Während Hannibal mit seinem Daumen über Cloes Hand strich und eine beruhigende Wirkung auf sie erzielte, stammelte er einige Worte aus und versuchte scheinbar, seine Gedanken zu ordnen und seinem Instinkt und Intellekt zu folgen. Er schien darauf besonders vertraut zu reagieren.
,,Cloe, wenn du möchtest, was ich sehr hoffe und begrüßen würde, kannst du vorerst bei mir wohnen. Mein Haus ist groß genug, es wäre niemand da, der dich stört, ich richte dir das Gästezimmer nur kurz auf und dann bist du sicherer. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert, dass du alleine bist und in einem Sumpf aus tausenden Gedanken ertrinkst. Das kann man keinem Menschen, auch nicht dir, zumuten." Nach diesen Worten von Hannibal löste Cloe sich aus der Schockstarre, welcher sie nach dieser Nachricht Jacks ausgesetzt war und blickte Hannibal sehr glücklich in die undurchlässigen Augen.
,,Aber das wäre doch ein viel zu großer Aufwand. Eine Person mehr zu versorgen, ist nicht gerade das schönste, was einem passieren kann. Ich komme schon klar, ich wäre sowieso nur eine Belastung."
,,Das macht mir rein Garnichts. Ich möchte nur nicht, dass du irgendwo alleine bist. Außerdem, selbst wenn du eine Belastung wärst, komme ich damit klar, ich bin Psychiater, ich verstehe das alles." Cloe war etwas verunsichert, denn sie wollte keine Umstände bereiten, doch andererseits gab ihr Hannibal ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, welcher während seiner Bemerkung lachend mit dem Kopf schüttelte, um Cloe die Beängstigung abzunehmen und auf eine zuversichtlich Cloe hoffte.
,,Aber ich bestehe darauf, dass ich das wieder gutmachen kann, mit einem Abendessen oder etwas anderem."
,,Wir finden da schon eine Lösung. Gut, Mr. Crawford, wenn das nun alles ist, gehen wir jetzt."
,,Das wäre alles, ich schaue in den nächsten Tagen nochmal vorbei und melde mich, wenn es etwas neues gibt. Aber passen sie auf Cloe auf." Hannibal stand auf, nahm ihre Tasche und ging los. Cloe verabschiedete sich nochmals von Jack und folgte ihm. Zusammen stiegen sie in seinen wunderschönen silbernen Bentley mit Ledersitzen und fuhren durch einen leichten Sturm, in dem die Sonne wieder aufging. Ein Neubeginn? Es war eine ungewohnte Situation für Cloe, nun mit einem ihr nicht bekannten Menschen und keinen Menschen, welcher dem Staat diente, im Auto zu sitzen, um in eine ungewisse und verdunkelte Zukunft zu fahren.
Der Wagen holperte über eine Bodenwelle und wurde kräftig durchgeschüttelt, sodass Cloe schlecht wurde. Hannibal bog um die nächste Kurve auf ein großes Grundstück und erkundigte sich immer wieder mit kontrollierten Blicken nach ihrem Befinden. An dem Haus hielt er an.
Nervös stieg Cloe aus und verlagerte ihr Gewicht von einem aufs andere Bein. Sie fühlte sich verunsichert und umrundete das Haus, um sich einen besseren Eindruck zu machen. Dabei erinnerte sie sich an ein letztes Mal, als sie so zittrig und wacklig ein Haus betrat. Es war nicht dasselbe Haus, in dem sie gestern Nacht war. Hohe Fenster, zwei Stockwerke, ein angrenzendes kleines Haus, vermutlich seine Praxis, ein großzügiger Garten und eine alte Fassade. Sie betrachtete die Bäume, wie sich ihre durch den Herbst gefärbten Blätter in der kühlen Abendbrise wiegten. Das Äußere sprach von hoher Qualität, was auch nicht anders zu erwarten war, bei diesem Menschen im perfekt geschnittenen Anzug. Ausschließen, Einschließen, Verschließen, Isolieren. Das versuchte Cloe erneut, um ihren plötzlichen Gedankenwechsel von dem beeindruckenden Haus auf Hannibal Lecter zu verhindern. Es war immer die Antwort, wenn sie Gefühle und Gedanken unterdrücken wollte. Sie sah zu ihm, wie er ganz selbstvergessen da stand, den Kopf in den Nacken gelegt, sodass Cloe gerade noch seine Nasenspitze erkennen konnte. Der Mund war fest verschlossen, als würde er an etwas unangenehmes denken. Gerade, als sie sich von diesem Anblick losreißen wollte, öffnete er die Augen. Er blickte mit lodernden Flammen in den Augen zu ihr, scheinbar aber noch immer abwesend. Ihr wurde mulmig zu mute und befürchtete etwas schlimmes, so wie sie immer das Schlimmste im Menschen sah. Hannibal wartete am Auto, bis Cloe ihren Rundgang beendet hatte. Gelangweilt von ihrem bisherigen Leben, betrat Cloe wieder festen Boden und schritt zu Hannibal.
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Der Anfang von unserem Ende
Mystery / ThrillerAls Cloe mit Blut an der Kleidung vor ihm steht, muss er handeln. Sie verliert durch ihn den Realitätsbezug, denn sie weiß, was er ist. Cloe eifert Hannibal mehr und mehr nach und aus einer Beziehung auf therapeutischer Ebene entwickelt sich etwas e...