02 | Kleine Tode

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 • London, Februar 1971 •

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 • London, Februar 1971

Der Hyde Park lag ausgestorben da – abgesehen von seinen tierischen Bewohnern. Am Ufer des großen Serpentine-Sees schliefen die Enten mit ihren Köpfen unter den Flügeln und die zahlreichen Grauhörnchen, die bei Tag Passanten um Nüsse anbettelten, ruhten in den Bäumen. Dafür bevölkerten nun andere Geschöpfe die Grünflächen: Kleine Nager, streunende Haustiere und sogar ein Fuchs auf Nahrungssuche schlichen durch die Schatten.
Eine einzelne, getigerte Katze mehr fiel so kaum auf, selbst wenn sie zielstrebig über Wege und Brücken huschte, anstatt ihr Revier gegen Artgenossen zu verteidigen oder Mäusen neben den Mülleimern aufzulauern. Trotzdem sah Minerva sich immer wieder nervös um, die felligen Ohren gespitzt. Das Knacken so manchen Astes klang ganz wie eine Apparation und sie hatte nicht vor, nach ihrer eben erst geglückten Flucht aus der Kirche im Lake District ausgerechnet hier doch einem Todesser in die Arme zu laufen.

Es war zwar nicht so, dass sie den Kampf scheuen würde – aber manchmal erwies es sich klüger, ein Schatten in der Nacht zu bleiben; eine graue Katze unter vielen. Auf leisen Pfoten war sie Voldemorts Anhängern eine bedeutend größere Gefahr. Und mit ihrer Nachricht zur rechten Zeit konnte sie immerhin dafür sorgen, dass die Auroren zur Festnahme kamen.
Die Vorstellung, dass die beiden Trottel in der Kirche gerade den (gerechten) Schock ihres Lebens bekamen, beflügelte ihre Schritte. Auch das Glück dieser Nacht blieb auf ihrer Seite. Nicht mal der einsame Fuchs traute sich in ihre Nähe. Unbescholten gelangte sie an ihr Ziel, wo sie elegant auf eine leere Parkbank sprang. Nun hieß es warten. Mal wieder.

Sie verkniff sich wie so oft in den letzten Nächten ein Seufzen und setzte sich stattdessen auf ihre Hinterpfoten. Albus beteuerte schließlich oft genug, dass Geduld eine Tugend war. »Besonders in diesen Zeiten dürfen wir uns nicht zu überstürzten Handlungen hinreißen lassen«, pflegte er stets zu sagen, wenn sie als Reaktion darauf geräuschvoll die Luft einsog. Und er hatte ja recht, natürlich hatte er recht – er hatte immer recht. Trotzdem änderte es nichts daran, dass sie sich wie eine vermaledeite ägyptische Katzenstatue vorkam, so starr saß sie auf dieser Bank.
Und dann erst diese Kälte ... Mit einem Schaudern plusterte sie ihr Fell auf. War es in London etwa kühler als draußen im Lake District? Oder war es nur der langen Nacht geschuldet, dass sie sich an ein warmes Kaminfeuer mit Ingwerkeksen sehnte?

Egal. Sie vertrieb die Träume von einem wohlbekannten Wohnzimmer in Mayfair durch ein Zucken der Ohren. Wenn ihre Arbeit der letzten Monate sie eines gelehrt hatte, dann, dass ein Moment der Unachtsamkeit genau wie dieser reichte, um den Hinkepank nicht zu bemerken, der sich anschlich (und sie am Schwanz zog). Sobald sie wieder in Hogwarts war, würde genug Zeit bleiben, solchen Sehnsüchten nachzuhängen. Doch zuerst würde sie ihren Auftrag formvollendet abschließen. Also spannte sie die Muskeln fester an und besann sich auf den verlassenen Hyde Park zurück.
Sämtliche guten Vorsätze halfen allerdings nicht gegen den Ballon aus Ungeduld, der sich immer in ihr weiter aufblähte. Ein paar ereignislosen Minuten später konnte Minerva einfach nicht anders – sie musste ihren Katzenschwanz zucken lassen. Zumindest die Spitze davon. Nur ein bisschen von rechts nach links. So fiel es ihr leichter, die Büsche gegenüber anzustarren und sich nicht zu langweilen. Es war schließlich das eine, ein Ziel zu observieren oder Todessern aufzulauern. Dann hatte sie eine Mission, einen Fokus. Aber herumsitzen und warten? Ohne zu wissen, ob überhaupt jemand kommen würde ...?

Aschenstaub | Minerva McGonagallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt