~ Und ich springe. ~
Schwärze.
Stille.
Aber kein Schmerz.
Dann ein elektronisches Piepen.
Stimmen, die immer lauter werden.
Eine Person, die mir hektisch Blut abnimmt.
Das Piepen wird lauter, höher, unangenehmer und ich öffne langsam die Augen, blinzle, da dass weiße Licht einer Krankenhaus Lampe mir in den Augen sticht.
Dann schiebt sich eine Silhouette vor das grelle Licht.
,,Miss Parker? Hören sie mich?"
Ich versuche, zu nicken und ein starker Schmerz durchströmt mich. Er durchzieht jedes meiner Körperteile und ich schließe die Augen um ihn glücklich in mir aufzunehmen.
Der Schmerz ist der einzige Freund, der mich niemals verlassen wird.
,,Herzfrequenz normalisiert sich wieder. Blutdruck ebenfalls. Sie ist stabil", sagt eine junge Frauenstimme im Hintergrund.
Der Arzt vor meinen Augen stellt noch ein paar Fragen an die Schwester, doch ich höre kaum zu.
Versuche, mich zu erinnern.Und auf einmal ist alles wieder da.
Die Liebe, der Hass, der Verrat, die Tränen und mein Blut.
Mein Blut, das scharlachrot an meinem Arm herunterläuft. Tränen, die in die Wunden auf meinem Unterarm fließen.
Und erstickte Schreie der Trauer, der Wut und des Schmerzes.***
Ich stehe im Flur meines Appartements.
Die Tropfen, die vom Saum meines Mantel auf den grauen Beton fallen, hallen beim Aufprall laut durch den leeren Raum, während sich meine Stimmung noch weiter verschlechtert.
Ich wische mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht und blicke mich finster in der Einzimmerwohnung um, die sich seit circa zwei Monaten mein Heim nennt.Und es hat sich nichts verändert.
Noch immer die selbe, unbequeme Couch.
Noch immer die graue Küchennische mit dem Fenster zur Baustelle.
Noch immer die flackernde Beleuchtung, die alles in ein noch tieferes Grau taucht.
Und noch immer das Mädchen, dass Suizid begehen will.Noch immer.
Mein Mantel rutscht von meinen Schultern auf den kalten Boden und ich trete in mein Wohn-/Schlaf- und Esszimmer.
Im Gehen kicke ich meine Schuhe in den Raum und lege mich auf die Couch.Einmal gerettet.
Einmal überlebt.
Einmal versagt.
Die Worte fliegen in Dauerschleife durch meinen Kopf, bis ich es nicht mehr aushalte.
Ich schreie frustriert auf und greife nach einem Glas mit abgestandenem Wasser, um es wütend gegen die Wand zu schleudern.
Es zerschellt und ein Moment der Ruhe überzieht mich.
Doch dann wandelt sich diese in Wut.Das hätte ich sein müssen!
ICH hätte an den Pfeilern der Brücke zerkleinert werden sollen!
ICH hätte an abgestandenem Flusswasser ertrinken sollen!
ICH hätte sterben sollen!Stattdessen haben sie mich "gerettet".
Hätten sie mich retten wollen, hätten sie mir ein weiteres Messer in die Brust rammen sollen.
Eines, dass den Schmerz erstickt, der durch die Messer und Hiebe verursacht wurde, die mein Herz zum Bluten gebracht haben.
Eines, dass mich auch ohne meine Beihilfe getötet hätte.Stattdessen haben sie mich wiederbelebt, meine Wunden versorgt, die ich mir selbst eingeritzt habe.
Hätten sie ihre Kraft und Energie für Patienten genutzt, die es verdienen, zu leben, wäre die Frau auf der Nebenstation vielleicht noch am Leben.
Hätten sie ihre Sorge und ihr Wissen in die Pflege der Frau gelegt, würde sie nun sicher lachend mit ihren Kindern spielen.Stattdessen lebe ich.
Ich habe keinen Lebenswillen, kein Lächeln und auch keine Liebe mehr.
Ich bin allein.
Und so hätte ich auch sterben sollen.
Ich schließe meine Augen und versuche, irgendeine gute Sache zu finden, die die momentane Situation mit sich bringt.
So hat es mir auch meine Psychologin geraten.
In Augenblicken, die für mich düster und schrecklich erscheinen, soll ich mich an irgendeine beschissene Hoffnung klammern.
An irgendeine positive Sache, die sich in mein Leben geschlichen hat.Im Endeffekt stehe ich zehn Minuten regungslos mitten im Raum und denke darüber nach, ob der Aspekt, dass sie mich wieder freigelassen haben und ich somit noch einmal Suizid begehen kann, in den Augen meiner Psychologin positiv erscheint.
Ich entscheide mich für nein.
Ich werde es trotzdem tun.
Ich starre einige Zeit ins Leere, gehe meinen Gedanken nach und überlege, was ich nun tun werde.
Immer wieder huscht mein Blick zu dem Glas, welches noch immer in Scherben und einer Lache aus Wasser am Boden liegt.Die Ecken des Glases glitzern verführerisch und ich schaffe es nicht, mich länger als eine Minute ihrem Bann zu entziehen.
Dann stehe ich auf, eile zu dem Scherbenhaufen und ziehe mir einen der scharfen, kantigen Splitter heraus.Ich denke nicht lang nach, die einzigen Wünsche die ich noch habe sind Blut, Schmerz und Kontrolle.
Also hebe ich die Klinge und ziehe sie einmal über meinen Unterarm.Einmal, zweimal, dreimal, viermal.
Ich höre nicht auf, bevor der Boden von Blut bedeckt ist und erst dann beginne ich wieder, meine Umgebung wahrzunehmen.
In diesem Moment hörte ich auch, wie ein Schlüssel sich im Schloss drehte.
Ich erstarrte. Nein! Bitte nicht!Seit ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde darf ich zwar wieder allein in meiner neuen Wohnung leben, jedoch kommt jeden Tag ein Pfleger her, um zu überprüfen ob alles okay ist.
Und in diesem Moment ist mein Hass auf mich selbst noch größer als je zuvor.Eigentlich müsste ich jetzt in mein Badezimmer rennen, die Tür hinter mir abschließen, damit ich an meinen eigenen Wunden verblute.
Aber ich weiß, dass es keinen Zweck hat, also setze ich mich etwas aufrechter hin und richte meinen Blick provozierend Richtung Tür, durch die genau in dem Moment ein Pfleger hereinkommt.Mir ist bewusst, was er tun wird. Ich weiß, dass er Bescheid sagen wird. Und doch läuft mir exakt eine Träne über die Wange, die ich mit meinem blutverschmierten Ärmel aus meinem Gesicht wische.
Das war der letzte Weg den ich hatte, doch ich habe es natürlich mal wieder verbockt!
Wir lieferten uns ein Blick-Duell und ich habe immer mehr das Bedürfnis einige Scherben vom Boden zu nehmen und sie in sein Gesicht zu werfen. Sein Blick wechselt zwischen Abscheu und Mitleid gegenüber mir hin und her.
Eine Weile sieht er mich einfach nur stumm an, zieht dann sein Telefon aus der Tasche und wählt eine Nummer: 111
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Heartbeat
General Fiction++++++ Standest du schon mal auf einer Brücke und hast dich gefragt, was passieren würde, wenn du springst? Nun, ich auch nicht. Bis zum heutigen Tag...... ++++++ Die Geschichte eines Mädchens mit Selbstmordgedanken.