Flucht aus Hogwarts

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Severus Snape POV:

"Sie müssen verschwinden, Severus!", keuchte Dumbledore und fuchtelte mit seinem Zauberstab wild umher.

Der alte Mann war Mitten in der Nacht in meinem Zimmer aufgetaucht und hatte mich aus dem Schlaf gerissen.

Schlaftrunken, jedoch kerzengerade saß ich in meinem Bett und beobachtete, wie mehr und mehr Dinge aus meinem Kleiderschrank durch den Raum flogen. Klamotten, Schuhe und Handtücher folgten Dumbledores Zauberstab, wirbelten durch die Luft und verschwanden schließlich in einem braunen Reisekoffer.

"Fudge ist mit einigen Leuten auf dem Weg hierher." So nervös hatte ich den Schulleiter noch nie gesehen.

Er packte mich am Arm, zerrte mich aus dem Bett und zog mich hinter sich her in Richtung Flur. Ich stolperte über den Gang und musste mich am Geländer festhalten, um nicht kopfüber die Wendeltreppe hinabzustürzen.

Als wir mein Büro durchquerten, konnte ich einen kurzen Blick auf die Uhr erhaschen. Es war kurz vor halb vier Uhr morgens.

Ich hatte noch immer nicht ganz begriffen, was hier gerade passierte. Dennoch machte ich keine Anstalten, mich gegen Dumbledores Anweisungen zu wehren.

Ich vertraute diesem Mann - vollkommen. Er war wohl jemand, den man durchaus als einen Freund bezeichnen konnte. Tatsächlich war er wahrscheinlich die einzige Person, die mir nahe stand.

Wir hatten die Gänge des Schlosses erreicht und mit jedem Schritt wurden meine Gedanken klarer. Meine Müdigkeit verschwand langsam und mein Kopf begann zu arbeiten: Dumbledore hatte den Namen Fudge erwähnt.

Ging es um unsere Forschungsarbeit?

Ein eiskalter Windstoß zischte durch die dunklen Flure und ließ mich frösteln. Ich verzog das Gesicht, als ich bemerkte, dass ich weder Schuhe noch Mantel trug. Ich fluchte leise vor mich hin, während die Kälte des Bodens langsam meine Beine hinauf wanderte.

Unser Sprint endete in einem der hintersten Kerkerräume von Hogwarts. Hier unten waren die Flure so verwinkelt, dass man leicht die Orientierung verlieren konnte.

Die meisten unserer KollegInnen hatten diese Räumlichkeiten noch nie betreten oder wussten nicht einmal, dass sie überhaupt existierten. Für SchülerInnen waren die Kerkerräume absolut tabu.

Mit einer leichten Handbewegung entfernte Dumbledore den Schutzzauber von einer Tür, die sich auf der rechten Seite am Ende des Ganges befand. Zügig traten wir ein und der Schulleiter versperrte den Raum von innen.

Die Luft war modrig und warm. An der Steinwand auf der Südseite hingen zwei Fackeln, die für spärliches Licht sorgten.

In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch, auf dem einige Kessel leise vor sich hin köchelten. Hin und wieder schossen einige Dampfwolken empor.

Auf den Schreibtischen, Wandregalen und offenen Schränken stapelten sich unzählige Papierberge, Bücher und Unterlagen.

"Das alles muss verschwinden, Severus.", wies der Schulleiter mich an. "Wir dürfen keine Spuren hinterlassen."

Während wir alles zusammen sammelten, machte sich Schwermut in mir breit. In diesem Raum hatte ich in den letzten Monaten beinahe meine gesamte Freizeit verbracht.

Trotz des Verbots des Zaubereiministeriums hatten Dumbledore und ich an unserer Forschung weitergearbeitet.

Wir hatten neben unserer Hauptaufgabe, ein Heilmittel gegen den Todesfluch zu entwickeln, viele neuartige Zaubertränke und unkonventionelle Brautechniken entwickelt und entdeckt.

Dies war nur möglich gewesen, da wir mit Substanzen und Flüssigkeiten arbeiten konnten, die vom Ministerium niemals genehmigt worden wären.

Ohne Regeln uneingeschränkt forschen zu können, hatte mich vollends ausgefüllt.

Es war ein Ausgleich zum unerträglichen Alltag als Professor geworden. Die SchülerInnen schienen von Jahr zu Jahr dümmer zu werden. Sie trieben mich mit ihrer Talentlosigkeit und Inkompetenz schier in den Wahnsinn. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich einer dieser Nichtsnutze in meinem Unterricht in die Luft sprengen würde.

"Wie lautet der Plan, Schulleiter?", fragte ich und mit einer leichten Handbewegung ließ ich einen Stapel Papier in Flammen aufgehen.

Dumbledore sammelte Phiolen, Fläschchen und Gläser zusammen und ließ sie in einem braunen Sack verschwinden. "Ich kann hier nicht weg, Severus.", antwortete er. "Aber Sie müssen gehen. Sie müssen Hogwarts verlassen."

Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah den alten Mann entgeistert an. Hatte er den Verstand verloren?

Bevor ich die Chance hatte, zu protestieren, erläuterte Dumbledore seinen Plan genauer: "Sie müssen die Forschung weiterführen. So kurz vor dem Ziel können wir nicht aufgeben."

"Und wo soll ich das Ihrer Meinung nach tun?", fragte ich patzig. Der Gedanke, das Schloss verlassen zu müssen, war in diesem Moment absolut undenkbar für mich. Hogwarts war mein Zuhause, die Kerkerräume ein sicheres Umfeld für mich.

"Ich bringe Sie an einen Ort, der absolut sicher ist.", sprach Dumbledore. "Niemand wird diesen Ort finden können, der nicht dazu befugt ist."

Schweigend sah ich ihn an. In meiner Verärgerung wollte ich kein falsches Wort gegen Dumbledore richten. Er trug nicht die Schuld an diesem Dilemma. Nein, es gab nur einen Mann, der Schuld an dieser ganzen Sache hatte: Cornelius Fudge, der Zaubereiminister.

Er hatte schon damals alle Hebel in Bewegung gesetzt, um unsere Forschungsarbeit zu verhindern. Er hatte sie als "Gefährdung des leiblichen Wohls von Hexen und Zauberer jeglicher Herkunft" einstufen lassen, sodass wir unsere Arbeit hatten einstellen müssen.

"Wie hat das Ministerium herausgefunden, dass wir uns nicht an seine Auflagen gehalten haben?", fragte ich und runzelte die Stirn. "Niemand außer uns hat davon gewusst."

Dumbledore hatte nicht einmal unsere geschätzte Kollegin Professor McGonagall in unser Geheimnis eingeweiht, geschweige denn irgendjemand anderes.

"Ich weiß es nicht, Severus.", antwortete der alte Mann und sah nervös auf die kleine brauen Wanduhr. "Es muss einen Maulwurf geben."

Vermutlich hatten die Leute des Ministeriums bereits vor einigen Minuten das Schloss gestürmt und durchsuchten nun jeden Winkel von Hogwarts. Es würde nur noch wenige Augenblicke dauern, bis sie die Kerker erreicht hatten.

Mit einem gekonnten Schwung meines Zauberstabs verschwanden die letzten Manuskripte in einem braunen Sack, der sich anschließend selbst verschnürte.

"Ich denke, wir haben alles.", sagte ich und ließ meinen Blick durch den Raum gleiten.

"Sind sie bereit, Severus?"

Was? NEIN. Ich war nicht bereit. Absolut nicht.

Doch ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte. Es blieb keine Zeit. Fudge könnte jederzeit vor der Tür stehen.

"SEVERUS?", Dumbledores Stimme wurde lauter, durchdringender.

Ich sah ihn an und nickte kaum merklich. Er griff nach meinem Handgelenk und der Raum um uns verschwand zu einer einzigen grauen Masse.

Es war beinahe lautlos - so wie immer, wenn ich mit Albus apparierte. Sein Zauber katapultierte uns in einen magischen Sog. Wir wurden mit einer überwältigenden Geschwindigkeit durch einen graue Masse gequetscht.

Nach einer Weile spuckte uns der enge Schlauch unversehrt auf der schmalen Straße vor einer Hausfassade aus.

Ich spürte beinahe jeden Knochen und stöhnte laut auf, als ich begriff, wo wir gelandet waren. Trotz leichter Benommenheit erkannte ich den Ort sofort. Er war unverkennbar.

"Das ist doch nicht Ihr Ernst!", polterte ich in die Dunkelheit der Nacht.

Wir befanden uns in einer Muggelgegend; genauer gesagt in der Borough of Islington in London. Vor uns erstreckte sich eine Häuserreihe, die Mauer an Mauer eng aneinander gebaut worden war. Die Hausfassaden waren alles andere als einladend.

Ich rümpfte die Nase, als ich dieses düstere Bauwerk musterte, welches von nun an vorrübergehend mein Zuhause sein würde.

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