Kapitel 44

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SEPTEMBER 2023
GENF

Maisies Sicht

Ich habe mich noch nie so fremd gefühlt wie ich es gerade tue. Selbst als ich in mein Schlafzimmer gehe, fühle ich mich fremd und unsicher. James und Helen haben mir einer der letzten guten Sachen in meinem Leben zerstört. So wie immer.

Ich streiche etwas über meine Türrahmen und schaue mir das Zimmer von der Tür aus an. Auf der einen Seite bin ich unfassbar traurig diesen Ort hinter mir zu lassen, aber zur gleichen Zeit muss ich es. Ich werde hier nie wieder meinen Frieden finden.

"Du kannst gerne alles mit nach Monaco nehmen.", höre ich Landos Stimme und schaue zu, wie er sich an die andere Seite des Türrahmen stellt. Ich schaue ihn kurz an und schüttel dann mit meinem Kopf.
"Am liebsten würde ich nichts mitnehmen.", antworte ich und bringe ihn leicht zum lächeln.
"Das ist auch okay.", sagt er und bringt mich nun auch etwas zum lächeln.

Wir haben zwar noch keine Wohnung, aber Lando ist auf einen guten Weg eine zu finden. Ich habe ihn meine Wünsche mitgeteilt und ich vertraue ihn, dass er was gutes finden wird.

"Wann kommt dein Bruder?", wechselt er das Thema und biegt ins Wohnzimmer ab um sich auf die Couch zu setzen. Ich folge ihn und setze mich neben ihn, bevor ich ihn antworte.
"Eigentlich in den nächsten fünf Minuten, ich denke aber eher in zwanzig Minuten.", antworte ich und lächel ihn etwas ironisch an.

Ich hoffe für ihn, dass er es wenigstens zu den Gerichtsterminen pünktlich schafft.

"Warten wir auf ihn oder fangen wir schon mal etwas an?", fragt Lando weiter und legt seinen Arm etwas auf die Couchlehne.
"Wir warten auf ihn, er macht das nämlich extra um nichts machen zu müssen.", fange ich ich und nehme mir meinen Laptop zur Hand.

"Ich muss sowieso noch einige Emails beantworten.", beende ich meinen Satz und Lando nickt mir kurz zu.
"Dann mache ich mich mal nützlich und schaue was du an Essen hier hast.", sagt er und bringt mich kurz zum lachen. Ich nicke ihn lächelnd zu und erwider seinen kurzen Kuss, bevor er sich auf dem Weg zur Küche macht.

Ich setze mir meine Brille auf und überfliege etwas die offenen Mails. Es sind mal wieder einige Werbemails dabei oder von irgendwelchen Abonnements, die ich mal vor langer Zeit abonniert habe. Die einzigen Mails, die mich interessieren, sind von der Anwaltskanzlei. Die erste ist eine auf die ich schon gewartet habe: James und Helen habe eine Gegenklage eingereicht. Was für eine Überraschung.

Die zweite ist die interessantere von beiden. Das Gericht will als Beweismaterial offizielle Fotos, die die Verletzungen von Joshua und mir dokumtieren. Die paar Fotos die ich gesendet haben reichen wohl nicht und wir müssen zu einem ausgewählten Arzt vom Gericht, damit er alles dokumentiert. Als ich das Wort 'alles' lese, wird mir etwas schlecht. Sie wollen alles haben. Selbst die Sachen, die man auf dem ersten Blick nicht sieht. Alle Narben. Selbst die für die ich mich am meisten schäme. Die Narbe auf meiner Brust.

Ich wusste, dass es soweit kommen wird. Ich wusste es schon die ganze Zeit, aber habe es versucht die ganze Zeit zu unterdrücken um es nicht wahr zu haben, aber alles wird ans Licht kommen. Selbst die Sachen, die ich seit Jahren verdränge. Jedes kleinste Detail.

Die Erkenntnis schockt mich in dem Moment trotzdem und ich versuche nicht allzu sehr die Fassung zu verlieren, vor allem als er an der Tür klingelt.

"Ich geh schon.", ruft Lando und einige Sekunden später höre ich Joshuas Stimme. Ich atme etwas erleichtert auf, aber das mulmige Gefühl will nicht verschwinden. Sobald aber Lando und Joshua ins Wohnzimmer komme, setze ich mein Pokerface auf und schlucke alles runter.

gib mich nicht auf | lando norrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt