Letters to him

Brief Nr. 3

Mittwoch, 01.04.15

Lieber Lasse,

mir tut das alles unglaublich leid. Ich wollte dich sicher nicht verletzen! Um ehrlich zu sein, weiß ich gerade gar nicht, was ich dir alles an den Kopf geworfen habe. Wahrscheinlich habe ich nur so ruppig reagiert, weil ich gestresst war.

Dass Gott uns gut geschaffen hat, wir Menschen aber schlecht wurden, klingt für mich völlig plausibel. Aber ich bin vollkommen überzeugt, dass wir Menschen alle schlecht sind. Ja auch ich! Wir lügen, betrügen und verletzen einander.

Ich hätte für meine Schwester da sein müssen, ihr die Lieben geben sollen, die meine Mutter nicht fähig war zu geben. Ich hätte realisieren müssen, dass Laura an einen verdammtes Arschloch - pardon für dieses Wort - geraten ist und früher eingreifen sollen! Ich hätte Mama nicht die Schuld an der Trennung geben sollen. Ihr ging es doch so schon schlecht genug! Ich habe in so vielen Prüfungen gespickt, ich könnte dir gar nicht aufzählen in wie vielen. Du hast bestimmt auch gemogelt, oder? Warum behauptest du also, dass nicht alle Menschen schlecht sind?

Ja, es stimmt, ich vertraue niemandem. Aber eine Gegenfrage: Wem vertraust du blind? Ist Vertrauen nicht nur ein Modewort, denn man hegt doch immer insgeheim Zweifel. Ist das nicht so? Das ist doch die blanke Wahrheit!!!

Ich möchte gerne weiter mit dir schreiben, Lasse, es tut so gut. Aber eine Sache darfst du niemals - unter keinen Umständen - von mir erwarten: Dass ich dir vertraue! Nicht weil ich dich nicht sympathisch finde, sondern weil ich diese Eigenschaft verlernt habe. Es ist unmöglich für mich...

Es freut mich für dich, dass du trotz der ganzen Umzieherei Freunde hast.

Deine Kindheit hört sich echt toll an, aber ich glaube, auch wenn dein Vater diesen Job nicht bekommen hätte, hättet ihr euch sehr verändert. Mit der Zeit verändern wir uns alle, und ob die Beziehung zu deinen Freunden so wunderschön geblieben wäre, ist eine Frage, die wir nicht beantworten können. Doch ich kann aus Erfahrung sagen, dass man sich spätestens in der Pubertät voneinander entfernt, viel wahrscheinlicher jedoch ist, dass man nach dem Schulwechsel schon nichts mehr miteinander zu tun hat...

Ist deine Grundschulfreundin etwa auch so pessimistisch oder worin ähnelt sie mir?

Wow, du bist also schon 19 und dein eigener Herr. Ich habe noch ein paar Monate vor mir, dann werde ich endlich 18. Aber auch wenn dieses Erwachsenwerden doch viele Freiheiten mit sich bringt, werde ich wahrscheinlich keine davon wahrnehmen können. Ich bin einfach zu sehr besorgt um meine Mutter. Völlige Einsamkeit tut ihr nicht gut... Ich sollte mal eine Anzeige für sie in die Zeitung setzten, vielleicht meldet sich ja ein netter Mann.

Am Wochenende ist ja Ostern. Wie feierst du dieses Fest? Hast du eigentlich gefastet und warum?

Marie.