Wir schreiben den 6. Juni 1786. Ich war bereits 16 Jahre alt und würde demnächst auch meinen 17. Geburtstag feiern.
Es war ein angenehm warmer Frühlingsmorgen, den ich mit meinen 3 Schwestern in dem großen Garten, der sich auf unserem Anwesen befand, verbrachte. Wir liefen wie junge Mädchen durch das feinsäuberlich gepflegte Labyrinth aus Buchs und spielten fangen. Da ich die zweitälteste war, konnte ich meine beiden jüngeren Geschwister, Bethany und Jeanny, leicht hinter mir lassen. Nur Leanne war mir überlegen. Diese Tatsache lies sie deshalb meist aus solchen Spielen als Siegerin hervorgehen. So auch heute.
Erschöpft ließ ich mich neben Leanne auf eine Decke, die von unseren Dienstboten auf dem noch vom Tau bedeckten Gras, für uns uns bereitgelegt wurde.
"Mal wieder zu langsam, Liz", spottete meine große Schwester kichernd. Ihre langen dunkelbraunen Locken fielen ihr dabei ins Gesicht, welche sie jedoch sofort wieder mit einer eleganten Bewegung zur Seite warf. Mir blieb gar nicht die Zeit etwas zu erwidern, denn im nächsten Moment plumpsten meine zwei anderen Schwestern auf die Decke. Beide hechelten sie als wären sie von Cornwall bis nach London gerannt. "Das ist nicht fair", maulte alsbald Jeanny, die jüngste. "Ihr beide habt viel längere Beine", fügte Bethany hinzu und verzog ihr Gesicht. Daraufhin versuchte ich ihr zu erklären, dass wir aber viel schwerere Kleider als die beiden hatten, doch sie tat es mit einem Handwinken ab.
In diesem Moment kam eine Zofe über den Rasen geeilt. Ihre Diensthaube hielt sie dabei mit einer Hand auf dem Kopf.
Als sie uns schließlich erreicht hatte, versuchte sie sich gerade aufzurichten und ihre Stimme in den Normalzustand zu bringen. Dann sagte sie: "Eure Frau Mama wünscht euch im Haus zu sehen und das sofort."
Wissend schauten Leanne und ich uns an. Es dürfte sich vermutlich um einen weiteren Interessenten handeln, denn Leanne hatte ein Alter erreicht, indem sich die meisten jungen Frauen bereits verheiratet hatten. Doch zu Mutters und Vaters Missfallen schaffte sie es sich im letzten Moment immer zu blamieren, was ihre Verehrer, wenn man sie denn so nennen konnte, abschreckte. So kam es, dass Annie (Kurzform für Leanne) mit ihren 20 Jahren immer noch nicht in festen Händen war. Doch das schien sie nicht weiter zu stören.Als wir durch die große verglaste Doppeltür von hinten das Haus betraten wartete bereits unsere Mutter auf uns. In ihrem strengen Blick erkannte ich, dass unsere Vermutungen richtig waren. "Mädchen, wir erwarten heute um 8 Uhr einen Gast, den Herzog von Wales. Das dürfte besonders für dich Leanne, aber auch für dich Eliza von Wichtigkeit sein." Ich stutzte. Natürlich war es mir bewusst, dass ich nun auch in das heiratsfähige Alter eintrat, aber hatte doch eher vermutet, dass Mama zunächst Leanne verloben wollte. "Ich wünsche euch um Punkt halb acht im großen Salon vorzufinden, natürlich in euren schönsten Gewändern", mit diesen Worten verschwand Mutter aus dem Raum. Leanne seufzte auf: "Nicht schon wieder."
Der Abend rückte näher und ich wurde zunehmend nervöser. Was geschieht wenn er mich wirklich auswählen sollte? Ich fühlte mich noch nicht bereit für eine solche Bindung. Auch war ich noch nicht im Stande meine Familie zu verlassen. Am meisten würde ich meine Schwestern vermissen. Mama war schon immer streng, dennoch liebenswürdig gewesen. Papa bekam ich kaum zu Gesicht. Er war stets mit politischen, wie gesellschaftliche Angelegenheiten betraut, weswegen er selten im Haus war. Beinahe das gleiche galt für meinen Bruder, nur das er schon verheiratet war und in einem anderen Teil der Grafschaft lebte, weshalb ich auch ihn kaum sah.
Ich bekam nur am Rande mit wie mich meine Zofe mich anzog, schminkte und mir meine Perücke aufsetzte und zurechtmachte. Die dunkle Standuhr hinter mir schlug bedrohlich sieben. Nun veränderte sich auch mein Atem. Ich sog die Luft schnell ein und ließ sie zitternd wieder raus. Ich begann meine Finger ineinander zu verknoten, während ich wie gebannt auf das Zifferblatt starrte. Meine Zofe verabschiedete sich mit einem Knicks, nachdem sie mir noch eine schwere Kette um meinen Hals gelegt hatte.
Der Zeiger bewegte sich erbarmungslos weiter auf die acht zu.
Um 25 nach sieben erhob ich mich von dem Hocker und begab mich Richtung Salon.
Zögernd öffnete ich die Tür zu diesem und sah, dass bereits meine Mutter und Jeanny dort warteten. Mit einem Nicken begrüßten wir uns und ich setzte mich neben sie auf die Ohrensessel, die in der Ecke neben der Tür ihren Platz hatten.
Auch hier befand sich eine Uhr. Gebannt verfolgte ich weiterhin die Uhrzeit, bis mit einer Verspätung von 10 Minuten Bethany zur Tür reinkam und sich einen bösen Blick von Mutter einfing. Kurz nach ihr kam schließlich auch Leanne. Sie kam gemächlich durch die Tür geschritten und machte den Eindruck, als wäre das alles nichts weiter als ein ganz normales Abendessen mit der Familie. "Leanne, gewöhn dir Pünktlichkeit an," sagte Mama sichtlich genervt und wies sie an Platz zu nehmen.
Um 10 vor acht betrat auch Vater das Zimmer. "Guten Abend. Wie ihr bereits wisst erwarten wir heute Abend noch Besuch vom Herzog von Wales, sowie von seinem engen Freund, Sir Warden. Ich erwarte tadelloses Benehmen von euch allen." Beim letzten Satz schaute er insbesondere Leanne an. Wir stimmten alle zu.
Um Punkt acht hörten wir eine Kutsche den Weg zu unserem Anwesen herauffahren und zum Stillstand kommen. Durch das Fenster erhaschte ich einen kurzen Blick auf die sechs pechschwarzen Pferde, die eine schwarze, mit silbernen Ornamenten verzierte Kutsche zogen.
Alsbald vernahmen wir auch schon das Klopfen an unserer schweren Holztür. Sofort wurde diese von unseren Angestellten geöffnet. Wir hörten mehrere Schritte auf den blank geputzten Marmorfliesen bis diese vor der Flügeltür des Salons, in dem wir uns befanden zum stehen kamen.
Meine Mutter gab uns das Zeichen aufzustehen. Ich hörte wie in Trance die Tür aufgehen und schon betrat er den Raum.Ich hoffe das erste Kapitel meiner Geschichte gefällt euch. Wenn ja, lasst es mich doch durch ein Vote oder Kommentar wissen. 😊
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Der Herzog
Historical FictionIch würde niemals behaupten ich hätte es geahnt. Doch ab dem Moment, wo ich ihm zum ersten Mal in die Augen blickte, war es bereits um mich geschehen. Wenn auch ohne mein Wissen. Ich, Eliza Mary Foster, lebte zur Zeit der Aufstände, des Neubeginns...