Kapitel 6

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Und das ist ein großes Problem. Ich weiß nicht einmal, was denn jetzt genau meine Sexualität ist! Ich kann doch nicht bi sein, ich stand doch nur auf Jungs bis jetzt. 

"Jetzt bin ich gespannt! Komm, erzähl mir mehr!", fordert Yuna mich auf. Ich soll ihr also jetzt etwas über sie selbst erzählen? Oh Gott, das geht nicht gut aus!

"Kann man überhaupt bi sein, wenn man nur Jungs mochte, aber dann einmal ein Mädchen?", frage ich, statt Yuna mehr zu erzählen. 

"Klar. Man kann ja zum Beispiel eine Präferenz haben. Aber man kann genauso sein Leben lang nur Jungs mögen, aber sich trotzdem auch zu Mädchen hingezogen fühlen. Oder du bist hetero-flexibel. Das gibt es ja auch."

"Hetero-Flexibel?", frage ich verwirrt. Davon habe ich noch nie gehört. 

"Ja. Man steht nur auf das andere Geschlecht, aber würde auch eine homosexuelle Beziehung eingehen. Meistens ist das mehr so zum Ausprobieren, aber es ist eine echte Sexualität.", erklärt sie. Das könnte natürlich sein. Aber wenn man wirklich bi sein kann, wenn man viel mehr auf ein Geschlecht, als auf ein anderes stand, dann kann das auch stimmen. Vielleicht bin ich wirklich bisexuell. Ich schätze, ich muss das erstmal herausfinden. Ich weiß schließlich nicht einmal, ob sich ein Kuss mit einem Mädchen zum Beispiel genauso anfühlen würde wie einer mit einem Jungen. Ich bin absolut neu in dieser ganzen Welt. Vielleicht bilde ich mir das ja auch viel mehr ein, dass ich Yuna mag. Aber andererseits... Da ist dieses Gefühl in meinem Bauch, das einfach nicht lügen kann. Es ist wie bei Ethan, aber irgendwie noch intensiver. Ich kann es selbst nicht beschreiben. Aber es fühlt sich gut an. Richtig gut. 

"Hm. Ich muss das wohl erstmal herausfinden.", sage ich. 

"Ja. Das ist nicht so einfach. Und man findet das auch nicht von jetzt auf gleich heraus.", erwidert Yuna. "Aber jetzt komm, erzähl mir mal was über sie."

"Äh, nee." Ich spüre, wie sich ein breites Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet. Ich kann es einfach nicht zurückhalten. 

Yuna schmollt kurz und lässt ihren Kopf dann auf meine Schulter fallen. Als sie ihren Arm um mich legt, breitet sich wieder dieses Kribbeln in meinem ganzen Körper aus. Das ist nicht nur Freundschaft. Das kann nicht sein. Es muss mehr sein. Auch wenn ich selbst noch nicht weiß, was. 

Ich traue mich, meine Hand auf Yunas Oberschenkel zu legen. Sie legt ihre Hand sofort darauf. Eine angenehme Wärme breitet sich auf meinem Handrücken aus. Da sind wieder diese Schmetterlinge. Die Schmetterlinge, die ich nur all zu gut kenne. Sie begleiten mich schon immer. Bei meiner ersten Kindergartenliebe, dem ersten richtigen Verliebtsein in der siebten und achten Klasse und meinen ersten Beziehungen in der neunten, zehnten und jetzt. Ich dachte, sie würden nur bei Jungs kommen, aber das tun sie anscheinend nicht. Auch eine Mädchenhand kann sich anfühlen wie Küsse von tausenden Schmetterlingen. Ich würde mich gerne auf alles einlassen. Mit Yuna zusammenkommen und mit ihr die schönste Zeit meines Lebens zu verbringen. Aber davor habe ich zu viel Angst. 

Ich wurde zu oft enttäuscht, um jetzt wieder eine Beziehung einzugehen. Ich würde gerne glauben, dass Yuna anders ist und das tue ich auch irgendwie, aber trotzdem traue ich mich einfach nicht. Ich will nicht wieder verletzt werden, wie ich es schon so oft wurde. Ich kann das alles nicht noch einmal durchmachen. Ich kann und will dieses Risiko nicht eingehen. Aber Liebe ohne Risiko gibt es nicht. Ich werde mich wohl oder übel entscheiden müssen. 

Oh Gott, ich drehe echt komplett durch. Ich weiß, dass Yuna zwar bi ist, aber das heißt doch noch lange nicht, dass sie deswegen auch auf mich steht. Vielleicht steht sie ja längst auf irgendwen anderes oder einfach auf niemanden. Heterosexuelle Mädchen stehen schließlich auch nicht auf jeden Jungen oder andersrum. Ich flippe hier aus! Hilfe! Aber vielleicht hilft ja die Reise, mir Auskunft über meine Gefühle und Yuna zu geben. 

Ich sollte mir nicht so viele Sorgen machen. Jetzt genieße ich einfach diesen Moment. Wie Yunas Arme sich sanft um meinen Körper legen. Wie ihr Kopf auf meiner Schulter aufliegt und ihre Haare leicht meinen Hals kitzeln. Und vor allem, wie die vielen Schmetterlinge meine Hände küssen und sich Yunas Wärme darauf ausbreitet. Ich kenne dieses Gefühl von Ethan, aber jetzt ist es doch irgendwie anders. Ich kann es selbst nicht beschreiben. Aber es fühlt sich toll an. Unglaublich toll. Perfekt. 


Anmerkung von dem*der Autor*in: 

Ich denke, alle queeren Personen hier wissen, wie schwer es ist, sich seine Sexualität/Identität einzugestehen. Marie steht noch ziemlich weit am Anfang dieses Weges. Was denkt ihr, wie geht es zwischen ihr und Yuna weiter? Und wie sieht es mit ihrer sexuellen Orientierung aus? Ist sie heterosexuell, wie sie immer dachte, oder doch auch bi?

Schreibt mir gerne einen Kommentar und lasst einen Like da. 

Butterflies - The Same Game Again  (DEUTSCH)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt