Kapitel 11: Talia

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Es ist eine Woche her, seit ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Jeden Tag war ich dennoch bei Erik und habe ihn besucht. Heute ist der Tag, an dem auch er das Krankenhaus verlassen darf, darum hat er mich gebeten, heute nicht zu ihm zu kommen damit ich mich schone und da seine Eltern ihn vom Krankenhaus abholen, ist es nicht so schlimm, wenn ich nicht zu ihm gehe. Erik meinte, dass er mich heute Abend anruft und er mir dann seine volle Aufmerksamkeit schenkt. Frustriert, starre ich eine Weile auf mein Handy und überlege, was ich noch tun kann. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, habe gelernt, war spazieren, habe etwas gegessen, mein Zimmer aufgeräumt und an meinem Buch weiter geschrieben, trotzdem ist mir noch langweilig und da es erst 15 Uhr ist und Erik vermutlich gerade schläft weis ich nicht mehr was ich tun soll. Die Spiele auf meinem Handy wurden langweilig in der Woche, als ich im Krankenhaus an dieses sterile Bett gefesselt war. Ich lasse meinen Blick durch mein Zimmer schweifen, in der Hoffnung, etwas Interessantes zu finden. Das einzige, was mein Interesse weckt, ist das kleine Buch, welches meine Psychologin mir vor etwa zweieinhalb Wochen gegeben hat. ,,Seit 2 Wochen habe ich dir nichts mehr erzählt. Wird wieder Zeit mhm?" frage ich gelangweilt, stehe auf, gehe zu meinem Schreibtisch und setze mich auf meinen Schreibtischstuhl. Ich nehme meinen liebsten schwarzen Stift zur Hand,schlage eine neue Seite auf und fange an zu schreiben.


Der Tagebucheintrag:

Frage vom Mittwoch, den 22.08.2023.

Wann hast du das letzte Mal gelebt?

Liebes Tagebuch,

Dieses Mal ist es einfacher, diese Frage zu beantworten. Ich habe das letzte Mal gelebt, als ich in Eriks Armen lag. Ich lebe allgemein in jeder Sekunde, in der ich bei Erik bin. Er ist mein kleiner lebender Stern in meiner Finsternis. Sein Licht und seine energie haben meine Welt dazu gebracht sich wieder zu drehen so das ich anfangen konnte wieder zu leben, doch ich weis dass sein Licht schon bald wieder verschwinden wird. Ich will das nicht. Mein kleiner Stern ist doch gerade eben erst in meiner kleinen Welt angekommen. Doch auch wenn ich nicht will das er stirbt weis ich dass ich aufhören sollte jetzt schon um ihn zu trauern. Ich habe nicht das Recht, seine letzten paar Wochen, die er noch hat, damit zu verbringen, ihn zu etwas zu überreden, das er nicht will, er hat das Recht auf eine wunderschöne letzte Zeit. Im Hier und Jetzt. Mit mir.

Wie waren die letzten zwei Wochen?

Da ich seit zwei Wochen nicht geschrieben habe, gibt es viel zu erzählen. Ein wenig habe ich dir gerade schon verraten, doch fangen wir erstmal am Anfang vor 2 Wochen an. Ich habe erfahren das Erik Krebs hat. Er möchte sich nicht behandeln lassen, da er weiß das er keine weitere Chemo ertragen kann. Ich verstehe es, doch ein kleiner Teil in mir sträubt sich dagegen zu akzeptieren, dass er sterben wird und ich nichts dagegen tun kann. Die letzten zwei Wochen haben Erik und ich, nach diesem einen alles zerstörenden Gespräch, nicht mehr darüber gesprochen. Weder darüber, dass er sterben wird, noch darüber, dass ich fast gestorben bin, als ich zusammengebrochen bin. Wir haben einfach nur vor uns dahin gelebt und die Zeit miteinander genossen. Doch heute Morgen hat Erik mir die Liste zugeschickt. Diese Liste, die ich niemals haben wollte, jedoch ist diese Liste das einzige was ich für Erik tun kann, also werde ich versuchen, all die letzten Wünsche die er hat zu erfüllen. Ich hoffe nur, dass ich es auch kann. Besonders weil all seine Wünsche in irgendeiner Art und Weise mit mir zu tun haben.

Er hat genau 11 Wünsche aufgeschrieben. Manche davon sind sehr ungewöhnlich für ein sterbenden meiner meinung nach, aber Erik hatte mich extra vorgewarnt das er gnadenlos ehrlich bei diesen Wünschen war und meinte das er mich zu nichts drängen möchte und ich auf keinen fall etwas davon tun muss wenn es sich nicht richtig anfühlt. Zunächst habe ich nicht verstanden, was er damit meint, doch als ich seine 11 Wünsche gelesen habe, gingen viele Gedanken und Gefühle gleichzeitig durch meinen Kopf. Lust, Freude, Trauer, Wut, Verzweiflung, Angst, doch keiner dieser Gefühle wird mich davon abhalten, ihm diese Wünsche bestmöglich zu erfüllen. Ich möchte, dass er glücklich wird, egal wie schmerzhaft oder qualvoll diese Erinnerungen an ihn sein werden.

Sein Stern in meiner FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt