Secrets 《2》

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Manchmal waren Geheimnisse etwas Riesiges, Düsteres in unserem Inneren. In tiefster Nacht, in den Stunden, wenn jeder von uns alleine war- kamen diese alten Geheimnisse und klopften. Einige kündigten sich lautstark an, andere leise, kaum vernehmlich. Doch ob laut oder leise, sie kamen. Immer. Und keine verschlossene Tür konnte sie aufhalten. Sie besaßen die Schlüssel zu unserem Innersten. Wir redeten mit ihnen, flehten sie an, wir verfluchten sie, schrieen sie an. Wir wünschten uns, mit jemanden über diese Geheimnisse reden zu können, nur, um ein klein wenig Erleichterung zu finden. Und mit jedem neuen Tag verstummte das Jaulen und Kreischen unserer dunklen Geheimnisse, sie kapselten sich wieder in unser Innerstes, während wir so taten, als könnten wir mit ihnen leben. Der Erfolg bei diesem Unterfangen hing jedoch von der Art und der Größe des Geheimnisses ab. Nicht jeder war dazu geschaffen, mit Schuld zu leben.
Nicht jeder konnte dieser Last standhalten.
Jung oder Alt, Mann oder Frau, jeder hatte Geheimnisse. Das hatte er gelernt, das hatte er erfahren. Er wusste es von sich selbst.
Detective Lee Minho blickte auf das tote Mädchen auf dem metallenen Untersuchungstisch und fragte sich unweigerlich: Welche Geheimnisse hast du mitgenommen, von denen niemals jemand etwas erfahren sollte?
Sie war viel zu jung, um tot zu sein. Anfang zwanzig. Wunderschön. Langes, helles, glattes Haar. Ihre Haut besaß die Farbe von hellem Kaffee, sogar im grellen Licht der Leuchtstoffröhren wirkte ihre Haut glatt und makellos. Hübsche, zarte Gesichtszüge. Eine Meerjungfrau. Erkannt durch den Blick auf ihre von Schwimmhäuten durchzogenen Finger und Zehen. Ihre Lippen waren blass im Tod, doch sie waren voll, ohne dick zu sein. Er stellte sich vor, wie diese Lippen bei einem Lächeln ausgesehen hätten.
Ein weiches, melodisches Lachen.
Minho hatte viele Tote gesehen. Doch jedes Mal erschütterte es ihn aufs Neue. Ob Täter oder Opfer, gut oder böse, ein jeder war ein Wesen mit Hoffnungen, Träumen und Lieben. Aber sie lebten in einer Welt, in der das Leben meistens verlor.
Und jetzt vollzog Minho die letzte, endgültige Entweihung. Eine Autopsie war ein seelenloses Geschäft, die Reduktion eines Wesens auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Fleisch.

Er hatte seit langem mit dem Sterben zu tun. Schließlich arbeitete er seit zwei Jahrzehnten bei einem Sondereinsatzkommando, welches lebende Alpträume jagte. Serienkiller und Kinderschänder. Wesen, denen es Lust bereitete Frauen zu Tode zu foltern, um dann Sex mit den Leichen ihrer Opfer zu haben. Es war jedes Mal schrecklich. Doch es war überall und es war unausweichlich.
"Was gibt's Neues, Tiger?", ertönte eine gelassene Stimme, welche durch den stillen Sektionssaal hallte und an den Wänden echote.
Han Jisung besaß ein nahezu symmetrisches Gesicht, gerade einskommafünf Millimeter von der Perfektion entfernt, da sein linkes Auge ein künstliches war und er stets eine Augenklappe trug. Er hatte ein verschlossenes, grimmiges Gesicht und Wesen. Man munkelte, er könne ein Geständnis mit einem bloßen Lächeln erzwingen, was Minho bestätigen konnte. Zumindest, wenn es sich um einen Tatverdächtigen des Vampirvolkes handelte, denn Han Jisung war nicht nur ein eine Gestalt der Nacht, sondern auch der Prinz des Vampir Volkes. Jenes Wesen, welches den Thron übernehmen und herrschen würde. Irgendwann.
Er strahlte eine schwer fassbare, geheimnisvolle Energie aus, wie ein Weise der Nacht, und er trug etwas in sich, dass er noch begreifen musste.
"Das Übliche", entgegnete Minho, sah aber nicht von seiner Tätigkeit den Y-Schnitt zu vollbringen, ab. Im Augenwinkel bemerkte er, wie Jisung es sich auf einem der Metalltische bequem machte. In den letzten Monaten kam er oft hinunter zu ihm. In seine Gruft, in seine Abgeschiedenheit, in der er Leichen aufschnitt und wieder zusammenflickte. Es war eine Art Ritual geworden und auch wenn sie, in zehn Prozent der Fälle, kaum miteinander sprachen, genossen sie einanders Anwesenheit. Meistens jedoch, und das war zu neunzig Prozent der Zeit so, trieb Jisungs Mitteilungsbereitschaft an die Oberfläche und er begann zu erzählen. Über Fachzeitschriften mit psychologischen Themen, die ihn interessierten oder Mordfälle, die längst vergangen war und an denen er noch immer knabberte, weil ihm der Ausgang, in psychologischer Hinsicht, nicht gefiel. Minho lauschte, arbeitete und gab hin und wieder einen Kommentar ab. Es war mittlerweile zur Gewohnheit geworden, dass er den Blondhaarigen hier erwartete. Stets stand ein Becher mit Blut im Kühlschrank und wartete darauf von dem Vampir getrunken zu werden.
"In seinem Ursprung ist das menschliche Leben neutral. Fallen jedoch die äußeren hormonellen Einflüsse weg, so entwickelt sich nach dem femininen Ursprungsprogramm der Natur immer ein weiblicher Embryo", sagte Jisung irgendwann, nach dem er mit seinem ersten Thema fertig war und blickte Minho abwartend an.
"Ist das nicht faszinierend?", fragte er und hüpfte von dem Tisch runter, um näher zu kommen. Minho war gerade dabei das Herz zu wiegen. Bevor Jisung seinen alltäglichen Besuch abhielt, hatte der Wolf schon die äußere Besichtigung abgeschlossen. Dazu zählten: Körpergröße, Gewicht, Ernährungszustand und die Hautfarbe. Er lokalisierte die Totenflecken und wie stark die Leichenstarre ausgeprägt war. Außerdem wurden bei der äußeren Besichtigung Tätowierungen, Narben, Pigmentflecken, Operationswunden und sichtbare Verletzungen dokumentiert. Des Weiteren spielte der Zustand des Gebisses eine große Rolle, wenn jemand Unbekanntes identifiziert wurde. Daher hatte Minho diese Information genau in seinem Obduktionsbericht festgehalten. Nur wusste er schon, wie das Opfer hieß, da sie den Personalausweis der Dame am Ort des Geschehens gefunden hatten. Neben den körperlichen Merkmalen achtete man auch auf die Bekleidung, den Schmuck und andere Gegenstände, die der oder die Verstorbene am Körper trug.
Gerade war er bei der inneren Besichtigung des Opfers. Sie wurde überfahren und erlag ihren Schädelverletzungen noch am Tatort. Da er stets mit dem Y-Schnitt begann, hatte sich Minho dem Schädel noch gar nicht zugewandt. Stattdessen wurde er in seinem Tun gestört, als Jisung ihn mit seinem roten Auge observierte.
"Du bist heute besonders ruhig, ist irgendwas passiert?"
Natürlich wusste der Vampir sofort, was innerlich in ihm brodelte. Minho konnte es so oder so nicht weiter verstecken. Spätestens, wenn sie Seungmin begegneten, musste er sich erklären, denn der Seraphim bekam alles mit. Vor allem die Gemütszustände seiner Kollegen.
"Man hat mich eingeladen. Zu einem Fest", murmelte er. Jedes Wort quälte sich über seine Zunge und hinterließ ein bitteren Geschmack von ätzender Säure, die sich hindurchfraß.
"Von meiner Rasse", spuckte er und kam nicht umhin, Jisungs Wachsamkeit zu meiden. Der Vampir wusste, wie er auf 'seine Leute' zu sprechen war. Zu den Göttern, sein ganzes Team wusste das. Als er den Brief erhalten hatte, mit dem roten Siegel eines Wolfkopfes, wollte er ihn verbrennen und seine Hände in Desinfektionsmittel ertränken. Normalerweise war er die Ruhe in Person, doch dieses Ereignis hatte ihn aufgewühlt. Deswegen war er auch an einem Samstagmorgen in aller Herrgottesfrühe im Leichenschauhaus, um sich abzulenken, um den Gedanken, die sich anbahnten, entfliehen zu können.
Eine zierliche, schlanke Hand klopfte an die offene Tür zum Sektionssaal. Eigentlich sollte diese verschlossen sein, doch Jisung vergaß dies stets. Eine Gestalt, welche genauso groß war wie Minho selbst, trat ein. Blondes Haar fiel dem jungen Mann über die Schultern. Fast schon zu lang für eine klare Sicht. Die locker sitzende Hose wurde mit einem enganliegendem Shirt gepaart, das sich um seinen muskelbepackten Oberkörper spannte. Im Gegensatz zu ihrem letzten Fall hatte Yang Jeongin nicht nur an Wissen, sondern auch an Muskelkraft zugelegt. Wahrscheinlich lag es an seiner nahenden Prüfung zum Erwachsenen-Dasein, welches bei Wesen des Drachenvolkes üblich war. Seine blutjungen Flügel würden sein jetziges Gewicht niemals tragen können, doch das spielte gerade keine Rolle, mahnte sich Minho innerlich. Denn wenn Jeongin an einem Samstagmorgen in die Autopsie kam, hieß das:
"Wir haben einen neuen Fall."

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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Weiter geht's! Diesmal einen Einblick in Minhos Gedankenwelt. Was haltet ihr davon?

Han Jisung aka mein Bias

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Han Jisung aka mein Bias

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Yang Jeongin 

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Lee Minho

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PS Die Kapitel werden vorerst sehr unregelmäßig kommen. Nur, damit Ihr Bescheid wisst!

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Enigma 《Minsung》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt