Durch das offene Tor der Akademie scheinen hunderte von Anwärter zu gehen. Es ist so groß, das wohl ein Drache hindurch gepasst hätte. Viele der Anwärter unterhalten sich aufgeregt, andere wiederum setzen ängstlich einen Fuß vor den anderen. Ich sehe gebannt dabei zu, wie sie durch den Torbogen hindurch laufen, ihren Namen einem Magier nennen und dann in Richtung des Gartens verschwinden.
"Ab hier kann ich dich nicht weiter begleiten. Viel Glück. " Jace sieht mich nicht an. Sein Blick ruht noch kurz auf den Turmspitzen der Akademie, ehe er sich die Kapuze tiefer ins Gesicht zieht und sich seinen weg zur Seitenstraße bahnt. Etwas zieht sich in mir zusammen, doch ich verdränge es. Jace hat sich entschieden, sich von seiner Verpflichtung abzuwenden. Auch wenn es bedeutet, dass er als Verräter gebrandmarkt ist. Er ist ein guter Freund von mir geworden, aber ich kann nicht für ihn über sein Leben entscheiden. 'Nun verliere ich ihn also'.
Zum letzten Mal überprüfe ich meine Schienen, sowie auch den Sitz meines Stockes, ehe ich tief durchatme und mich in Bewegung setze. Vor mir befinden sich noch zwei weitere Anwärter, die dem Magier ihre Namen nennen. Seiner blauen Robe nach zu Urteilen ist er ein Alchemist. Auch er trägt ein Amulett um den Hals, nur seines beinhaltet einen blauen Kristall. Ich frage mich, was es mit diesen Amuletten wohl auf sich hat. Sie sind wunderschön, keine Frage, doch das kann bestimmt nicht ihr einziger Zweck sein.
"Name?" Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und sehe den Alchemisten an. "Aideen". Er mustert mich kritisch mit seinen braunen Augen und schreibt meinen Namen auf ein Stück Pergament. Dabei fallen ihm die langen Dreadlocks ins Gesicht. Er hat eine dunklere Hautfarbe als es bei den Bewohnern von Anghara üblich ist. Seine Eltern scheinen aus den südlichen Provinzen zu stammen, welche an die große Praire-Wüste grenzen, die eine natürliche Barriere unseres Reiches darstellt. "Der kranke Rabe kommt an unsere Akademie. Wer hätte das gedacht." Er sieht mich belustigt an. Empört hole ich Luft, um etwas zu erwidern, doch da erklingt eine zornige Frauenstimme. "Anstatt auf deine dummen Sprüche solltest du dich lieber auf deine Arbeit konzentrieren, Idiot! Wärst du ein fähiger Alchemist, würden sie dich wohl kaum das Protokoll schreiben lassen!"
Eine junge Anwärterin mit geflochtenem, feuerrotem Haar bleibt neben mir stehen. Ihre intensiv grünen Augen heften sich auf den Alchemisten, der ihren Blick herausfordernd erwidert. "Du wirst sehen, dass der Krüppel nicht lange bestehen wird. Sie ist eine reine Zeitverschwendung", gibt er gereizt von sich und hebt ergeben die Hände. Die Anwärterin verpasst ihm eine, packt mich dann wortlos an der Hand und zieht mich mit sich. Ich stolpere hinter ihr her und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Als wir am Springbrunnen der Akademie ankommen, bleiben wir stehen. "Entschuldige mein Eingreifen, aber ich kann ihn nicht ausstehen", sagt sie genervt und sieht mich lächelnd an. "Ich bin übrigens Grace." Mein Blick fällt auf ihre Kleidung. Sie trägt eine Rüstung die aus roten Drachenschuppen gefertigt ist. Das lederne Material schmiegt sich perfekt an ihre weiblichen Rundungen. Ich erwidere ihr Lächeln. "Danke für deine Hilfe. Ich bin Aideen." Grace zeigt auf ihre Rüstung. "Mega, nicht wahr? Mein Vater ist ein Drachenreiter. Er hat mir die Rüstung aus den Schuppen seines Drachen Maktan anfertigen lassen. Wie sieht es mit deinen Eltern aus?" Ein unangenehmer Stich scheint mein Herz zu durchbohren. Ich schüttel abwehrend den Kopf. "Sie sind schon lange tot. Ich habe ohne sie aufwachsen müssen." Man sieht ihr deutlich an, dass sie diese Frage bereut. "Verzeih mir bitte, das wusste ich nicht", murmelt sie und senkt den Kopf. Ich lege eine Hand auf ihre Schulter. "Schon gut. Dafür habe ich jetzt eine Freundin gefunden." Grace nickt aufgeregt. "Ich bleibe an deiner Seite, darauf kannst du Gift nehmen!"
"Bist du auch Anwärterin im ersten Jahr?", frage ich sie, als wir uns auf den Weg zum Versammlungsort machen. Dabei gleitet mein Blick über den Garten bis zur Akademie. Die Pflanzen gehen symmetrisch angeordnet vom Springbrunnen in der Mitte des Platzes ab. Über jedem der Beete schwebt ein magisches Wehrlicht und ich erkenne sogar ein paar Labibeersträucher. Doch noch beeindruckter bin ich von der Akademie. Sie besteht aus anthrazitfarbenen Steinen und ist noch viel größer, als es von der Ferne den Anschein hat. Eine Treppe führt zu einem weiteren Tor, neben dem rechts und links zwei Türme platziert sind, deren goldene Spitzen das Licht reflektieren.
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Drakon - Im Bann der Schattenfesseln
FantasyIm Reich der sieben Sonnen gibt es nur eine Regel: Beschütze es oder stirb. Mit Vollendung ihres zwanzigsten Lebensjahres tritt Aideen der Akademie bei, wo sie sich entscheiden muss, welchen Weg der Magie sie bestreiten möchte: Krieg, Heilung, Alch...