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Im Bus setze ich meine Kopfhörer auf und starre aus dem Fenster.

Was wollte der Polizist bitte von mir in der Schule? Es ist sein Job Menschen zu helfen, deswegen hat er so gehandelt. Eigentlich interessiere ich ihn garnicht. Auch nicht was mit mir los ist.

Alle sollen mich doch einfach in Ruhe lassen. Sie würden es so oder so nicht verstehen.

Ich höre wie meine Haltestelle durchgesagt wird und steige aus. Schnell ziehe ich mir die Kapuze über den Kopf und mache mich auf den Weg. Durch die Dunkelheit der Gassen laufe ich, bis ich an einem runtergekommenen Hochhaus ankomme.

Daraufhin gehe ich rein und suche Aaron. Schnell finde ich ihn im zweiten Stock und räuspere mich.

„Ah hey kleiner, ich hab schon auf dich gewartet. Komm her, ich zeig dir was ich für dich hab." , sagt er freundlich zu mir und winkt mich zu sich.

Aaron ist zu mir immer sehr nett, da er weiß wie mein Vater drauf ist. Er hat Mitleid mit meiner Situation und macht mir immer Rabatte.

„Hi, sorry hat ein wenig länger gedauert. Er hat es mir erst vor einer Stunde gesagt.", entschuldige ich mich bei ihm.

„Keine Sorge, das hab ich mir schon gedacht. Also, ich habe hier zwei Gramm Koks für dich. Drei Flaschen Wodka und zwei Flachen Rum. Außerdem hab ich 5 Gramm Gras für deinen Vater. Insgesamt würde ich dir ein Angebot von 200€ machen. Mehr kann ich leider echt nicht runter gehen, sorry Kumpel.", erzählt er mir.

Das er schon wieder so viel bestellen musste bei Aaron, ist ja wieder typisch für ihn. Zum Glück gehe ich nebenbei arbeiten und kann es so einigermaßen finanzieren. Ich gebe Aaron sein Geld.

„Alles klar, vielen Dank. Hast du auch was für mich?", frage ich hoffend.

„Klar kleiner, hier hast du deine Schmerzmittel. Teil sie dir aber ein, das Zeug ist echt nicht leicht zu bekommen. Außerdem hab ich dir auch noch fünf Gramm Gras besorgt.", zwinkert er mir zu.

„Du bist der Beste. Wie viel kriegst du für meine Sachen noch?", erwidere ich erleichtert.

Ohne diese starken Schmerzmittel würde ich das alles nicht mehr aushalten. Ich würde meinen Bruder nicht mehr beschützen und versorgen können. Nur mit Schmerzmitteln schaffe ich es durch den Tag. Davon weiß aber niemand.

Außerdem habe ich seit kurzem auch angefangen ab und zu einen Joint zu rauchen, einfach um mal abschalten zu können. Seit dem hole ich mir immer öfter auch selbst Gras bei Aaron.

„Du brauchst mir nicht geben. Ich schenke dir die Sachen dieses Mal, also geh sparsam damit um. Pass auf dich auf und achte auf die Polizei draußen, nicht das du mit so viel erwischt wirst.", warnt er mich und lächelt mich an.

„Vielen Dank. Ich danke dir wirklich und ich werde schon aufpassen. Schließlich mache ich das nicht zum ersten Mal.", sage ich und grinse traurig.

Ich packe alles zusammen und verabschiede mich von ihm. Die Kapuze ziehe ich mir beim verlassen des alten Gebäudes noch weiter ins Gesicht. Schnell mache ich mich auf dem Weg zur Bushaltestelle.

Als ich ankomme muss ich zehn Minuten auf den Bus warten und setze mich deshalb dort hin. Ich merke wie mehrere Autos an mir vorbei fahren, diesen schenke ich aber keine große Aufmerksamkeit.

Als ich auf einmal höre, wie ein Auto direkt vor der Bushaltestelle zum stehen kommt. Eine Person steigt aus. Aus Neugier gucke ich nach oben und sofort werde ich ganz blass.

Es war Tim, der Polizist aus der Schule.

Natürlich muss ich ihn ausgerechnet jetzt treffen. Schlagartig wird mir bewusst wie viele Drogen und Alkohol ich in meinem Rucksack habe. Schnell schaue ich nach links und nach rechts und suche nach einer Flucht Möglichkeit.

Da ist es aber schon zu spät. Er kommt vor mir zum stehen und schaut mir direkt in die Augen mit einem verwirrten Gesichtsausdruck.

Ich darf mir jetzt bloß nichts anmerken lassen und ruhig bleiben. Schnell denk dir irgendwas aus Finn. Das kann doch nicht so schwer sein. Er muss es mir einfach nur abkaufen.

„Finn? Was machst du denn hier in diesem Viertel? Alles okay bei dir?", fragt der Polizist Stirn runzelnd.

„Ja alles gut. Ich hatte immer noch Kopfschmerzen und bin dann nach der Schule im Bus eingeschlafen und dann erst hier wieder aufgewacht. Deswegen warte ich jetzt hier auf den Bus um nach Hause zu kommen", lüge ich ihn an.

Besorgt und mitleidig schaut er mich an. Er scheint mir zu glauben. Vermutlich, weil ich der Krankenschwester in der Schule schon gesagt habe, dass ich Kopfschmerzen habe. Das wird mir gerade echt zum Vorteil.

„Oh, das ist aber Blöd. Wenn du solche Kopfschmerzen hast solltest du nicht noch mit dem Bus fahren müssen. Nicht das du wieder im Bus einschläfst. Komm ich fahr dich nachhause.", schlägt er mich freundlich vor.

Ich verstecke meine Hände in meinem Pulli, um zu verstecken wie meine Hände zittern. Wieso will er mich denn jetzt nachhause fahren? Muss er nicht noch andere Sachen erledigen? Nicht das er doch heraus findet was in meinem Rucksack ist. Mein Vater darf ihn auch nicht sehen, sonst gibt es Ärger.

„Alles gut, brauchst du nicht. Es ist nicht so weit und du hast sicher noch andere Sachen zu erledigen. Ich fahre einfach mit dem Bus.", lehne ich freundlich ab.

„Nichts da. Ich möchte dich gerne fahren. Die anderen Sachen können warten, du bist mir wichtiger.", erwidert er.

Durch seine Worte wurde ich leicht rot. Warum sagt er das denn so?! Klingt ja fast so als ob er sich wirklich um mich sorgen würde. Die Gedanken verdränge ich schnell wieder. Keiner interessiert sich für mich, vor allem nicht so ein gut aussehender Polizist. Schnell schüttel ich  den Kopf um die Gedanken los zu werden.

„Na gut, wenn du unbedingt willst.", antworte ich und verdrehe dabei die Augen.

Ich stehe auf und gehe gemeinsam mit ihm zu seinem Dienstwagen. Als wir im Auto sitzen guckt er mich abwartend an.

Mit einer angehobenen Augenbraue gucke ich ihn verwirrt an. Was will der denn jetzt schon wieder? Warum guckt er mich so an?

„Ich brauche deine Adresse, damit ich weiß wo ich dich absetzen muss, Kleiner.", lächelt er mich an.

Innerlich schlage ich mir die Hand vor den Kopf. Wie dumm bin ich denn, er weiß nicht wo ich wohne. Vor Scham werde ich ganz rot im Gesicht.  Er hat mich auch noch 'kleiner' genannt, wie peinlich.  Schnell gebe ich ihm die Straße und er fährt los.

Im Hintergrund läuft leise das Radio und ich schaue während der Fahrt aus dem Fenster.

Mein Leben ist so erbärmlich. Er muss seine Zeit extra opfern, weil ich zu dumm bin um aufzupassen das mich keiner sieht. Bestimmt hat er eigentlich viel wichtigere Sachen zu tun.

Wie mein Vater wohl gleich reagieren wird, wenn er sieht wie ich nachhause komme? Wird er mich wieder schlagen?

Ich merke garnicht wie Tim mit mir redet, erst als er mich von der Seite antippt.

„Wir sind da. Wo bist du denn nur mit deinen Gedanken?", mustert er mich.

„Ah sorry. Ich war einfach in Gedanken. Danke fürs fahren. Tschüss.", verabschiede ich mich und will gerade aussteigen als er mich festhält.

„Hier nimm das. Das ist meine Nummer, wenn irgendwas sein sollte, du kannst mich jederzeit anrufen. Egal wann. Tschüss.", damit lässt er mich los und ich steige endgültig aus.

Verwirrt blicke ich auf den Zettel in meiner Hand und stecke ihn in meine Tasche. Dann gehe ich in mein Haus und höre noch, wie er wegfährt.

Ich hole meinen Schlüssel raus und gehe rein.

VerzweiflungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt