Die Ereignisse auf Ebi Island hatten Cora tagelang wachgehalten. Immer wieder hatten sich die Ereignisse vor ihrem inneren Auge abgespielt. Aber nicht nur während des Versuchs zu schlafen sah sie diese Bilder, sondern auch tagsüber, wenn sie ihrem Alltag nachgehen wollte. Es war wie ein Film in Endlosschleife, der ihr den verzweifelten Versuch ihrer Eltern präsentierte, sie vor den Piraten zu schützen, und wie sie daran scheiterten. So war es auch kein Wunder, dass die junge Frau jetzt gedankenverloren in ihrem Curry herumstocherte und dabei lieber eine Kartoffel von der einen Tellerrandseite zur anderen schubste, anstatt sie mit der Gabel aufzunehmen.
„Was ist? Willst du nichts essen? Langsam musst du doch Hunger bekommen?", machte sich der Vizeadmiral bemerkbar und setzte sich einfach gegenüber seiner Kadettin, ohne sie zu fragen, ob er dürfte. Natürlich nicht. In üblicher Manier verschränkte er ebenso seine Arme vor der Brust und behielt wie eh und je sein Gesicht durch Käppi und Kapuze verdeckt. Man konnte nur anhand seiner Mundwinkel die grimmige Mimik erahnen.
Cora sah allerdings nicht einmal auf. Hatte sie ihn überhaupt gehört? Es würde ihn nicht wundern, wenn nicht: Sakazuki sah der Dunkelhäutigen ihren derzeitigen Gemütszustand mehr als gut an: Die tiefen dunklen Augenringe erzählten ihm, dass sie nicht ausreichend schlief, falls sie schlief. Genauso bewiesen ihm ihre aufgesprungen Lippen, dass sie zu wenig Wasser trank. Im Ganzen wirkte Cora einfach furchtbar blass und nahezu kränklich. Anders, als man es sonst von ihr kannte. Nicht mal die Gabel hatte sie im wortwörtlichen Griff! Wenn man nämlich genau hinsah, blieb einem das das Zittern ihrer Hand nicht unentdeckt. Hinzukommend zeigte sie eben wie schon in den letzten Tagen keinerlei Reaktion auf seine Fragen.
Der Vizeadmiral hatte die blauhaarige Soldatin mit seiner langjährigen Erfahrung aufmerksam beobachtet. Eigentlich hatte er sie sogar im Auge behalten, damit sie in ihrem Zustand keine ungewollten Dummheiten anstellte. Fernab dessen bedrängte er sie hingegen nicht, gab ihr den nötigen Freiraum und erließ ihr auch ihre Aufgaben auf dem Schiff. Sie war schlicht noch nicht dazu in der Lage, ihren gewohnten Tagesablauf nachzugehen. Das erzählten ihm auch die anderen Marinesoldaten: Manchmal lief Cora nämlich ziellos von einem Deck zum anderen, weil sie in sich keine Ruhe fand und wenigstens irgendetwas tun musste. Also meinten es ihre Kollegen gut und sprachen sie an, ob sie nicht die ein oder andere Kleinigkeit erledigen wollte. Die Kadettin schien jedoch nie zuzuhören und daher ließen sie es bald wieder, berichteten Sakazuki jedoch von diesem Verhalten: Cora mochte zwar mit dem Körper anwesend sein, aber nicht mit ihrem Geist.Das war dem Vizeadmiral natürlich bewusst und er hätte diese proaktiven Meinungsäußerer nicht gebraucht. Er seufzte, weil er bereits spürte, wie sehr ihn das Ganze wütend machte. Sein Blut kochte förmlich. Nicht wegen dem Häufchen Elend vor ihm, die mit ihrer neuen Situation nicht zurechtkam und keine ihrer Pflichten nachkam, nein, das nicht. Er war wütend, weil Cora überhaupt diese schlimme Situation durchleben musste! Weil Piraten ungehindert ein Dorf zerstörten, andere tugendhafte Soldaten töteten und plünderten, da sie der Marine entkommen sind. Drecksbande! Sakazuki würde gar die ganze Welt brennen lassen, damit das Pack endlich für seine Gräueltaten büßte!
Der Vizeadmiral sprach jedoch keinen dieser Gedanken aus und leistete Cora lieber weiterhin stumme Gesellschaft. Er wollte ihr auf seine Art vermitteln, dass sie nicht allein war. Auch nicht mit dem Schmerz, den sie fühlte. Cora hatte niemanden mehr. Sie hatte mit einem Schlag ihre Eltern verloren und niemand konnte sie mehr auffangen. Viele Soldaten verloren ihren Verstand, sobald sie mit dem Verlust ihrer engsten Vertrauten, Familie oder Partner konfrontiert wurden, die sie nicht hatten retten können. Davor wollte er sie bewahren. Was merkwürdig war, denn eigentlich interessierte er sich wenig für seine Kameraden und galt aus diesem Grund als rücksichtslos.
Der Ranghöchste auf dem Schiff lehnte sich auf seinem Holzstuhl zurück und seine braunen Augen hielten sich auf das Mädchen fixiert, welches einfach nur ihren Geburtstag mit ihren Eltern hatte verbringen wollen. Und wie er sie dabei beobachtete, wie sie ihre Mahlzeit komplett durchstocherte, anstatt sie zu essen, wurde ihm plötzlich bewusst, dass dies die Ursache für seine Motivation war, sie nicht allein zu lassen: Sakazuki sah sich selbst in Cora. Ihr Verhalten spiegelte sein eigenes von damals. Die Kadettin ahnte es natürlich nicht, aber auch der auf andere herzlos wirkende Vizeadmiral hatte da einst durchmüssen. Es war eine Sache, die sie verband.
Unweigerlich stellte sich ihm deswegen die Frage, was passierte, wenn die Waise verinnerlichte, was geschehen war. Noch gab sie keinen Mucks von sich und es flossen keine Tränen. Was dann? Würde sie sich was antuen? Oder gar anderen?
Der Dunkelhaarige wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Cora unerwartet zu ihm aufblickte. Schon fast schnippisch kamen die Worte aus ihrem Mund: „Habt Ihr nichts Besseres zu tun, Vizeadmiral?" Ihre Stimme klang rau und kratzig, was ihrem trockenen Hals geschuldet war.
„Nein", kam es prompt zurück. „Wir stehen erst auf, wenn du gegessen hast. Ich hab keine Lust, noch einen Bericht zu verfassen."
Cora zog die Augenbrauen zusammen: „Und wenn ich einfach nicht will?"
Sakazuki schnaubte. „Dann wird das ein langer Tag für uns. Ich werde wahrscheinlich länger sitzen können als du. Du siehst nämlich so aus, als kippst du gleich vom Stuhl. Es wundert mich, dass du überhaupt noch von A nach B kommst."
Die Blauhaarige legte die Gabel geräuschlos auf den Teller. Ihr Gesichtsausdruck wechselte binnen Sekunden von genervt zu traurig. „Wen kümmert es denn? Im Endeffekt..." Cora ließ ihren Satz unbeendet und sah sich um, schaute nach links und rechts im Speisesaal. Dort lachten und unterhielten sich die anderen Soldaten lautstark als gäbe es kein Morgen. Als wäre nichts Schreckliches passiert. Für diese Menschen ist es vielleicht auch so gewesen, aber für sie...
Der Hüne beugte sich unmittelbar zu ihr vor: „Dich hat es zu interessieren. So einfach ist das. Lass das Opfer deiner Eltern nicht umsonst sein. Lebe. Lebe weiter und sorg für Gerechtigkeit, wenn dir das Geschehene keine Ruhe lässt."
Cora hielt inne. Das Opfer Ihrer Eltern? ... Das Opfer... ihre Eltern... Nein, sie waren stolze Marinesoldaten. Wenn sie sterben würden, dann nur für die gerechte Sache. Und das sind sie! Bis zur letzten Sekunde hatten sie tapfer gekämpft und nicht aufgegeben. Hatten das beschützt, was sie am meisten liebten! ... Was würden sie jetzt wohl zu ihr sagen?
Die junge Frau rieb sich die Augen, welche sich langsam mit Tränen füllten und sah auf ihren Teller. Dann fing sie hastig an, das inzwischen kalte Curry zu essen. Aber das war ihr gleich. Er hatte recht. Sie musste leben! Es wäre der Wunsch ihrer Eltern gewesen! Natürlich würde sie noch lange um die beiden trauern, aber Cora würde auch stolz auf sie sein. Das war gewiss!
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One Piece- An Ocean Full of Lies
DiversosDISCLAIMER: Die Story wurde vor Kapitel 1124 geschrieben!!! Wenn man weiß das Sakazuki und Kizaru wirkliche Brüder sind nehm ich sie runter, wenn sie nur Schwurbrüder sind dann nicht! Cora eine stolze Marinesoldatin sucht ihren Platz in der Welt. Zw...