"Vielleicht ist es gar kein Gift", sprach jemand mit tiefer Stimme, als Jeongin erwachte ohne die Augen öffnen zu können. Chan vielleicht?
Zu den Göttern, alles tut weh.
"Vielleicht ist es Magie?"
"Habt ihr gesehen, wie er den Seelenfresser mit seiner Magie hat Platzen lassen?", hörte er jemanden sagen.
Ihr? Also waren noch andere hier? Wo auch immer dieses Hier war.
"Jetzt nicht."
Changbin knurrte regelrecht.
"Er hat das Leben des Mädchens gerettet und vieler anderer, weil er sich sofort in den Kampf begeben hat. Ohne zu Zögern. Wir müssen ihn in ein verdammtes Krankenhaus bringen!"
Ja, ein Krankenhaus. Das brauchte er jetzt. Aber Jeongin brachte keinen Ton heraus, seine Lippen bewegten sich nicht. Es herrschte ewige Nacht in seinem Kopf, auch wenn sein Körper in Flammen stand. Der süße unendliche Schlaf winkte bereits am Rande seines Bewusstseins und versprach ihm flüsternd Ruhe und Frieden, sobald er zustimmte loszulassen.
"Felix! Kannst du nicht schneller fahren?", flehte Hyunjin, während seine Arme Jeongin fester an seine Brust drückten. Danach spürte er eine sachte Berührung an seiner Wange. Darin steckte so viel Zärtlichkeit und Angst. Hyunjin hatte Angst um ihn.
Eine neue Feuerwelle überrollte ihn, versengte jeden Nerv, aber er konnte nichts weiter tun, als dazuliegen und es hinzunehmen.
Macht, dass es aufhört. Ihr Götter, lasst es enden.
Sie befanden sich in einem Auto, das hatte er, auch ohne Hyunjins Flehen an Felix, verstanden. Denn jede Unebenheit, jedes Schlagloch und jede Straßenerhebung schlug durch seinen Körper wie ein Blitz, welcher einen Baum spaltete.
"Die Frage, die sich mir stellt, ist: Wie kommen die Seelenfresser erstens an die Oberfläche, Ukufu lässt sie nie ohne Verdacht auf Verletzung der Regeln der Unterwelt raus und zweitens direkt zu der Zeremonie der Drachen? Das sind zu viele Zufälle für meinen Geschmack", hörte Jeongin Seungmin in die Runde sagen.
Leises Gemurmel zog durch den Wagen.
Sie mussten sich in M.I.A befinden. Die Abkürzung stand für Mobil im Auftrag.
Schlaf. Das war es, was er wollte.
Kühlen, glückseligen, leeren Schlaf.
"Der Tod. Sie kann als einziges diese Dinger befehligen neben dem Gott der Unterwelt natürlich. Sie war da! Sie hat es wahrscheinlich immer noch auf Felix abgesehen", brauste Changbin. Sein schwerer Atem an Jeongins linken Ohr, ließ ihn Wimmern.
"Innie? Kannst du mich hören?", flüsterte Hyunjin und seine Stimme streifte ihn wie ein kühles Taschentuch. Es war ein Segen. Er war ein Segen.
"Und die Zeremonie war der perfekte Ort, um zuzuschlagen. Nur blöd, dass Jeongin die meisten dieser Viecher im Alleingang erledigt hat und ihr somit den Weg zu Felix verweigerte", konkludierte Jisung. Dann folgte ein schmatzendes Geräusch, wodurch Jeongin automatisch wusste, dass er gerade Blut trank. Manche Sachen gingen einem in Fleisch und Blut über, sobald man lange genug zusammenarbeitete.
Ein scharfer Schmerz jagte durch ihn hindurch, was zu viel war und ihn in ein schwarzes Nichts hinabgleiten ließ.Es vergingen Stunden, bis Jeongin wieder erwachte. Vielleicht Sekunden.
Vielleicht Tage. Vielleicht war es für immer und er wurde vom Gott der Unterwelt für seinen Leichtsinn zu einer Ewigkeit voller Qualen verurteilt. Vielleicht war es besser, wenn er starb. Aber dann könnte er die Zeit, die er mit Hyunjin noch gehabt hätte, nicht verbringen. Auch wenn er nicht wusste, was im Moment zwischen ihnen stand. Sie hatten einander ihre Liebe gestanden, waren auf Dates gegangen, hatten Sex, aber darüber hinaus war es nie weitergegangen. Jeongin hatte seinen Eltern bisher nichts erzählt. Und auch Hyunjin schien sich nicht sicher zu sein. Jedenfalls kannte er weder seine Eltern noch seine Schwester persönlich. Konnte man ihre Beziehung Beziehung nennen? Oder war es nur eine Art Verknalltsein, welche in der kommenden Zeit im Sand verlaufen würde?
Jeongin wusste es nicht.
Er wusste vieles nicht.
Nur das er keine weitere Sekunde in diesem lichterloh brennenden Scheiterhaufen von Körper existieren wollte. Luft. Es gab nicht genug Luft. Seine Lunge kämpfte darum einzuatmen.
"Du bist wach!"
Bevor seine Augen einen Fokus fanden, drehte sich sein Kopf von selbst in die Richtung der Stimme. Hyunjin taumelte von einem Sessel zwei Schritte von ihm entfernt ans Bett.
Er befand sich in einem Bett.
Die Erkenntnis sickerte zäh zu ihm hindurch. Krankenhaus. Sie hatten ihn in ein Krankenhaus gebracht. Rechtzeitig wohlgemerkt, denn ansonsten würde er jetzt nicht bei Bewusstsein sein.
Hyunjin starrte ihn an, als wäre er von einem anderen Stern.
"Was ist? Sehe ich so malträtiert aus?"
Die Sirene schüttelte den Kopf.
"Nein, wunderschön. Und ich bin einfach nur froh, dass du lebst."
Jeongin stieg Hitze in die Wangen, als er sich zum Sitzen hochstemmte.
"Ich dachte, ich würde dich verlieren."
Das Geständnis kam dem Älteren halb erstickt über die Lippen. Noch bevor Jeongin reagieren konnte, beugte sich Hyunjin vor und hauchte ihm einen Kuss auf Stirn. Eine Sekunde wurde Jeongin panisch, weil er dachte, seine Eltern würde jeden Moment in den Raum platzen. Sie waren zwar Anwälte, aber von Privatsphäre, von seiner Privatsphäre, hielten sie wenig.
"Keine Sorge, sie sind nicht hier. Changbin hat sie nach Hause geschickt."
Erleichterung durchflutete ihn. Sie waren nicht hier.
Er war allein mit Hyunjin.
"Du wirst mich nicht verlieren", sagte er und schaute seinen Gegenüber verwundert an.
"Glaub mir, die letzten drei Tage zeigten mir etwas anderes."
Der Blonde setzte sich auf die Bettkante und strich ihm durch das Haar.
Drei Tage?
Er war drei Tage weg gewesen?
Erst jetzt viel ihm auf, wie müde und ausgezerrt Hyunjin aussah. Die Lippen blass und rissig, das sonst so strahlende Blond seines Haares stumpf und matt. Es schien so, als wäre alles Leben aus seinem Körper herausgewaschen und nur noch der Schatten seiner Seele unter der Haut übrig.
Unweigerlich fragte er sich, wie er aussah.
Und dann bemerkte er es. Hyunjins Augen begannen zu flackern.
Er grinste breit.
Da war eine Schwere, eine Last an seinem Rücken, die er nicht kannte. Sein Herz begann in seiner Brust Kunststücke zu vollführen. Das erklärte die Schmerzen, die er noch immer verspürte. Das war nicht das Gift, welches durch seine Adern pulsierte.
Das waren seine Flügel.
Seine gigantischen Flügel, die das komplette Bett einnahmen und einen Schatten bildeten.
Er hatte die Prüfung bestanden.
"Ich sage dir, jedes Mal, wenn sie wuchsen, hatten die Schwestern Angst, das Bett würde nicht reichen. Alle paar Stunden kam jemand um den Boden zu reinigen, weil du ständig Schuppen verlorst", lachte Hyunjin und wiederholte den verängstigten Blick der Schwestern. Jeongin begann zu Grinsen und berührte mit sachten Fingern seine endlich ausgewachsenen Flügel.
Es war surreal.
In einem Moment stand er mehreren Seelenfressern gegenüber, im nächsten war er dem Tod von der Schippe gesprungen und gehörte nun endlich zu den Erwachsenen.
Minuten der Stille vergingen. Jeongin betrachtete seine Flügel, streckte sie und klappte Sie zusammen. Nur um zu testen, wie schwer sie waren. Es war kein leichtes Unterfangen. Er würde mit Flugstunden beginnen müssen, sobald er wieder fit war. Vielleicht würden ihm Seungmin und Chan helfen. Die kindliche Freude, die durch ihn jagte, schien ansteckend zu sein, denn Hyunjin grinste über beide Ohren.
"Sag mal, wer ist Jae-Hwan?"
Jeongin erstarrte. Eis durchzog augenblicklich seine Adern. Seine Gesichtszüge entglitten ihm.
"Woher-", er schluckte und sah Hyunjin ins Gesicht.
"Woher weißt du von Jae-Hwan?"
Der Ältere zuckte die Achseln, als hätte er nicht gerade nach Jeongins wohlbehütesten Geheimnis gefragt.
"Als du bewusstlos warst, hast du seinen Namen gemurmelt", antwortete er. Seine Augen spiegelte das wieder, was der Drache niemals in den Augen seines Freundes sehen wollte: Gekränktheit.
"Hör zu, ich....ähm..."
Ein Laut der Frustration kam über ihn, während sein Herzschlag unnötigerweise anstieg, weil es aufgeregt, gestresst und verängstigt war.
"Du musst es mir nicht erzählen."
Hyunjin merkte natürlich wie schwer ihm dieses Thema fiel. Die Hand auf seiner war warm und er strich mit beruhigenden Bewegungen darüber. Für eine Millisekunde machte sein Herz einen Hüpfer. Dieser Mann würde ihn noch ins Grab bringen.
Danach umgab sie Stille. Jeder hing seinen Gedanken nach. Jeongin überlegte fieberhaft, wie er dieser Situation entfliehen konnte. Aber das konnte er nicht. Er war schon so lange weggelaufen. Vielleicht kam nun die Zeit klar Schiff zu machen, damit er seine Seele reinigen konnte.
Das Ticken der Uhr und das des Herzmonitors waren die einzigen Geräuschquellen, bevor Jeongin zittrig Atem holte.
"Ich habe früher oft Zeit im Krankenhaus verbracht. Mein Immunsystem war nicht auf dem Stand eines normalen vierzehn Jährigen Kindes, sodass es für mich hieß: regelmäßige Test, Überprüfungen, Medikamentationen und Übernachtungen."
Jeongin atmete aus und wieder ein, um sich von den Erinnerungen nicht übermannen zu lassen. Was schwer war, denn Erinnerungen hatten die Eigenschaft stets dann zu kommen, wenn man sich nicht brauchte.
"Eines Tages, ich lief gerade durch die Gänge, begegnete ich einem älteren Jungen."
Hyunjin berührte seinen Oberarm.
"Das war Jae-Hwan."
Jeongin nickte zustimmend und versuchte im Nachhinein seinen Faden wiederzufinden.
"Kennst du diese Wesen oder Menschen, die einfach strahlen? Sie sind wundervoll und alles an ihnen ist liebenswert. Und das Einzige, was du tun kannst, ist nur zu Starren und zu hoffen, dass etwas von ihrem Leuchten auf dich übergeht."
Jeongins Stimme glich einem Wimmern.
"Jae-Hwan war so jemand, schätze ich", beendete Hyunjin seinen Gedanken, als er selbst nicht weitersprechen konnte.
Zu sehr nahm ihn die Erinnerungen an diesen Menschen ein.
"Er war aber auch cool, weil er älter war und cool, weil er den Traum hegte zur Polizei zu gehen, sobald er gesund war. Ich sah zu ihm auf. Ich wollte wie er werden."
Hyunjins Augen sahen ihn mitfühlend an. Nein, nicht mitfühlend, sondern voller Liebe und Verständnis.
"Er hatte eine seltene Art von Knochenkrebs und-", Jeongin musste lachen, weil es noch immer absurd klang und ätzend war, obwohl er sich der Situation gegenüber unpassend verhielt.
"Wir leben in einer so modernen Welt, in der Seraphim, Drachen und Dämonen den Himmel bevölkern und Fae, Sirenen und Meerjungfrauen Magie wirken können. Alle können Magie wirken! Und wir schaffen es nicht Menschen zu retten, die an Krebs erkranken!"
Jeongins Herz raste, als er an die Ungerechtigkeit des Lebens dachte. Und an das Versagen der Großen Mutter.
Hyunjin drückte seine Schulter, um ihn zu beruhigen.
"Innie! Hey, entspann dich. Bitte!"
Der Blonde erwachte aus seiner kurzen Abwesenheit und maßregelte sich stumm. Dann fand er den Faden wieder.
"Jedenfalls stand eine große Operation an, die ihm ein für alle Mal gesund machen sollte. Bevor er in den Operationssaal gebracht worden war, hatten wir einander versprochen Polizisten zu werden. Wir sagten: Sobald wir gesund sind, retten wir die Welt."
Es war ein Versprechen. Ein Versprechen, das Jeongin eingelöst hatte.
Jae-Hwan nicht.
Bei der Erinnerung an den Älteren zog sich Jeongins Brust schmerzhaft zusammen. Das Atmen fiel ihm auf einmal so schwer, dass er fast taumelte, obwohl er saß.
"Es....es gab Komplikationen bei der Operation. Er starb, ohne dass ich auf Wiedersehen sagen konnte, ohne das ich sagen konnte, dass ich in ihn verliebt war."
Er war vierzehn gewesen, vielleicht war es keine Liebe, vielleicht nur Verknalltsein, aber es tat trotzdem unendlich weh Jae-Hwan zu verlieren. In den wenigen Wochen, in denen sie einandern kannten, waren sie wie Pech und Schwefel zusammengewachsen. Jeongin hatte sich in ruhigen Minuten stets ausgemalt, wie es wäre, ein Team bei der Polizei mit ihm zu bilden. Noch heute ließ es sein Herz in Wehmut erzittern. Und vielleicht war das der Grund für den "Stillstand" von Hyunjins und seiner Beziehung, weil er noch immer nicht über Jae-Hwans Tod hinweggekommen war. Weil der Geist des Älteren ihn noch immer verfolgte. Obschon ihn keine Schuld an seinem Tod traf.
"Verluste und Trauer sind wie eine Bergbesteigung, wo du niemals die Spitze erreichen kannst. Und das, Hwang Hyunjin, ist das Qualvollste, was einem zu Lebzeiten passieren kann."
Hyunjin rückte näher an ihn heran, umklammerte Jeongins Händen mit den Seinen.
"Du hast Euren Traum wahrgemacht. Euer Versprechen wahrgemacht. Du bist zur Polizei gegangen, hast jedes erdenkliche Training, jeden Test, jede Prüfung bestanden und bist in einem verdammten Sondereinsatzkommando! Selbst wenn Jae-Hwan nicht physisch bei dir sein kann. Selbst wenn er das Versprechen nicht halten konnte. So hast du es für Euch beide getan! Und das, Yang Jeongin, ist das Beste, was du für einen Verstorbenen zu deinen Lebzeiten tun kannst. Für ihn Leben!"___________________________________________
Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Ich bin zurück aus den 'Weihnachtsferien', wenn man es so nennen darf.
2023 endete mit einem Knall.
Und damit meine ich nicht die Böllerei an Silvester, sondern im engeren Sinne von mehreren unschönen Ereignisse in meinem Leben.Am zweiten Weihnachtsfeiertag gab es einen Todesfall in meiner Familie...am 27ten habe ich festgestellt, dass jemand mein Auto gerammt/gestriffen hat, ohne sich dafür zu bekennen...mein Cousin musste über Silvester plötzlich wegen einer eigentlichen Nichtigkeit auf den OP-Tisch und meine Schwester musste Ihren Hund einschläfern....
Warum ich diese ganze Negativität hier reinschreibe? Nicht um Euch runterzuziehen oder um euer Mitleid zu erbetteln.
Es geht mir um die Realität.
Wir leben in dieser modernen Welt, wo online Kommunikation/Aufnahmen und Fotos zu neunzig Prozent des Tages unseren Alltag einnehmen. Aber wir vergessen in diesen Augenblick die Echtheit des Lebens. Ganz plötzlich liegt man im Krankenhaus, oder wird überfahren oder setzt sich aufs Fahrrad und stirbt im Fahren. Es kann alles so verdammt schnell gehen......
Nutzt einfach die Zeit, die Ihr mit Euren Lieben hier habt.
Das möchte ich Euch damit nur sagen!
Ich habe Euch lieb!Deswegen schreibe ich so viel über Verluste. Ich habe angefangen zu merken, dass es für mich eine Art Heilung ist. Es hilft mir damit klarzukommen.
Ich hoffe, das Kapitel hat Euch dennoch gefallen und ihr seid offen für Kommunikation darüber!
Feel free to comment!
Flair🌿🌸
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Enigma 《Minsung》
Fanfiction-Pausiert- Erlaube deinen Wunden nicht, dich in eine Person zu verwandeln, die du nicht bist. ~Minho~ Teil 2 Fantasy Police AU Boy x Boy Don't like, Don't read Nebenpairs: Changlix HyunIN SeungChan