Kapitel 1: Talia

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Der Erster Schultag. Ich hasse ihn. Man steht jeden Tag auf. Setzt seine penibel errichtete Maske auf und tut was jeder tut. Man lebt, egal wie tot man innerlich schon ist. Man zeigt jedem ein Lächeln. Ein Lächeln, das auf den ersten Blick glaubwürdig scheint. Jeder kauft es ab, doch sobald man alleine ist, oder eine wichtige Person dir tief in die Augen schaut und dich fragt, ob es dir gut geht, fängt die über Jahre lang aufgebaute Maske an zu bröckeln. Dein Innerstes, was du versucht hast zu verstecken, fängt an zu schreien und versucht, raus zu kommen. Manchmal schaffst du es gerade noch, deine Maske wieder zu richten und so lange sie weiter aufrecht zu erhalten, bis du mitten in der Nacht aufwachst und weinst. Du würdest am liebsten schreien und weglaufen. Weglaufen vor dir selbst. Vor deiner Familie. Vor deinen Freunden. Vor deinem Alltag. Vor deinen Gefühlen. Deinem eigenen Dasein. Doch du kannst es nicht. Du weinst einfach nur noch. Du weinst und fühlst dich, als wäre dein ganzer Körper taub. Vielleicht verletzt du dich sogar selber, oder verletzt dich irgendwie psychisch, um deine Gedanken zum Schweigen zu bringen und alles um dich herum für eine Sekunde aus zu blenden. Doch genau in dem Moment wo du zusammen brichst, spürst du keinen Schnitt auf deiner Haut. Keinen Schlag auf deine Knochen und keinen anderen Schmerz außer der, der aus deinem Innersten kommt.

Doch genau über das, was hinter der Fassade ist. Darüber redet niemand. Und so fühlen sich hunderte Menschen alleine mit ihren Gedanken und Gefühlen.

Der Grund, warum ich den ersten Schultag, abgesehen von der mühsamen Maske, noch hasse, ist, dass ich wieder in eine offene Arena geschubst werde. Ich werde gedrängt, mit Menschen zu agieren, die ich nicht leiden kann, da sie mich so oft verletzt haben. Sie haben mich aus meiner Reserve gelockt. Mich dazu gebracht, ihnen zu vertrauen und am Ende? Am Ende sind sie aus meinem Leben verschwunden. Entweder dadurch, dass sie mein Vertrauen missbraucht haben, oder ich sie mit meiner Art und Weise verletzt habe und sie verschreckt habe, noch bevor sie mich überhaupt erst richtig kennenlernen konnten.

Menschen bilden sich Vorurteile, noch bevor man die Chance hat, sich ihnen gegenüber zu öffnen und zu zeigen, wer man wirklich ist. Doch ich schätze, das liegt in der Natur eines jeden Menschen.

Wie gesagt, ich hasse den ersten Schultag, aber was muss, das muss. Also stehe ich auf, geh ins Bad und da ich ausnahmsweise Mal genug Motivation, habe mich noch vor der Schule schnell zu duschen, springe ich unter die Dusche und komme gute 30 Minuten später mit geputzten Zähnen, hochgesteckten Haaren und ein Handtuch um mein Körper gewickelt aus meinem Badezimmer raus und geh zu meinem Kleiderschrank.

Ich ziehe mir einen großen schwarzen Hoodie, der meine Arme gut bedeckt, eine schwarze Leggings und meine schwarzen Overknee Stiefel an.

Da meine haare in dem unordentlichen Dutt akzeptabel aussehen und ich wirklich keine Motivation mehr habe sie mir ordentlich zusammenzubinden, beschließe ich sie einfach so zu lassen wie sie sind und gehe runter in die Küche, wo ich nur meine schlafende Mutter vor finde, die immer noch eine Sekt Flasche in der Hand hält. Leise zu ihr schleichend, nehme ich ihr vorsichtig die Flasche aus der Hand und decke sie zu.

Seitdem meine Schwester verschwunden ist, sind wir alle nicht mehr so wie wir einst waren. Meine Mutter leidet am meisten darunter. Jeden Tag geht sie, sobald sie wach ist, raus und betrinkt sich, um irgendwie ihre Trauer zu ersticken. Ich nehme es ihr nicht übel. Am liebsten würde ich mich genauso hängen lassen und meinen Kopf abschalten, doch das geht nicht. Ich muss für sie und meinen Bruder stark bleiben.

Nachdem ich einen Zettel auf dem Tisch vorfand, der scheinbar von meinem Bruder stammt, gehe ich mit meinem Rucksack über die Schultern geworfen aus dem Haus.Während ich zur Bushaltestelle laufe, lese ich den Brief.

„Ich bin heute schon früher zur Schule gefahren, da ich mich mit einem Kumpel treffe, aber wenn du willst, kann ich dich später nach Hause fahren. Und komm bitte in der Pause zu mir (an mein Auto) ich will dir jemand vorstellen, da ich weiß das du viel zu schüchtern bist neue Freunde zu finden. Bis später. -Jason."

Sein Stern in meiner FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt