● Derek ●
Wie ich mir dieses ganz spezielle Ziehen in meinem Körper vorgestellt hatte? Nicht so. Das hier war definitiv besser. Schöner. Mit mehr Vorfreude verbunden.
Mein innerer Wolf schrie mir entgegen: Mate!
Wir hatten unsere Gefährtin gefunden. Endlich!
Nun ja, noch nicht ganz, aber sie war nahe. Nicht mehr weit entfernt. Alles in mir spürte ihre Existenz, ihre Anwesenheit, ihre Nähe.
Noch nie hatte ich mich so wunderbar gefühlt, wie eben. So aufgeregt. Nun gut, als ich zum ersten Mal mit meinem Wolf durch den Wald gejagt war ... das kam dem hier wohl ziemlich nahe. Trotz allem war es ein anderes Gefühl und ich freute mich so sehr.
Tausende Fragen, wie sie denn wohl aussah, wie ihr Charakter war, was für Vorlieben sie hatte, welche Träume sie nachts besuchten - all das wollte ich wissen, und noch so viel mehr. Ich konnte es kaum mehr erwarten, ihr endlich gegenüber zu stehen.
Würden wir uns sofort um den Hals fallen? Mein Wolf wollte es auf jeden Fall. Ich schätzte, dass ich es einfach darauf ankommen lassen musste und zuerst die Situation abwägen sollte. Doch verdammt, ich war so nervös, und mein Wolf schrie förmlich nach ihr.
Meine Pfoten berührten kaum den Boden, ich preschte durch den Wald. Ich musste zu ihr, unbedingt! Alles, wirklich alles von mir, verlangte nach ihr.
Bäume und Büsche sausten an mir vorbei - oder eher, ich sauste an ihnen vorbei. Im Winter hatte mein Bruder Rhys seine Gefährtin gefunden und nun war also ich an der Reihe. Ob sie Melody ähnlich war, oder komplett anders? Melody als Omega hatte es in ihrem früheren Rudel nicht leicht gehabt, aber dank Rhys und unserem familiären Zusammenhalt hatte sie sich schnell im Moonshadowrudel zuhause gefühlt. Gleiches wünschte ich mir für meine Mate - dass sie sich bei uns, oder vielmehr bei mir, zuhause fühlte.
Mein brauner Wolf war zwischen den Baumstämmen schwer zu erkennen - so fiel es mir oft leichter, mich an meine Beute heranzuschleichen. Genau das hatte ich nämlich vorgehabt, bis ich plötzlich dieses Ziehen gespürt hatte. Da ich alleine unterwegs gewesen war, hatte niemand mitbekommen, dass ich gerade drauf und dran war, meine Seelenverwandte zu finden.
Ich fühlte, dass ich sie bald erreichen würde. Ob sie es auch spüren konnte? Seltsam war nur, dass sie mir nicht entgegenkam. Wurde sie aufgehalten? Was auch immer der Grund war, ich würde ihn in den nächsten Sekunden herausfinden, das war mir klar.
Doch als ich sie dann in ihrer menschlichen Gestalt erblickte, dämpfen andere Gefühle meine eben noch riesengroße Freude.
Sie war wunderschön, keine Frage. Die schönste Frau, die ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Ihre blonden Haare fielen wie ein rauschender Wasserfall über ihre Schultern. Leichte Wellen umrundeten ihr verschwitztes Gesicht. Sie stützte sich mit den Händen an einem Baumstamm ab, krallte ihre Fingernägel in die Rinde hinein, die sich immer mehr zu ihren Krallen formten.
Keine Ahnung, ob sie mitbekam, dass ich nur wenige Meter von ihr entfernt stand, aber sie war gerade anderweitig beschäftigt.
In meinem Oberkörper zog sich etwas schmerzhaft zusammen. Es war mein Herz.
Meine Mate gebärte hier im Wald alleine ein Kind.
Ich schluckte einen dicken Kloß hinunter, wollte am liebsten meinen Schmerz in die Welt schreien. Wer wohl der Vater war? Wieso sie alleine war? Ob sie mich als Gefährten dann überhaupt wollte? Tausende Fragen fegten wie ein Hurrikan durch meinen Kopf.
Sie hob unvermittelt den Kopf, schaute genau in meine dunkelbraunen Augen. Erschrocken, doch gleichzeitig ziemlich überrascht, starrte sie mich an. Ich konnte ihren donnernden Herzschlag hören, als würde ich direkt neben ihr stehen.
Das war der Moment, wo ich wusste, dass ich ihr helfen musste. Helfen sollte. Was auch immer später herauskam, ich durfte sie jetzt nicht im Stich lassen, denn es machte ganz den Anschein, als wäre sie das schon viel zu oft.
Also eilte ich an ihre Seite, drängte meinen Wolf noch weiter in mich hinein, als ohnehin schon, und versuchte ihr beizustehen. Ich verwandelte mich in meine menschliche Gestalt zurück und stand ihr genauso nackt gegenüber, wie sie mir.
"Mein Name ist Derek, und ich werde einen unserer Heiler rufen", sagte ich zu ihr, da ich das unmöglich gänzlich alleine schaffen wollte.
Stefan, bitte komm! Ich habe meine Mate gefunden, aber sie ... bekommt gerade einen Welpen. Nimm alles mit, was du brauchst, aber bitte beeile dich!
Dieses wunderschöne Geschöpf betrachtete mich weiterhin schockiert und den Tränen so verdammt nahe. Welche Entscheidung wir später auch immer trafen, jetzt ließ ich sie ganz sicher nicht alleine.
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Sommerliebe | ✔️
Loup-garouMoonshadow-Reihe ~ Band 3 Eine Werwolf-Kurzgeschichte Derek hat sich sein erstes Zusammentreffen mit seiner Gefährtin definitiv anders vorgestellt. Jedenfalls nicht so, dass er sie alleine gebärend im Wald vorfindet. Auch seine Seelenverwandte ist...