rapunzel. Hätte mich irgendjemand anders gefragt, wäre ich nicht gegangen.

Wir wurden beide immer wieder von anderen Leuten weggezogen, bevor wir endlich lächelnd aufeinandertrafen. "Darf ich?" Er hielt mir seine Hand hin und behielt die andere in der Nähe meiner Hüfte, ohne mich anzufassen. Schnell nahm ich seine Hand, legte mir die andere an die Hüfte, bevor ich meine auf seine Schulter legte und wir zusammen tanzten. Die Musik war heiter, und wir drehten gemeinsam über den Platz. Ich konzentrierte mich nur noch auf ihn und ignorierte völlig die Leute um uns herum.

"Wo warst du? Du warst auf einmal weg." "Ich habe dein Geschenk besorgt." Er schüttelte mit dem Kopf, lächelte aber trotzdem weiter, während wir immer noch zur Musik tanzten. "Ich sagte doch, dass du mir nichts schenken musst. Tanz einfach noch ein bisschen länger mit mir und ich bin wunschlos glücklich." "Und dabei hast du noch gar nicht die Laternen gesehen." "Okay, danach bin ich wunschlos glücklich." Ich lachte sanft, als die Musik sich langsam dem Ende nahte. "Dein Geschenk bekommst du trotzdem."

Wir gingen einige Schritte vom Marktplatz weg, bis wir etwas Ruhe hatten. Erst dann holte ich den Pinsel aus meiner Tasche und hielt ihn ihm entgegen. Er lächelte breit, als er den Pinsel entgegennahm. "Danke. Der ist wirklich hübsch." Mit einem Lächeln antwortete ich ihm. "Schön, dass es dir gefällt."

"Wir sollten wirklich langsam los, sonst verpassen wir noch das Highlight", sagte Eugene, der plötzlich neben uns stand. Rapunzel zuckte weg, da er sich sicher erschreckt hatte, während ich nur seufzte. Ich kannte Eugenes Art langsam. Einfach aus dem Nichts aufzutauchen, ist nicht gerade ungewöhnlich. Das hatte er als Kind schon gemacht.

"Ich dachte, wir bleiben in der Stadt? Wo willst du denn hin?", fragte ich Eugene skeptisch. "Ich habe uns ein Boot gemietet." Einer meiner Augenbrauen stieg unwillkürlich nach oben. "Mit welchem Geld?" "Deinem. Hier ist der Rest", meinte er und händige mir das Restgeld. Es fehlte einiges mehr zu dem Betrag, den ich eigentlich im Geldbeutel hatte, als dass er nur ein Boot gemietet hatte. Ich fragte aber auch nicht nach, sondern folgte ihm mit Rapunzel zum Ufer, wo in der Tat ein Boot auf uns wartete.

Wir stiegen schnell ein, denn es dämmerte langsam und das hieß, dass es bald losging. Maximus blieb am Steg und stieß genervt die Luft aus. Eugene schmiss ihm einen Sack Äpfel hin, doch unser Freund des Rechts nahm von Flynn natürlich nichts an. "Was? Die sind bezahlt", meinte Eugene nur, wofür er sich einen bösen Blick von mir kassierte. Äpfel für Maximus zu kaufen ist ja kein Problem, aber vorher zu fragen wäre schön gewesen. Ich muss wirklich mehr auf meinen Geldbeutel in Eugenes Nähe aufpassen.

Glücklich biss Maximus in die Äpfel hinein. "Die meisten jedenfalls", korrigierte sich Eugene, während er weiter das Boot mit den Rudern vorantrieb.

"Und wohin genau fahren wir jetzt?", wollte Rapunzel wissen, während er mit einer Hand im Wasser Linien zog. "Der wichtigste Tag deines Lebens fordert doch nach einer schönen Aussicht." "Vom Wasser aus ist es wirklich ein Traum", stimmte ich Eugene zu.

Rapunzel lächelte schwach, bevor er das Wasser von seiner Hand abschüttelte und zu uns sah. "Was ist, wenn es nicht so ist, wie ich es mir vorgestellt habe?" Ich lehnte mich etwas zurück, während ich weiter das Schloss ansah und auf die erste Laterne wartete. In Zwischenzeit waren wir an unserem Platz angekommen. "Keine Sorge, es wird noch besser sein." "Und was dann?"

Dann könnte er wieder zurück in seinen Turm gehen und für den Rest seines Lebens dort eingesperrt sein. Oder er bleibt in der Freiheit, in Corona und kann sein Leben weiterleben, während er jeden Tag so fröhlich ist wie heute. Der Gedanke ließ ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen spielen.

Eugene antwortete stattdessen. "Dann ist es Zeit für einen neuen Traum." Da ich weiter auf das Schloss sah, war mir nicht klar, dass Rapunzel in meine Richtung blickte. Eugene allerdings schüttelte lächelnd mit dem Kopf. Auch das sah ich nicht.

Stattdessen konnte ich das erste Licht des Abends aufsteigen sehen, gefolgt von hunderten weiteren. "Es geht los", war das Einzige, was ich sagte, bevor Rapunzels Augen aufleuchteten und wie gefangen an den Laternen hingen, die langsam zu uns aufs Wasser flogen, bevor sie wieder den Weg in den Himmel suchten. Sein Mund stand offen, als er das Spektakel, das er bis jetzt nur aus der Ferne beobachten durfte, endlich vor seinen Augen vorbeizog.

Er sah noch einmal zu mir zurück und dann wieder zu den Laternen, als müsste er sichergehen, dass ich es auch sah. Ihn so zufrieden zu erblicken, ließ mich eine innere Ruhe finden, die ich noch nie empfunden hatte.

Neben mir hörte ich Eugene kramen und wenig später hatte er drei Laternen in der Hand. Er übergab mir zwei, bevor er eine nach der anderen darunter anzündete. "Mehr habe ich wirklich nicht von deinem Geld gekauft", raunte er mir zu. "Das möchte ich hoffen."

Rapunzel nahm unsere Konversation gar nicht wahr, doch als er sich kurz umdrehte und die Laternen sah, sprang wieder dieses kindliche Lachen in sein Gesicht. Meine Hand kribbelte, als ich ihm die Laterne übergab. Doch er stoppte und drehte sich um, bevor er eine braune Ledertasche herausholte und sie Eugene entgegenhielt.

"Der Deal ist damit abgeschlossen. Du kannst deine Tasche wiederhaben. Danke, Eugene und auch danke an dich, Elisa, dass ich das sehen durfte." Ich lächelte, doch fing Eugenes Blick ein. Er seufzte, bevor er mit dem Kopf schüttelte und die Tasche beiseite legt.

Will er mir damit sagen, dass er jetzt weiß, dass das nichts wert war? Oder ist ihm das einfach unangenehm, die Tasche entgegenzunehmen, während ich dabei bin? Darüber sollte ich mir vielleicht gerade keine Gedanken machen.

Ich übergab Rapunzel seine Laterne und wir entließen alle drei unsere brennenden Lichter in den Himmel. Sie kreisten umeinander, während sie in die Höhe stiegen.

Rapunzel lächelte breit, während er anscheinend versuchte, jeden Zentimeter dieser Szene in seine Erinnerung zu brennen. Ich konnte nicht anders, als mit ihm zu lächeln.

Doch ich merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. Als ich zu Eugene sah, blickte er nur in die Ferne aufs Land, bevor er auf die Tasche sah. "Alles okay, Eugene?"

Rapunzel merkte es auch. "Ja, natürlich. Ich ... muss nur ... kurz an Land. Entschuldigung." Eugene schien so tief in Gedanken, während er uns an Land ruderte, dass ich mir wirklich Sorgen machte. Eugene tat schon immer Dinge ab, die ihn beschäftigten, damit er niemanden belastete. Das ist nicht ungewöhnlich, aber im Normalfall sieht man es ihm nicht auf den ersten Blick an, dass etwas nicht stimmt.

An Land angekommen stieg er aus, nahm sich die Tasche und verschwand hinter ein paar Felsen, nachdem er nur gesagt hatte, dass er gleich wieder da sei. Da mich alles in mir drin anbrüllte, ihm zu folgen, tat ich das auch, nachdem ich mich bei einem sehr besorgt aussehenden Rapunzel mehrfach entschuldigt hatte. Mit einem eindeutig gezwungenen Lächeln ließ er mich gehen. Doch als ich hinter die Steine trat, fand ich nicht nur Eugene, scheinbar bewusstlos am Boden liegen, mit der Tasche wesentlich weiter weg, sondern auch die Zwillinge, die Eugene auf der Fährte waren.

Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie die beiden auf mich zukamen und alles um mich herum schwarz wurde.


Wahre Träume (m. Rapunzel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt