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Hastig nach Luft schnappend riss ich meine Augen auf.

Was war passiert? War ich tot?

Ich spürte das Heben und Senken meiner Brust, also musste ich noch am Leben sein. Meine Finger wanderten über meinen Körper, um ganz sicher zu sein. Das Gefühl der Erleichterung machte sich in mir breit. Ich war tatsächlich noch am Leben. Aber wie? Der Mann hatte mich bestimmt so lang unter Wasser gedrückt, dass ich eigentlich tot sein sollte. Ich schauderte bei dem Gedanken und tastete mit meinen Fingern langsam über etwas Weiches neben mir. Nein, nicht neben mir. Ich saß darauf. Eine Decke.

Endlich wagte ich es mich umzusehen und ließ meinen Blick durch den Raum wandern. Ich befand mich in meinem Zimmer. Auf meinem Bett. Lebend.

Mein ganzer Körper war wie aus Eis und meine Hände krallten sich, bei dem Gedanken in Sicherheit zu sein, immer tiefer in meine Decke. War alles nur ein Traum gewesen? Ich hatte mir das bestimmt nur eingebildet und war eben erst aufgewacht. Ja, so musste es sein. In fester Überzeugung bemerkte ich nun mein nasses Haar und schrak unwillkürlich zusammen, während mir die Bilder durch den Kopf schossen.

Wie in Trance ging ich zur Tür und öffnete sie, erreichte die Treppe, krallte mich förmlich in das Geländer, und machte mich auf den Weg nach unten. Ich war in unserem Haus. Mit der langweiligen Küche und dem kleinen Wohnzimmer daneben. Ich atmete erleichtert auf.

Erinnerungsfetzen kamen langsam zurück, und ich bemerkte, dass ich mir in meiner Panik gewünscht hatte, hier zu sein. Zuhause, wo es sicher war. Der Spiegel, an dem ich nun vorbeiging, hing auch noch dort, wo er immer hing. Abrupt stoppte ich, als ich mich selber sah und wich einige Schritte zurück.

Ich trug genau dasselbe, was ich gestern getragen hatte. Mein dunkles, armlanges Shirt, meine dreckige Cordhose und meine weißen Schuhe. Mein schwarzes, sonst so schönes langes Haar war total zerstört und stand mir in alle Richtungen ab. Meine Augen wurden wieder größer, als ich meine Schulter frei legte und einen Abdruck erkennen konnte, der sich allmählich blau färbte. Sofort schossen mir wieder die Bilder von dem Mann in den Kopf, der mich dort gepackt und in die Waschräume geschleift hatte. Nein. Nein. Bitte lass es nicht wahr sein. Bitte nicht!

Tränen schossen mir in die Augen, bis ich sie schließlich nicht mehr halten konnte. Unkontrolliert begann ich zu zittern und zu schluchzen, bis ich mich einfach auf den Boden vor dem Spiegel fallen ließ und meine elende Verfassung betrachtete, die ich vor mir sah. Da schossen mir Erinnerungsfetzen durch den Kopf, gefolgt von einer Frage.

Wo war Mama?

Blitzschnell war ich auf den Beinen und rannte nun – wahrscheinlich wie eine Bekloppte – durch die Küche in das Wohnzimmer, und von dort weiter nach oben in ihr Schlaf- und Arbeitszimmer. Sie war nirgends zu finden.

Der Mann hatte sie bewusstlos geschlagen, ja genau. Und dann, war sie einfach verschwunden. Aber wohin? Warum war sie nicht schon wieder zuhause? Ich suchte nach einer möglichen Erklärung für ihr fehlen. Vielleicht war sie im Krankenhaus? Bestimmt hat sie jemand dorthin gebracht. Ich musste sofort da hin.

Eilig rannte ich wieder hinunter und suchte in einer kleinen Schale nach meinem Schlüssel. Komm schon. Wo bist du?

Endlich fand ich ihn und hielt ihn triumphierend in meiner Faust, während ich zur Tür jagte. Es gab nur ein Krankenhaus in der Umgebung, und das befand sich... eine Stunde entfernt. Eine Stunde! Was?! Das dauerte zu lange. Ich musste sofort zu ihr. Aber wie?

Reiß dich zusammen, Kaya. Du findest schon eine Lösung. Du musst. Für deine Mutter. Sie zählt auf dich.

Ich atmete einige Male tief durch und konzentrierte mich auf meine Atmung, die immer langsamer zu werden schien. Endlich erinnerte ich mich auch nicht mehr nur an Bruchstücke, sondern an alles. Dass ich mich in den Versuchsraum geschlichen und gesehen hatte, wie sie mit einem jungen Mann mit braunen Haaren und blauen Augen ein Experiment gemacht hatten. Sie hatten ihm etwas gespritzt. In meinen Erinnerungen blitzte eine leere Spritze auf, die er in der Hand gehalten hatte, nachdem...er hatte es mir auch gespritzt, oder? Ganz sicher war ich mir nicht, aber...da war die leere Spritze. Ich schluckte.

Green Blood-LESEPROBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt