Ich hörte, wie eine tiefe Stimme hinter mir lachte, als ich zu Boden fiel. Rapunzel schrie und versuchte sich gegen die Ketten zu währen, doch es war zwecklos. Rapunzels Vater trat hinter mir hervor. Gothel war sein Name, hatte mir Rapunzel erzählt, doch das interessierte mich gerade am wenigsten. Schmerzerfüllt hielt ich mir die Stelle am Bauch, denn der Stich ging einmal durch. Ich lag auf der Seite und krümmte mich, als Gothel zu Rapunzel sprach.
"Sieh nur, was du getan hast, Rapunzel. Oh, keine Sorge, Schatz. Unser Geheimnis stirbt mit ihr und ihrem Bruder." Ich hörte, wie Rapunzel versuchte, nach mir zu rufen, während Gothel seine Ketten nahm und ihn anfing, wegzuziehen, doch ich konnte mich nicht dazu bringen, ihn anzusehen. Ich sah nur meine, von meinem eigenen Blut beschmierte, Hand und die Kleidung um die Wunde, die sich langsam rot färbte.
"Und was uns angeht ... wir gehen an einen Ort, wo dich niemand je wiederfindet." Ich hörte, wie Rapunzel sich gegen seinen Vater wehrte. "Rapunzel, jetzt ist aber Schluss! Dieser Kampf wird dir nichts bringen."
Erst jetzt konnte ich Rapunzels Stimme klar hören, anscheinend hatte er den Stoff gelöst, der vor seinem Mund war. Doch auch meinen Herzschlag konnte ich laut und schnell in meinen Ohren hören. War das ein Anzeichen von Blutverlust? Ich hatte keine Ahnung.
"Ich werde nicht aufhören, gegen dich zu kämpfen. Für jede Minute, für den Rest meines Lebens, werde ich nicht aufhören. Ich werde immer versuchen, einen Weg zum Fliehen zu finden ... Aber ... wenn du sie mich heilen lässt, werde ich mit dir gehen." Das darf er nicht tun. Das darf er einfach nicht. "Ich werde nicht weglaufen und ich werde nicht versuchen, zu entkommen. Ich will sie nur heilen und dann ... dann bleibe ich bei dir. Für immer, genauso, wie du es willst. Alles wird wieder so sein, wie es war. Ich verspreche es. So wie du es willst. Lass sie mich nur heilen."
Nein, das durfte nicht passieren. Jemand packte mich am Arm, wahrscheinlich Gothel, und zog mich zu einer Säule, bevor er mich mit Metallketten festband. Ich konnte mich nicht dagegen währen. "Das ist für den Fall, dass du auf die Idee kommst, uns zu folgen."
Gothel ging ein paar Schritte weg und Rapunzel kam neben mich. Als er die Wunde sah, fluchte er leise. "Okay, alles wird gut. Gleich gehts dir wieder besser." Als er seine Haare auf meine Wunde legen wollte, drückte ich seine Hand immer und immer wieder weg. "Das darfst du nicht machen."
"Ich werde dich aber auch nicht sterben lassen, Elisa. Das kann ich nicht. Nicht, wenn ich was dagegen tun kann. Bitte."
Meine eine Hand fiel auf den Boden und kam in Kontakt mit einer Glasscherbe von dem zerbrochenen Spiegel, der im Raum lag.
Aber wenn man es abschneidet, wird es braun und verliert seine Kraft.
Er darf nicht den Rest seines Lebens in Gefangenschaft leben. Das ist mir mein Leben nicht wert. "Warte."
Mit letzter Kraft hob ich meine Hand, griff nach seinem Haar und schnitt es mit der Scherbe hindurch. Die Scherbe fiel mir aus der Hand, als ich kraftlos zurückfiel.
In der Ferne hörte ich Gothel schreien und Rapunzel schockiert Luft holen, bevor er versuchte das Lied zu singen, dass mich heilen sollte.
"Rapunzel, hör auf. Du bist jetzt frei." Er nahm schnell meine Hand und drückte sie. "Du darfst nicht sterben." "Lebe für mich weiter, ja?"
Danach wurde alles schwarz.
Doch es blieb nicht lange so. Plötzlich spürte ich eine Wärme in mir, wie damals, als Rapunzel mich geheilt hatte. Nach und nach kehrte die Kraft in meinen Körper zurück, bis ich die Augen öffnen konnte. Rapunzel hatte mich in seinen Schoß gelegt und sah mit glasigen Augen zu mir hinab. Als ich ihn ansah, begann er ungläubig zu lächeln. "Du hast mir doch glatt meinen dramatischen Abgang weggenommen."
Schnell nahm er mich in seine Arme und seufzte glücklich. "Entschuldigung, aber das musst du mir jetzt lassen. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen."
Ich ließ so weit von ihm ab, dass ich ihm in die Augen schauen konnte. "Hör auf, dich zu entschuldigen." Mein Herz klopfte wie verrückt, während wir uns immer näherkamen. Kurz bevor unsere Lippen sich trafen, hielt er inne. "Darf ich?" "Küss mich endlich."
Er kam meiner Forderung schnell nach und legte seine Lippen auf meine. Einer seiner Hände lag auf meinem Rücken, während er die andere an meine Wange legte. Ich hingegen vergrub meine Hände in seinem nun kurzen braunen Haar und zog ihn noch näher zu mir.
Als wir uns nach einiger Zeit wieder trennten, atmeten wir schwer. "Ich bin so froh, dass du noch lebst", murmelte Rapunzel, während er seine Nase in meiner Schulter vergrub. Langsam kraulte ich ihm durch die Haare.
"Entschuldige für den drastischen Haarschnitt." Sein Lachen fuhr mir durch den ganzen Körper. "Hör auf, dich zu entschuldigen. Aber du hast mir verdammt viel Angst eingejagt." "... Entschuldige."
Wir lachten beide, bis wir Eugene von unten rufen hörten. Rapunzel zuckte vor Schreck zusammen. "Alles okay, da oben?" Nachdem Rapunzel einmal durchgeatmet hatte, küsste er mich schnell, bevor er aufstand und mir hoch half. Zusammen gingen wir zum Fenster und sahen herunter zu Eugene und Maximus.
Als sie Rapunzel sahen, wurde ihr Blick leicht schockiert. Mein Bruder fand sich schneller. "Die neue Frisur steht dir. Aber heißt das jetzt, dass du meinen Fuß nicht heilen kannst?"
Kopfschüttelnd antwortete Rapunzel. "Das muss wohl auf altmodische Art heilen." Ich konnte Eugene nicht hören, aber wenn ich seine Lippen richtig gelesen habe, hatte er "Wie langweilig" gesagt.
Durch eine Klappe im Boden kamen wir aus dem Turm wieder heraus. Als wir wieder mit meinem Bruder und Maximus vereint waren, sagte Rapunzel etwas, was alle restlichen Puzzleteile in meinem Kopf zu einem Bild zusammensetzte. "Lasst uns dem Königspaar einen Besuch abstatten. Ich will meine Eltern kennenlernen."
Die Ähnlichkeiten waren also doch kein Zufall. Ich hätte wahrscheinlich schon eher darauf kommen sollen.
Auf dem Weg zur Stadt bestand Rapunzel darauf, dass ich mit Eugene auf dem Pferd saß. Ich solle mich noch erholen. Hätte Eugene nicht gesehen, wie Gothel aus dem Turm gefallen war, wäre er nach der Geschichte sicher nochmal zurückgegangen und hätte ihn persönlich rund gemacht dafür, dass er mich töten wollte. Oder getötet hat, je nachdem, wie man es nimmt.
Das Königspaar war voller Freude, als sie endlich wieder mit ihrem Sohn vereint waren, und als Dank wurden mein Bruder und ich nicht dem Galgen vorgestellt. Zweimal sterben an einem Tag wäre aber auch übertrieben gewesen.
Ganz Corona feierte die Rückkehr des Prinzen tagelang. An jeder Ecke wurden Träume wahr. Captain Hook wurde berühmter Pianist und unser Romantiker fand endlich seine wahre Liebe. Dank Maximus gab es im ganzen Land fast keine Verbrechen mehr. Eugene hatte sich nach dem ganzen Abenteuer dem Stehlen abgewandt. Zumindest größtenteils. Ab und an fand ich meinen Geldbeutel noch etwas leerer als vorher.
Ich hingegen verbrachte den Rest meines Lebens mit dem verschwundenen geglaubten Prinzen, den mein Bruder zufällig im Wald aufgegabelt hatte.
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Wahre Träume (m. Rapunzel)
FanfictionFlynn Rider war einer der bekanntesten Diebe in ganz Corona, doch niemand wusste, dass er noch eine Schwester hatte. Als Elisa zufällig ihrem Bruder und einem attraktiven Fremden mit übernatürlich langem Haar begegnete, konnte sie kaum ahnen, auf we...