Brief Nr. 2

39 4 1
                                    

Dienstag 24.03.2015


Hallo Lasse,

wenn es mich stören würde, dass du einen weiteren Brief geschrieben hast, hieltest du womöglich jetzt keine Antwort in den Händen. Ich muss sagen, dass deine Briefe ein wenig Abwechslung in meinen Alltag bringen und irgendwie finde ich die ganze Sache sehr spannend, aber auch befreiend, da ich dich nicht kenne und wahrscheinlich auch nie im Leben treffen werde. Ich kann einfach schreiben, was mir in den Sinn kommt, ohne dass ich Angst haben muss, dass du mich bloßstellst oder ähnliches.

Dass dir jemand eine falsche Hausnummer gegeben hat kann viele Gründe haben. Vielleicht wollte der andere dich einfach nicht verletzen und hat dir einfach eine nicht existente Adresse aufgeschrieben? Ich weiß es jedenfalls nicht und grübeln bringt hier nichts, gar nichts.

"Alles hat einen Grund..." WIRKLICH? Dein Ernst?! Irgendwie hätte ich dir mehr Intelligenz zugetraut! Alles ist ein Zufall, ein großer Zufall! Dass diese Welt, dieses Universum entstanden ist, dass ist alles ein großer Zufall oder eher gesagt ein Unfall, wenn man an die zerstörerische Macht des Menschen denkt!

Schön, dass ihr einem tödlichen Unfall entkommen seid und dass deine Oma den richtigen Instinkt hatte. Göttliche Fügung würde ich das allerdings nicht nennen. Andererseits...

Du kannst dich echt glücklich schätzen, dass du auf dies - ob es Gott wirklich gibt oder nicht, sei dahin gestellt - vertrauen kannst. Ich vertraue für gewöhnlich niemanden, einzig und allein auf mich, denn auf mich kann ich immer zählen. Andere Menschen sind so oft eine große Enttäuschung und ich wurde schon so oft enttäuscht, so oft hat mich jemand verletzt, sitzen gelassen, allein gelassen. In meinem Kokon aus Einsamkeit geht es mir gut, besser als je zuvor... Vertraust du mir denn?

Ich gratuliere! Berlin ist eine wundervolle Stadt, mit der Abschlussklasse waren wir in Berlin und mich fasziniert die Stadt, die vielen Lichter bei Nacht und die vielen Parks, die zum Träumen einladen. Außerdem gab es da so einen wunderschönen, gemütlichen Buchladen.

Wirst du dann einmal Pfarrer oder doch lieber Psychologe?

Nein ich studiere nicht und ich werde dies auch in näherer Zukunft nicht tun. Ich arbeite in einem Buchladen, denn ich kann meine Mutter nicht alleine lassen. Ich könnte mir nie verzeihen, dass sie sich in meiner Abwesenheit etwas antut. Die Sachte mit Laura hat sie zu sehr mitgenommen, dabei war sie schon seit der Trennung von Papa recht instabil.

Ich habe nur Mittlere Reife, ob ich mal mein Abitur nachmache, steht in der Sternen. Alles hängt von meiner Mutter ab. Sie lässt sich nicht helfen und nimmt ihre Psychotabletten nicht regelmäßig. Alles steht und fällt mit ihrem Zustand, auch meine Zukunft.

Wie alt bist du eigentlich Lasse?

Erzähl mir mehr von dir und deinem Leben, ich höre dir gerne zu...


Marie.

Letters to himWo Geschichten leben. Entdecke jetzt