Kapitel sechs: William

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William konnte sich nicht beschweren. Gute Noten, tolle Freunde und eine eigene Wohnung sowie Job. Abgesehen davon hatte er sich zum zweiten Mal in seinem Leben verliebt, aber diesmal viel stärker als beim ersten Mal. Zum ersten Mal hatte er den Wunsch, mit einer Frau zu heiraten und Kinder zu bekommen, etwas, das er sich vorher nie vorstellen konnte und das obwohl er in seiner ersten Beziehung verlobt war. Seit er auf die Volkshochschule ging, schien sein Leben gut zu laufen. Die schönsten Momente hatte er mit seinen drei neu gewonnenen Freunden erlebt, besonders mit Ty. William half Ada am meisten bei dem Job als Klassensprecher. Seit nun zwei Monaten existierte die kleine Gruppe und sie waren immer irgendwie zusammen. Gruppenchats, eine Sitzordnung, bei der sie zusammen waren und die Sonntage im Park des Elisenbrunnens. Seit er Ty kennengelernt hatte, waren die Jungs unzertrennlich. Er verbrachte mehr Zeit mit Ty und vergaß Louisa, seine Flamme, oft. Wirklich Hoffnung, dass sie seine Gefühle erwiderte, hatte er allerdings nicht. Heute saß wie an jedem Abend alleine auf seinem Sofa und sah Fernsehen. Zum Abendessen hatte er sich eine Pizza gemacht. Es fühlte sich einsam an, aber dies war mittlerweile Standard geworden. Keine Tiere, keine Frau und keine Familie. Das war Williams Leben. Er hatte mal eine Schlange, doch diese war vor wenigen Tagen leider verstorben. Er hatte sie einschläfern müssen, weil sie einen unheilbaren Virus hatte. Sie war erst drei Jahre alt und die Trauer saß tief in Williams Magen. Zu seiner Familie hatte er den Kontakt abgebrochen, um seine mentale Gesundheit zu verbessern. Er hatte seit seiner Kindheit mit verschiedenen psychischen, aber auch physischen Erkrankungen zu kämpfen und seine Familie hatte ihm nicht geholfen zu heilen. Also musste er sich trennen. Dies war nun ein Jahr her und William merkte kaum noch etwas von seinen Depressionen - vielleicht lag es zum Teil auch an dem Cannabis- Konsum, welchem William regelmäßig nachkam. Jeden Abend gegen zweiundzwanzig Uhr rauchte William gemütlich einen und ging dann schlafen. Hatte er kein Cannabis, griff  er zum Alkohol oder zu den Antidepressiva,  die er sich privat besorgt hatte. Ein halbes Jahr lang hatte er sogar Schlaftabletten eingenommen. Heute war es nicht anders. Als er mit dem Essen fertig war, war es etwa einundzwanzig Uhr vierzig. Er räumte auf und baute sich dann einen Joint, welchen er rauchte. Anschließend ging er ins Bett und schlief ein.
Am nächsten Morgen stand er gegen sieben Uhr auf. Es war immer derselbe Ablauf: Handy-Benachrichtigungen, Checken, aufstehen, Sport, Anziehen, Zähneputzen und zur Schule. Der Schultag war ebenfalls normal und ziemlich gleich: Unterricht, Zeit mit seinen Freunden, eventuell war Ty da und Ophelia anbaggern. Nur die Unterrichtsfächer und Uhrzeiten änderten sich. Nach der Schule trat William zur Arbeit an und auch hier war alles wie immer. Doch all dies war besser als mit seiner Einsamkeit Zuhause zu sitzen. Abends schrieb er oft mit Ophelia oder telefonierte mit Ada. Ty kam selten online um mit ihm zu schreiben. Die Gespräche mit Ophelia waren ihm aber irgendwie am wichtigsten. Sie nahm ihm die Einsamkeit und ließ sein sonst so kaltes totes Herz lebendig werden. Er verstand nicht, warum er so für sie fühlte und das würde für ihn vermutlich ein Mysterium bleiben. Ophelia hatte ihn bereits gefragt, warum er sie möchte, seine Antwort: einfach weil sie Ophelia Wollseif war und sie die einzige Ophelia Wollseif war. Ein lächerlicher Grund, wie William dachte und doch der einzige.

Roses and FlameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt