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Das Gesicht unter dem Helm war weiß wie das Wachs, dass die Flammen um sie herum nährte. Er presste die Lippen aufeinander und beobachtete die geflügelte Kreatur mit nervösem Blick.
„Ist das... Ist das das Rätsel?", keuchte er und ließ die eigene Zunge über sein Worte stolpern.
Ein junger Mann. Unerfahren im Umgang mit Monstern, die drohten seinen Leib zu verzehren. Doch durchdrungen von Entschlossenheit und gestählt von den Muskeln eines Kriegers, der zumindest schon das monströse unter den Menschen hatte, kennen lernen dürfen. Wenn er es nicht sogar selbst in sich trug.
Die Sphinx klickte gegen ihre spitzen Zähne und tänzelte kreisend um ihre frische Beute herum. Sie schnitt ihm den Weg zurück über das schmale Siegel ab. Ein Lachen schnurrte durch die Luft und vibrierte gegen seinen angespannten Atem.
„Du bist mit Erwartungen gekommen, Held", flüsterte sie so laut, dass es zwischen den Säulen weiter summte.
„Es wurde mir so gesagt." Diesmal war die Stimme fester mit der er sprach, doch sie hörte das Zögern in seinem Klang und sie roch noch immer die süße Nervosität, die ihn einhüllte wie ein blumiges Parfüm. „Die Wächterin muss mich prüfen mit einem Rätsel. Wenn ich es bestehe, muss sie mir jedes Wissen aus der Bibliothek geben, die sie beschützt, nach dem ich verlange", wiederholte er und Spannung zog sich durch die breiten Schultern. Vielleicht rann das Blut eines Gottes in seinen Adern, vielleicht sprudelte aber auch einfach so Mut in seinem wilden Herzen.
Die Wächterin säuselte unberührt. „Und wurde dir auch gesagt, was geschehen würde, solltest du mein Rätsel nicht bestehen?" Sie bewegte sich auf ihn zu, ließ ihn zurückweichen und tiefer dem hinteren Ende der Halle entgegen gehen.
Verbissen bleckte er die Zähne unter seinem Visier.
„Stellt es!", forderte er grob und ungeduldig.
Unzufrieden verengte die Sphinx die Augen. Wieder bewegte sie sich auf ihn zu. Schneller diesmal. So, dass er leise, knirschend fluchte und vor ihr weichend abrupt gegen eine der Säulen stieß.
„Aber ich will nicht", raunte sie und leckte sich in genüsslicher Zufriedenheit über die Lippen, als sie den Stress in seinen Augen und den Zorn im Zittern seiner Hände sah. Sein Schwert blieb erhoben und sein Schild fest gehalten. Doch er griff nicht an, selbst wenn sie in der Luft schmeckte, dass er es wollte.
Viel war ihm gesagt worden. Dass sie ihm ein Rätsel stellen würde und dass sie es nicht müsste, wenn er zuvor die Klinge nach ihr schwang. All die Regeln, all die Grenzen. Manchmal stachen sie ihr unter die Haut. Bohrten sich um ihre Kehle und zwangen ihre Knie auf den Grund.
Sie hob die Hand und stemmte sie neben seinem Kopf gegen die Säule hinter ihm. Gestein knirschte unter ihren Fingern neben seinem Ohr. Der zierliche, schlanke Körper der Wächterin blickte eben noch auf in sein Gesicht, dann wuchs sie und starrte ihm gefährlich funkelnd in die Augen. Hinter ihr bewegten sich die starken Flügel. Licht verfing sich in dem Gold ihres geschmückten Wesens und flimmerte wie tanzende Flammen in ihrem Schatten.
„Was wenn sie dich belogen haben?", schnurrte sie. Mit der anderen Hand strich sie seitlich seinen Helm entlang. Zarte Fingerkuppen formten sich zu dunklen Klauen und kratzten kitzelnd über das Metall. „Was wenn sie dich sandten, um mir die Langeweile zu vertreiben?"
Sein Atem drang schwer von seinen Lippen und sein Kiefer mahlte grimmig mit den Zähnen.
„Ihr wollt mich reizen", knurrte er im Kampf seiner schwankenden Selbstbeherrschung. „Aber es wird euch nicht gelingen, nicht nach allem das ich hinter mir habe, um hier her kommen zu können. Nicht bei dem, das auf dem Spiel steht."
Sie lachte gurrend, strahlte ihm mit Zähnen entgegen, die ihm die Haut von der Kehle hätten reisen können und sank zurück auf die Größe scheinbarer Harmlosigkeit. Ihre dunklen, der Gestalt einer Löwin entstammenden Ohren bewegten sich und der ebenso feline Schwanz strich über die Schienen vor seinem Bein und die Haut an seinem Knie.
„Dein Leben?", raunte sie in einem Klang, als hielte sie es bereits in ihren Händen und bedachte es mit bedeutungsloser Abschätzigkeit.
„Alle Leben meiner Heimat!", antwortete er in gereizter Entschlossenheit. Dann schloss er die Augen, entglitt ihrem goldenen Blick und floh nicht mehr mit Schritten, sondern mit Gedanken. „Ein Kriegsherr ist gekommen und hat all meine Leute mit einem dunklen Zauber unter seine Macht gezwungen. Ich brauche dieses Wissen, um seinen Bann zu brechen und seine Herrschaft zu beenden!"
Ihr Körper sank noch weiter, bis sie die Hände auf den Boden setzte und ihre Finger zu großen Pranken geworden waren. Geschmeidig bewegte sie sich um die Säule und ihn herum.
„Wie rührend", sprach sie spottend hinter ihm.
Als er die Augen wieder öffnete, glitt eine Löwin neben seinem Bein hervor. Er zischte erschrocken. Dann biss er sich auf die Zunge, während sein Blick gebannt auf der erneuten Verwandlung lag, mit der sie sich wieder näher in das Bild eines Menschen rückte und die Schwingen ihres Adler Erben aus ihrem Rücken wachsen ließ. Die kleine Wunde in seinem Mund, legte den Geschmack von Blut in die Luft und ließ die Wächterin gierig die Augen verengen. „Also willst du dich einem Monster stellen, um ein Monster zu besiegen."
„Einen Menschen, kein Monster."
„So groß ist der Unterschied manchmal nicht."
Seine Knöchel wurden weiß, als er den Griff seines Schwertes fester umklammerte.
„Die Götter selbst waren es die mir auf meine Gebete im Traum antworteten und Hilfe gaben diesen Ort... Euch... zu finden."
Schnaubend rollte die Sphinx mit den Augen ihr Schwanz zuckte wild und das Samt ihrer Stimme wurde zu beißendem Fauchen.
„Wer sagt, dass sie deinem Feind nicht vor dir bereits die Gebete beantworteten und die Macht so in seine Hände gaben? Die Götter tun wonach es die Götter verlangt. Sie waren es, die mich erschufen und Ketten in die Rezeptur meines Wesens legten, noch ehe sie mir überhaupt den Atem schenkten."
Verwirrt sah der Mensch ihr entgegen. Treu in naiver Tapferkeit.
„Ist das das Rätsel?"
„Nein", knurrte die Wächterin. „Aber lass mich dir dein Rätsel geben. Sehen wir, wie du dein Schicksal und das deiner Heimat besiegeln wirst." Ihr lauernder, goldener Blick heftete sich auf seine Gestalt, während sie ihn weiter schreitend umrundete. Sie atmete seine Angst und wartete hungrig auf sein Versagen.
„Im Dunkeln bin ich stark, im Licht schwinde ich.
Du wirst mich sehen, fühlen, ersehenen und fürchten aber nie berühren können.
Ich bin da, aber real bin ich nicht.
Wer bin ich."
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ANCIENT - Das Flüstern alter Zeit
KurzgeschichtenAls ein Held geleitet von Worten ferner Götter durch das Tor eines Tempels voll Wissen und Geheimnissen tritt, spürt er schnell den Atem des wachsamen Monsters in seinem Nacken. Die Kreatur - geschaffen eine Bibliothek zu beschützen vor Händen und A...