Kapitel 5

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Ich verließ das Bad ohne mir im Klaren über die Situation zu sein.                        Meine Familie im Salon hatte bereits das Dessert begonnen: Birnen in Zartbitterschokolade mit Wallnuss und Rum. Meine jüngste Schwester Jeanny hatte schon einen großen Schokoladenfleck auf ihrem cremefarbenen Spitzenkragen vorzuweisen und Bethany aß in einem unglaublichen Tempo. Man hätte meinen können, dies wäre ihre erste Malzeit nach Tagen des Hungers.
Schmunzelnd nahm ich Platz. Meine Familie ließ mir keinerlei Beachtung zu Teil werden, jedoch ruhten die Augen der beiden Herren auf meiner Wenigkeit. Ich sah verunsichert erst in die Augen von Sir Warden, dann in die des Herzogs. In denen Sir Wardens lag ein misstrauischer, gar zweifelnder Ausdruck der mir gar nicht geheuer war. Die Augen vom Herzog allerdings spiegelten Wärme. Ich befand es für besser mich meinem bis Dato unberührtem Nachtisch zuzuwenden, denn auf diese Weise konnte ich die Blicke der beiden Männer von mir abwenden.
Bei meinem nächsten zögerlichen Blick Richtung eben dieser, als ich schon halb durch den Nachtisch war, unterhielten sich beide leise miteinander. Sir Warden, wie wäre es auch anders zu erwarten schaute unzufrieden drein, aber der Herzog sprach mit euphorischer Miene.
Ich konnte nicht anderes, als versuchen zu lauschen, jedoch befand es grade in jenem Moment Vater für angebracht ein Tischgespräch zu beginnen: "Sehr geehrter Herzog, darf ich mich soweit vorwagen zu fragen, ob Sie Interesse daran hätten nächste Woche Mittwoch unseren Ball zu besuchen?" Augenblicklich wurde ich sehr aufmerksam. Einen Ball? Wir hatten noch nie einen Ball gegeben. Und auch, dass unser erster bereits am Mittwoch stattfinden würde, war mir neu.
"Es wäre uns ein große Ehre," setzte Mutter nach. "Au ja," quiekte nun auch meine jüngste Schwester Jeanny. Ich war heilfroh, das Bethany und Leanne sich aus der Sache raushielten. Mir war es etwas unangenehm, wie sich meine Familie aufdrängte. Aber das war ja keine Neuheit.
"Liebend gerne, ich bedanke mich für Ihre Einladung." Er hatte zugesagt. Ich war mir gewiss, dass ich mich jetzt schon auf eine anstrengende Woche einstellen konnte. "Oh, und Sir Warden muss auch erscheinen! Am liebsten noch mit ein paar anderen genauso attraktiven Gentlemen!" Ich konnte nicht fassen, was Jeanny da grade von sich gegeben hatte. Sie ist schließlich bereits 13 und ein gewisses Maß an Anstand sei in dem Alter wohl auch ihr zuzutrauen. Allerdings musste ich feststellen, dass die Röte, die in jenem Augenblick in Sir Wardens Gesicht aufleuchtete, meine neutrale Fassade zerbrach und ich nicht umhin konnte zu schmunzeln. "Natürlich, Madame," sagte er schnell, als er seine Verfassung wieder errungen hatte. "Haben sie schon alles für die Festlichkeiten hergerichtet oder benötigt es noch etwas Beihilfe?", fragte der Herzog aufmerksam. Mein Vater räusperte sich, ich konnte mir schon vorstellen wieso.
"Äh, *hust* ... Nein danke, wir sind bereits sehr gut im Zeitplan, das Fest auszurichten. Danke der Nachfrage, sie sind ein sehr hilfsbereiter Mann." Vater lächelte breit und man konnte etwas Schokolade auf seinen Schneidezähnen erkennen. Der Herzog nickte. "Welche Herrschaften sind denn geladen?" Prompt konnte ich beobachten, wie die Farbe des Gesichtes von Papa von bleich zu rot färbte. Gekonnt konterte Mutter, um der unangenehmen Situation auszuweichen: "Alles was Rang und Namen hat wird erscheinen." Sie lächelte aufgesetzt und die beiden Männer gaben sich zufrieden.
Die Tafel war vorüber. Die Sonne stand sehr tief über den Ländereien von dem Anwesen. Lange Schatten zogen sich über den edlen, mit Teppichen ausgelegten, Holzboden. Die Gesellschaft begab sich in das Musikzimmer des Hauses.
Kaum hatte ein Diener die Türe aufgestoßen, schon rannte Jeanny hinein, um sich auf den gepolsterten Hocker vor dem Flügel niederzulassen. "Oh Mama, bitte darf ich etwas vorspielen?" "Nein, kommt nicht in Frage", Mutters Lippen kräuselten sich, was wohl an dem Gedanken an Jeanny's musikalischen Fertigkeiten liegen musste. Sie konnte zwar schon viele Stücke, allerdings war sie nicht in der Lage eines bis zum Ende fehlerfrei oder überhaupt durchzuspielen, weil sie sie leicht anfingen zu langweilen. Weswegen sie oft verschiedene Stücke zerriss, mischte und neu, nach ihren Vorstellungen, zusammen fügte.
"Aber, aber, wieso soll die junge Lady uns denn nicht Ihre Talente offenbaren?", schmunzelte der Herzog. "Es tut mir leid sie enttäuschen zu müssen, aber meine Tochter Jeanny hat die musikalische Ausbildung noch nicht vollständig absolviert. Meine nächstältere Tochter, Bethany, jedoch. Wäre es Ihnen Recht, wenn Sie Jeanny's Part übernehmen würde?" Zustimmend nickte er und Bethany schritt ohne jegliches Wort zu dem Hocker und ließ sich auf den Platz, von dem soeben noch Jeanny enttäuscht gerutscht war, nieder und begann zu spielen. Musik erfüllte den Raum.
"Darf ich mich nach ihren Fertigkeiten erkundigen, Madame?", fragte der Herzog mich. Ich nickte kurz: "Wie ich schon bei unserem ersten Zusammentreffen erwähnte begeistere ich mich sehr für Literatur. Dementsprechend habe ich den großen Drang mich fortzubilden und eines Tages die Welt zu bereisen." Mein Gegenüber zog etwas erstaunt die Augenbraue hoch. "Ich habe natürlich auch ein Instrument gelernt. Die Geige," setzte ich schnell nach ehe er meinen könnte ich wäre nicht kultiviert genug. Und damit meine ich, kultiviert wie er es für eine Frau für angemessen empfindet. Ich schüttelte den Gedanken ab und begann eine lockere Unterhaltung mit ihm zu führen. Später am Abend hatte jeder mit jedem ein Gespräch genossen, wenn auch die Gesellschaft meiner Schwestern kaum von Gesprächen geprägt waren, als mehr von Gekichere und Neckereien. Allerdings war es sehr entspannend ganz im Gegensatz zu meiner Konversation mit Sir Warden. Er war sehr kurz angebunden und machte einen sehr unglücklichen Eindruck. Versteh einer diesen Mann...
Als sich der Zeiger auf dem Zifferblatt der prächtigen Standuhr der elf näherte, gingen wir. Die Kutschen waren bereits vorgefahren und wir stiegen ein. Die beiden Herren verabschiedeten sich, mehr oder weniger, freundlich und die Rückreise begann.

Ich weiß in dem Kapitel ist nicht sonderlich viel passiert, aber ich verspreche, dass die nächsten Kapitel spannender werden. 😉

Der HerzogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt