IV

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Stille strich durch das Knistern der Kerzen, den Atem eines Helden und das Rascheln des Stoffes an der Sphinx. Aufregung kitzelte ihr Wesen und feine Härchen erhoben sich gespannt auf ihrer Haut.

„Was?", platzte es aus dem Menschen heraus. Panik stand in seinem Blick.

Die Wächterin schnaubte amüsiert. „Soll eine Gegenfrage deine Antwort sein?"

„Meine Antwort? Nein... Ich..." Er trat fort von der Säule und gab sich Mühe wieder etwas mehr Abstand zwischen sich und sein Verhängnis zu bringen.

Aufrecht tänzelnd glitt sie lautlos über den Boden, ihre Finger glitten als scharfe Krallen neben ihr durch die Luft. Schnitten durch das Kerzenlicht und verfingen sich im goldenen Glanz ihrer Armreifen.

„Haben deine Götter dir auch erzählt, was jetzt passiert?" Schwingend lief sie ihm nach. „Du hast drei Versuche. Drei! Und weißt du auch wie viel Zeit du hast?"

Irritiert sah er ihr entgegen. Sein Körper stand köstlich verlockend in panischer Angst. „Zeit?"

„Oh, du dachtest doch nicht, dass du bis zur Ewigkeit hier sitzen und in deinem kleinen Kopf nach Erkenntnis kratzen kannst. Es beginnt jetzt." Erneut glitt eine Veränderung durch ihren Leib. „Und du hast Zeit bis..."

Sie wuchs und lehnte sich vornüber, bis schwere Pranken bebend den Boden berührten und ihr Gesicht verzerrt mit breitem Grinsen auf ihre Beute sah. Nun wahrlich das Monster, das er aus grausigen Geschichten erkannte. Flügel schlugen schwer und kraftvoll auf dem breiten Rücken der Bestie. Ihre Gestalt duckte sich gespannt, dann beendete sie ihren Satz mit durchdringendem Dröhnen: „... dein Körper nicht mehr in der Lage ist zu antworten."

Mit einem Satz und der Kraft mächtiger Hinterläufe, schleuderte sie sich vom Boden ab nach Vorn. Hin auf den Helden, der in hektischem Schreck zur Seite sprang. Klappernd krachend stürzte er zu Boden, rollte sich ab und rettete sich knapp vor dem nächsten Hieb ihrer Klauen besetzten Pranken. Zwischen die Säulen, vorbei an den Statuen der Krieger und Gelehrten, die dem Königspaar am Eingang folgten. Immer tiefer hinein in das weite Verlies aus Gold und Marmor und schmuckvoll verteilten Edelsteinen.

Sie ließ ihn laufen, ließ ihn entkommen und sprang in vergnügtem, tödlichem Spiel hinter ihm her. Mal rannte sie in langen Sprüngen, um ihm hinter die Säulen und unter die hübschen Balkone folgen zu können. Dann flog sie wieder und stieß ihn mit dem Schlagen ihrer Flügel von den Beinen, so dass er über den glatten Boden rutschte und sich wieder beeilen musste ihren Angriffen zu entkommen.

Der Held war flink und geschickt und dann verschwand er tatsächlich als die Balkone niederer kamen, die Wände sich herabsenkten und sich neue erhoben, um dem Tempel weitere Form zu geben und der Beute Verstecke anzubieten. Schnuppernd hielt sie die zur Schnauze verzerrte Nase in die Höhe, doch sein Duft schien überall zu sein und sie fand ihn nicht sofort. Erst als sie forschend um eine der Säulen glitt bemerkte sie den Schwung des surrenden Schwertes und war es selbst, die auszuweichen hatte. Direkt darauf stürzte sie über ihn. Ihre Pranken drückten sich auf seine Brust.

„Wartet! Wartet!", keuchte er, während ihr Gewicht langsam schwerer gegen seine Rippen presste und die Knochen nach innen zu verbiegen drohte. „Ich habe eine Antwort!"

Sie hielt inne, ließ aber nicht ab von ihm.

„Sonnenlicht!", stieß er unter angestrengtem, abgedrücktem Atem hervor.

Die Sphinx schnaubte. „Das war eine. Du hast noch zwei." Sie sprang von ihm herunter und ließ ihn wieder auf die Beine kommen. „Versuch es nochmal."

Er beeilte sich rückwärts zu stolpern, das Schwert umgriff er fester, seine Miene wurde entschlossener, selbst wenn die Panik noch immer unverkennbar an ihm klebte.

„Und vergiss nicht", säuselte sie in grausamem Vergnügen: „Nicht nur du wirst leiden, wenn du mit den anderen beiden Antworten ebenfalls versagst. Verantwortung wiegt lästig schwer."

In seiner nächsten Panik entschied er sich nicht für die Flucht. Er blieb und trat ihr entgegen. Die engere Umgebung nahm ihr einen Teil des Vorteils ihrer großen, geflügelten Gestalt und ließ es ihm gelingen sich mit Schild und Schwert zu Verteidigen ohne schützend zwischen Säulen hechten zu müssen. Dennoch setzte sie ihm unnachgiebig nach und er war es der wich, während sie tänzelnd nach seinen Beinen schnappte.

Er stieß gegen Kerzen. Ließ sie zu Boden stürzen und den Schein fauchend nach dem Stoff seiner Kleidung schnappen. Das Licht loderte in die Höhe und spielte um das dunkle Fell des Monsters und die verschrammte Rüstung ihres weichenden Spiels. Der Anblick jedoch, ermutigte ihn zu seiner nächsten Antwort.

„Feuer! Nein, ich meine... Die Hitze des Feuers! Es ist die Hitze des Feuers!"

Die Sphinx schritt in die Flammen und ließ zu, dass sie züngelnd ihren Körper umschlangen wie einen Mantel aus Licht.

„Falsch", schnurrte sie. „Schon wieder. Sag mir Held, willst du denn versagen und sie alle enttäuschen?"

Schreiend vor Frust trat er auf sie zu, um nach ihr zu schlagen, wie sie es zuvor nur ihm angetan hatte. Feuer biss ihm in die Haut und ließ ihn wieder in den Schatten fliehen. Fort aus ihrem Blick, Fort aus dem Brennen. Sie konnte seinen Herzschlag hören. Das wilde Pochen, das sich über die Verzweiflung legte, die ihm durch die Adern glitt.

Er humpelte, er blutete, er litt.

Als sie ihm folgte, schälte sie sich aus der großen Form und kehrte zurück in jene, in der sie ihm ganz zu Beginn begegnet war. Es ließ ihn an eine Chance denken und von Neuem das Schwert gegen sie führen. Geschwind schlüpfte sie fort unter den Hieben. Frustrierte ihn diesmal nicht mit der Wucht ihrer Angriffe, sondern den fließenden Bewegungen, die seine Waffe nutzlose scheinen ließen.

Vor ein paar Jahrhunderten hatten andere Helden ihr Wunden in die erschaffene Haut geschlagen. Doch nun, war sie weiser, geschickter und geübter. So gelang es ihrem kleineren von übernatürlichen Kräften gestärkter Körper schließlich auch ihm das Schwert zu entwinden, und die Klinge aus seinen Fingern zu schleudern. Das ferne Klirren besiegelte seine Niederlage.

Der Held schwankte zurück, taumelte von neuem gegen eine der Säulen und blieb stehen. Das Monster folgte ihm und legte ihre scharfen Klauenfinger über seine Schultern.

„Eine Antwort hast du noch", raunte sie. „Es wäre eine Schande, es nicht wenigstens zu versuchen."

Sie streckte sich, bis ihr Atem seitlich gegen seinen Nacken blies und sie die Wärme seiner Haut fast bereits auf ihren Lippen zu schmecken meinte.

Seine Stimme blieb stumm, seine Augen in hilfloser Ahnungslosigkeit in die Höhe gerichtet. Schwer senkten sich seine Lieder und sie lauschte von Nahem dem Beben in seiner Brust. Der Angst, der Wut, der Verzweiflung des Versagens.

Dann ganz plötzlich war da ein Satz. Ein Hüpfen in seinem Herzen. Als sie heraufsah und unter dem Visier vorbei in seine Miene blickte, erkannte sie ganz unerwartet bedauernd... Hoffnung.

„Es ist ein Traum", keuchte er. „Die Antwort ist: Ein Traum!"

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ANCIENT - Das Flüstern alter ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt