„Komm runter, es war nur ein Witz, okay?", versucht Leonie mich zu beruhigen. Ich nicke leicht, obwohl es sich nicht richtig anfühlt. Viel lieber würde ich sie gerade anschreien, wie sie auf die Idee kommt, mir das anzutun. Ich schlucke die Worte hinunter, atme aus, als die Schulglocke klingelt.
„Hey Mary, wie war dein Tag?", begrüße ich meine Sitznachbarin dieser Stunde und lasse meine schwarze Tasche auf den Boden fallen.
„Ganz gut und deiner?", antwortet sie mir lächelnd und schiebt ihren von ihrer Jacke behangenen Stuhl nach hinten, um sich draufzusetzen.
„Auch", erwidere ich kurz, damit ich kurz, damit ich nicht erzählen muss, wie er wirklich war. Als Bestätigung, mich gehört zu haben, lächelt sie mich an.
Ich öffne meine Tasche, um die Notizen der letzten Stunde herauszuholen, nur um den Grund des Streites wiederzufinden: Leonie und ihre „coolen" Freunde haben die Notizen zerstört und die Wörter durchgestrichen oder mit Rot drübergekritzelt. Ich lasse seufzend den Kopf nach vorne fallen, wobei mir meine braunen Haare ins Gesicht fallen.
„Haben sie schon wieder deine Notizen zerstört?", fragt mich meine Sitznachbarin, während sie mir ihre kalte Hand auf die Schulter legt. Zögernd nicke ich und presse meine Lippen aufeinander. Natürlich weiß Mary, dass ich keinen Hund habe, der meine Notizen immer frisst- sie sieht schließlich, wie ich jede Stunde meine Notizen heraushole, merke, dass sie wieder verunstaltet wurden, und sie wieder einpacke.
„Du solltest dir neue Freunde suchen!", stellt sie fest und fragt mich anschließend sanft: „Warum sagst du Frau Müller nicht die Wahrheit, oder zeigst ihr zumindest die Notizen?"
„Ich kann nicht, sie haben Druckmaterial", erwidere ich leise, damit es ja niemand hört. Mary reißt geschockt die Augen auf und blickt zu meiner Freundesgruppe.
„Was haben sie?", fragt sie mich nach einer kurzen Denkpause, damit sie nichts Falsches sagt.
„Bilder, sie haben in der Umkleide eine Kamera in meinem Spind angebracht und so Fotos gemacht", beichte ich ihr und wieder reißt sie ihre Augen auf, wahrscheinlich von dem, was ihre Klassenkameraden getan haben.
„Du sitzt die wieder bei denen!", bestimmt sie und spricht weiter: „Die Fotos bekommen wir auch bestimmt gelöscht!"
Dankbar schaue ich sie an und setzte gerade zur Antwort an, als Frau Müller die Stunde beginnt und Mary ihre Notizen zwischen uns legt.
„Komm, du lenkst sie ab und ich hole die Handys und lösche die Fotos!", schlägt Mary nach der Stunde vor und ich nicke zur Bestätigung.
Schnellen Schrittes gehe ich zu meinen alten Freunden und erkläre ihnen die Themen dieser Stunde, da sie nicht aufgepasst haben. Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, wie Mary hektisch auf den Handys herumtappt und mir anschließend den Daumen hochhält. Da wir die Letzten in der Klasse sind, schaue ich hoch, strecke den anderen meinen Mittelfinger entgegen und schultere meine Tasche. Mary gibt ihre Tarnung auf, indem sie den Besen wegstellt, da sie so getan hat, als müsse sie die Klasse fegen, und kommt zu mir. Gemeinsam gehen wir aus dem Raum und ich trete Leonie eventuell absichtlich auf ihre neuen, weißen Schuhe.
Jetzt ist erstmal alles gut und ich bin froh, dass es Leute wie Mary gibt, die ihren Mitmenschen immer helfen.

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Never without you
Roman d'amourEin Adventskalender um die Zeit bis zum 24.12 zu verschönern. Jeder kennt eine Form der Liebe. Auch wenn viele nicht an die eine ,,große" Liebe glauben, so kennen sie doch andere Formen. Ob die Geschwister, beste Freunde oder Klassenkameraden, die e...