Unliebsame Patienten

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Bühne frei für Adam!



„Ich muss ins Bad." Adam warf die Bettdecke von sich. Diesen Monat hatten wir eine frische Ladung Bezugs-Zeug bekommen, also war sie nicht mehr gelb-weiß gestreift wie früher, sondern weiß-rot gepunktet. Keine Ahnung, was ich persönlich scheußlicher fand. Und sinnloser – wenn man davor Flecken von ausgetretener Lymphe schlechter gesehen hatte, waren es jetzt Blutungen, die sich versteckten.

„Tun Sie sich keinen Zwang an." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte demonstrativ auf den Rollstuhl, der mit angezogenen Bremsen direkt neben seinem Bett stand.

Er bemerkte meinen Blick, ignorierte ihn aber. „Ich brauche vielleicht Hilfe?"

„Herr Jäger." Ich trat ans Fußende seines Bettes und stützte mich dort mit beiden Händen an dem Metallbalken ab, der verhinderte, dass besonders intelligente Patientenexemplare einfach herauskullerten, wenn sie zu viel mit ihrer Fernbedienung spielten. „Wissen Sie, was eine Wirbelsäule ist?"

Er hob beide Brauen. „Ja?"

„Und wissen Sie auch, was ein Bandscheibenvorfall ist?"

„Hältst du mich für bescheuert?"

Ein wenig.

Ich richtete mich auf. „Dann frage ich mich, warum Sie geklingelt haben, obwohl Sie zwei gesunde Arme, ein zur Hälfte gesundes Bein und ein zu vier Sechsteln gesundes haben, mit denen Sie ganz einfach in diesen wunderschönen Rollstuhl rüberrutschen können, ohne dass ich meinen Rücken in Gefahr bringen muss."

Stille. Dann beugte er sich über die Bettkante, griff nach dem Rollstuhl, löste erst die rechte Bremse, dann die linke und-

Gab ihm einen ordentlichen Schubs weg von sich. Er stoppte erst weit außerhalb seiner Reichweite.

Ich nickte anerkennend. „Cool. Und was jetzt?"

Adam legte den Kopf schief. „Jetzt brauche ich Hilfe."

„Klar, gerne." Damit ging ich los und schob den Rollstuhl gerade wieder zu ihm zurück. „Hier, bitte."

„Hilfe beim Umsetzen."

„Nein, brauchen Sie nicht." Ich stellte die Bremsen fest. „Los, sonst bringe ich Ihnen eine Bettpfanne und dann können wir gerne darüber sprechen, wie viel Hilfe Sie wirklich brauchen."

„Echt? So gehst du mit Krüppeln um?" Er schnalzte mit der Zunge. „Ich will einen anderen Pfleger."

„Und ich will andere Patienten, aber wir können eben nicht immer alles haben."

„Alles klar, Arschloch." Es kamen noch ein paar mehr Kraftausdrücke, während er mit dem Hintern voran zur Matratzenkannte rutschte.

Ich erwiderte nichts darauf, lief um sein Bett herum, schnappte mir die Bettenfernbedienung und brachte ihn und den Rollstuhl auf eine Ebene. „Als nächstes ziehen Sie den Rollstuhl seitlich an ihr Bett und entfernen die Armlehne, die zu Ihnen zeigt."

Tat er, wenn auch nur widerwillig, und schleifte sich gleich darauf wie in Zeitlupe über den Rand und in den Rollstuhl.

Ohne Komplikationen.

Ohne Schwierigkeiten.

Wie sonst auch – außer eben, wenn ich da war.

„Hat ja erstaunlich gut geklappt dafür, dass Sie das gar nicht alleine können", kommentierte ich und wedelte in Richtung Nasszelle.

An meiner OberflächeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt