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Entschlossen drehte ich mich wieder um und ging auf das Buch zu. Und auf das Mädchen.

Woher wusste sie das mit der Teleportation? Woher das Bild?

War es vielleicht einfach nur Zufall, dass sie genau dieses Buch las? Und dass sie den Versuchsraum mit dem Mann und meiner Mutter gezeichnet hatte?

Oder war sie vielleicht auch da gewesen und hatte einfach nur das gezeichnet, was sie von ihrem Versteck aus gesehen hatte?

Wieder an ihrem Platz, setzte ich mich ihr gegenüber und sah sie an. Daraufhin hob sie den Kopf und runzelte die Stirn. »Was?«, raunte sie.

Fieberhaft überlegte ich, was ich jetzt sagen sollte, damit ich das Thema irgendwie auf ihr jetzt wieder aufgeschlagenes Buch lenken konnte. »Ich habe gesehen, dass du Interesse an Teleportation hast.« Wow! Echt super Kaya. Ein toller Einstieg in ein Gespräch.

Das Mädchen rückte ihre Brille erneut zurecht und wirkte nervös. Ihre Hände krallten sich um das Cover und schienen es beschützen zu wollen. Etwa vor mir?

»Warum willst du dich mit mir darüber unterhalten, Kaya Hansch?«, fragte sie misstrauisch, ihre Augen verengten sich drastisch.

Ich runzelte die Stirn. Meinen Namen hatte ich ihr nie gesagt. Also fragte ich natürlich direkt, woher sie ihn wusste – noch dazu meinem Nachnamen – und beobachtete ihre Reaktion, während ich auf eine Antwort wartete.

Sie seufzte murrend und sah wieder in das Buch. Den Blick hob sie kein einziges Mal, ihre blonden Locken fielen ihr ins Gesicht. Hatte sie meine Frage überhaupt gehört?

»Man schnappt in den Fluren und auf dem Hof einiges auf«, antwortete sie mir auf einmal doch, auch wenn es eine Weile gedauert hatte, und zwang sich zu einem Lächeln, als sie mich kurz eines Blickes würdigte. Wie nett!

Eine unangenehme Stille machte sich zwischen uns breit. Man konnte deutlich sehen wie es in ihrem Kopf zu rattern begann, dann sah sie mich an und fragte: »Warum interessierst du dich dafür?«

»Das Gleiche könnte ich dich fragen«, antwortete ich schnell mit einer Gegenfrage, um davon abzulenken, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte.

Ein stumpfes Lächeln huschte über ihre Lippen, als hätte sie mit so etwas gerechnet, und sie musterte mich einige Sekunden, bevor sie aufstand und mir das Buch zuwarf. Ich konnte es im rechten Moment noch fangen. »Viel Spaß damit. Ich bin hier fertig. Einen schönen Tag noch, Kaya Hansch«, sagte sie mit einem zufriedenen Schmunzeln, drehte sich elegant um und ging.

»Und hey«, rief sie mir noch nach und blieb kurz stehen, als ich gerade meine Sachen zusammensammelte: »Pass etwas mehr auf. Das heute Morgen war sehr unvorsichtig. Jemand hätte dich sehen können.« Es war wahrscheinlich ein Ratschlag, auch wenn sie es wie eine Drohung aussprach. Ich schluckte.

Schnell nahm ich meine Sachen und drehte mich von ihr weg. Mindestens genauso schnell wollte ich mich gerade nach draußen begeben, aber ein dunkles Augenpaar nahm mich auf der Stelle in seinen Bann. Ein Augenpaar, welches ich unter tausenden wiedererkennen würde.

Mike stand mit einem Buch in den Händen vor einem der Regale. Dem Buch schenkte er jedoch keine Beachtung, sondern mir. Kaya Hansch. Dem schüchternsten Mädchen der Welt. Sofort begann sich in meinem Bauch ein Gefühl der Wärme auszubreiten, meine Hände wurden feucht und mein Hals ganz trocken.

Denn immer noch weilte sein Blick auf mir, als hätte er mich die ganze Zeit beobachtet. Hatte er das? Wie lang stand er schon da?

Auf einmal hörte ich etwas schwer und laut auf den Boden fallen und zuckte zusammen, nachdem ich die ganze Zeit wie ein Stein dagestanden hatte.

Green Blood-LESEPROBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt