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Hoch oben zwischen unsterblichem immer entzündetem Kerzenwachs und glattem, von Masern durchzogenem Marmor, saß sie. Angelehnt an die kunstvoll geschwungene Krone der hoch und weit ragenden Statue eines Königs, dessen Name nicht mehr wichtig war.
Vorbei an marmornen Locken, spähte sie hinab in die Tiefe. Weiche runde Ohren zuckten auf ihrem Kopf und das dunkle Haar rutschte über die makellose Haut ihrer Schultern. Eine schmale Kette schwang zwischen ihren langen Fingern, während sie sich weiter streckte und an den kalten Blättern der Krone hielt. Aufmerksam lauernd folgte ihr Blick der Gestalt, die so vorsichtig durch den Eingang ihres Lebens schlich. Seine Angst roch sie selbst auf ihrer Höhe. Es glitt ihr um die Nase und strich ihr über die Lippen. Süß und schmelzend zart. Ihre Zungenspitze fuhr hervor, kostete den Geschmack der feinen Furcht und klickte dann verspielt amüsiert gegen die spitzen felinen Schneidezähne.
Leise strich ein Schnurren durch ihre Kehle und der schmale Schwanz hinter ihr schwang passend zum vibrierenden Klang. Weite Flügel entfalteten sich auf ihrem Rücken, streckten sich und ließen die Kerzen flattern mit der Bewegung.
Barfuß bewegte sie sich bis an den Rand der massiven Stirn. Sah herab in die Tiefe zu den unbewegten Füßen des hochragenden Königs. Der Eindringling stand neben steinernen Zehen und hielt eine Klinge in der Hand. Weit über ihm lauerte die Wächterin, der er sich zu stellen hätte, sobald er das Siegel überschritt. Die Grenze vor ihm. So unscheinbar im Boden versteckt. Er drehte sich, richtete den Helm und ließ den Blick über hohe Wände, über dicht gereihte Säulen, das stumme, riesenhafte einander gegenüberstehende Königspaar und die Kerzenlichter streichen. Angespannt suchend nach den Warnungen und Geschichten, die ihn fast hätten, zögern oder gar umkehren lassen.
Dann tat er es. Der Krieger trat voran, überschritt die feingezeichnete Linie aus Glasmosaik am Boden. Im selben Moment sammelte sich Wind unter weiten Flügeln und ein Zischen schlug durch die Luft, als die Kreatur, nach der er Ausschau hielt, sich von dem Haupt des Königs schwang. Rauschend wie ein Sturm, wirbelnd wie Naturgewalten.
Unter ihr strich er voran. Tapfer hielt er das Schwert und tänzelte, den Kopf im Nacken, über den weiten Boden immer weiter in ihr Reich hinein. Nur ein Sprung zurück und er hätte sich noch retten können. Es war ihre Grenze, nicht seine.
Sie hörte sein angespanntes Keuchen, die schweren Schritte seiner weitertreibenden Gestalt, das Klacken seiner Rüstung. Drehend folgte sein Blick ihren Bewegungen. Von der Krone hin zur Schulter der Marmorkönigin auf der anderen Seite der Eingangshalle. Ein Sprung in die Tiefe zurück. Vergoldete Flügelspitzen, die entlang der Säulenreihen strichen und ihm mit dem Wind fast den Helm vom Haupt rissen.
Wilde, gefährliche Freude zappelte begeistert in ihrer Brust. Seine fliehenden Schritte klangen melodisch hallend von den Wänden wieder und als er entschied zu verharren und ein Schild von seiner Seite zu lösen, um ihr entgegenzustehen, klirrte ein zufriedenes Lachen durch ihre schlanke Kehle. Ihr Flug stürzte ihm entgegen. Federn schlangen sich um ihren Körper, ließen sie fallen, ehe sie sie erneut zu voller Größe spannte und den in Jahrhunderten herein gewehten Staub, durch die Kerzenlicht durchflutete Luft flimmern ließ.
Sanft tapsend setzte sie am Boden auf. Schwarzer Stoff schmiegte sich locker fallend an ihren Leib. Ihre Haut war in Wärme gefärbt und von einem Schimmerschatten aus Gold überzogen. Ganz wie die Spitzen ihrer Federn und ihre Augen, in denen ein Glänzen lag, als würde sie durch einen Schleier geschmolzener Schätze blicken.
Der feine Schwung ihrer Lippen öffnete sich. Spitze, kleine Reißzähne schenkten dem Menschen ein Lächeln tödlich verspielter Freundlichkeit. Dann klang ihre Stimme weich wie Honig in heiß brodelnder Milch.
„Willkommen, armer, tapferer Held. Wird dein Fleisch über Feuer duften, oder wirst du eines Tages wieder den Himmel mit eigenen Augen sehen?"
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ANCIENT - Das Flüstern alter Zeit
Short StoryAls ein Held geleitet von Worten ferner Götter durch das Tor eines Tempels voll Wissen und Geheimnissen tritt, spürt er schnell den Atem des wachsamen Monsters in seinem Nacken. Die Kreatur - geschaffen eine Bibliothek zu beschützen vor Händen und A...