dreißig

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Die nächste Woche war schwer.
Einerseits, weil ich mich so unglaublich nach Lucius verzehrte, dass ich kaum noch denken konnte und andererseits, weil ich mir von niemandem etwas anmerken lassen durfte.
Gott sei Dank lag die Aufmerksamkeit der meisten Schüler auf dem Julball, der... nun ja, heute Abend stattfinden sollte.
„Und mein Kleid...", begann Pansy neben mir und ich driftete ab. Ich kannte ihr Kleid, schließlich hatte ich es mit ihr zusammen gekauft. Blaise hatte es aufgegeben, seinen Anzug auf ihr Kleid abstimmen zu wollen, da Pansy es beinahe wie ein Hochzeitskleid behandelte.
Als er einmal in unser Zimmer gekommen war, hatte sie tatsächlich angefangen zu kreischen.
Draco sah mich müde an und ich versuchte mich an einem Lächeln. Ich hatte ihn die letzte Zeit so gut es ging gemieden, weil er mich von meinen Freunden am besten kannte. Wenn ich komisch war, merkte er es.
Aber als er mich jetzt ansah, wusste ich nicht, ob es gut gewesen war, ihn allein zu lassen. Er sah schlimm aus. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, ob er seit Anfang des Jahres auch nur einmal ausgeruht gewirkt hatte.
„Kommst du kurz mit?", fragte ich Draco und er nickte verwirrt. Er folgte mir aus der Bibliothek in den Flur davor und lehnte sich gegen die Wand.
„Was ist los?"
Mein Herz brach ein wenig. Ich hatte ihn nicht gut behandelt.
„Ich glaube, es ist ewig her, dass wir geredet haben. Wie geht es dir?"
Er schnaubte. „Ich denke, das siehst du." Kurz deutete er auf sich. Sein Hemd saß nicht mehr passend, sondern hing an ihm herab. Ich biss auf meine Zunge.
„Deshalb frage ich, Draco."
Er brummte etwas unverständliches und ich runzelte die Stirn.
„Was?"
Wütend sah er mich an. „Du bist eine Heuchlerin. Ich wollte mit dir reden, ich habe gesagt, dass ich dir etwas wichtiges sagen muss. Und du hast mich vergessen, Maude."
„Es tut mir leid, Draco", antwortete ich leise und er fuhr durch seine Haare.
„Ich weiß, Maude. Du bist zu lieb, um irgendetwas böse zu meinen." Seine Worte klangen nett, aber sein Ton war es nicht. Als ich ihn ansah, wusste ich, dass es sich nicht gegen mich richtete. Draco sah mich kurz an. „Ich kann nicht mehr."
Ich wartete, ob noch etwas kommen würde, aber Draco schwieg. „Was kannst du nicht mehr?", fragte ich leise und drückte seine Schulter sanft.
Als er seinen Mund öffnete, um es mir zu sagen, kam eine Schülergruppe an uns vorbei. Sie kicherten, als sie mich neben Draco sahen und ich verdrehte meine Augen.
„Zweitklässler sind schlimm."
Draco reagierte nicht darauf. „Ich will dir den Julball nicht verderben. Lass uns uns morgen treffen, dann erzähle ich dir alles. Aber bitte, vergiss mich nicht." Sein Tonfall klang so flehend, dass ich ihn kurz in meine Arme zog.
„Versprochen", flüsterte ich leise und Draco nickte knapp.
Er rang sich ein Lächeln ab. „Ich glaube, du musst dich jetzt umziehen, schließlich führst du den ersten Tanz an, nicht wahr?"
Ich erwiderte sein Lächeln ehrlich. Ich freute mich darauf mit Lucius zu tanzen. Also nickte ich Draco zu und verschwand in mein Schlafzimmer.

Klassische Musik drang durch die Türspalten in meinen Raum und ich steckte die letzte Strähne meines Haares fest. Das helle Grün des Kleides ließ meine Haut strahlen und ich drehte mich zufrieden im Spiegel. Ich sah gut aus.
Pansy riss die Tür auf und schnappte nach Luft.
„Gott, Maude, du siehst atemberaubend aus!"
Ich grinste und drehte mich einmal um die eigene Achse. Der luftig Rock wirbelte um meine Beine und ich begann zu kichern. Ich liebte Kleider wirklich.
Dann hob ich meinen Blick und sah Pansy weich an.
„Du siehst auch unglaublich aus." Das stimmte. Das warme Violett ihres Kleides ließ sie weicher und nicht ganz so kantig erscheinen und schmeichelte ihr ungemein. Sie knickste vor mir.
„Bereit, alle Anwesenden zu umgarnen?" Sie wackelte mit den Augenbrauen und ich grinste.
„Sowas von."

Wir liefen die steinerne Treppe nebeneinander hinab. Die Schüler neben uns hielten die Luft an, als sie uns sahen und ich lächelte zufrieden.
Und als ich sah, wer unten an der Treppe stand, um mich zum Tanz zu begleiten, stockte mein Atem.
Lucius sah atemberaubend aus. Sein Haar glänzte im Licht der Kerzen und sein Anzug ließ ihn noch aristokratischer wirken, als er ohnehin schon war.
Seine Augen glänzten, als er mich sah und ich ging automatisch schneller. Beinahe atemlos kam ich vor ihm zum stehen.
„Maude", sagte er leise, seine Stimme klang belegt. Schnell räusperte er sich und bot mir seinen Arm an. Den falschen. Er merkte den Fehler und wechselte ihn mit roten Wangen.
Ich lächelte und hakte mich bei ihm unter. Er beugte sich zu mir und sein warmer Atem kitzelte mein Ohr.
„Du siehst unglaublich aus", hauchte er und meine Knie wurden ganz weich.
„Du auch", erwiderte ich leise und er lächelte. Die Schüler strömten an uns vorbei in den Saal und Pansy lächelte mir aufgeregt zu, bevor sie von Blaise weitergezogen wurde. Draco nickte mir vorbeigehen zu, seine Tanzpartnerin im Arm. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie sie hieß. Ich blieb mit Lucius zurück, bis wir allein vor den gewaltigen Toren der großen Halle standen.
„Bist du bereit?", fragte Lucius mich und sah zu mir herab. Sein Blick war so liebevoll, dass meine Wangen ganz rot wurden. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft.
„Ja", antworte ich leise. Ich hörte, wie McGonagall mit einem Stock auf den Boden klopfte und für Ruhe sorgte. Das war wohl unser Zeichen.
Lucius nahm meinen Arm, als das Tor sich öffnete. Die Musik begann zu spielen, ganz leise, kaum zu hören.
Langsam schritten wir durch den Saal, die Augen aller Schüler lagen auf uns. Auf mir. Die sanften Töne der Violinen strichen über meine Haut und ich erschauderte. Ich sah Lucius an und stockte. Sein Blick hatte die gesamte Zeit über auf mir gelegen.
Er legte seinen Arm an meine Hüfte... Und die Musik wurde lauter.
Wir begannen zu tanzen.
Wie selbstverständlich führte Lucius mich durch den Raum, setzte seine Schritte so selbstsicher, dass ich nicht anders konnte, als ihm zu folgen. Er improvisierte. Er wirbelte mich herum, drehte mich, fing mich auf und hielt mich fest.
Ich konnte kaum atmen. Alles um mich herum verschwamm, als er mich wieder an sich zog und in die gewohnte Schrittfolge überging. Es war unglaublich.
Mein Rock bauschte sich um meine Beine, ich flog beinahe mit Lucius.
Ich hatte noch nie einen Partner gehabt, der so gut tanzen konnte. Bei dem ich mich so sicher fühlte.
Die Musik verschwand hinter mir, als ich ihm in die Augen blickte. Ich fühlte mich, als bekäme ich keine Luft mehr. Sein Blick war so intensiv, dass ich mich an ihm festhalten musste. Er hörte nicht auf, uns zu bewegen.
Immer schneller, immer weiter.
Es war wie im Rausch.
Bis McGonagall mit ihrem Stock auf den Boden klopfte und die Musik unterbrach. Atemlos blieben wir stehen. Ich konnte meinen Blick nicht von Lucius lösen, seine Hand blieb auf meiner Hüfte.
„Ganz unglaublich, vollkommen unglaublich!", rief McGonagall aufgeregt aus und klatschte in die Hände. „Und jetzt bitte alle auf die Tanzfläche!"
Ich hörte ihre Worte kaum.  Lucius zog mich enger an sich und sein Blick glitt zu meinen Lippen. Für einen winzigen Moment dachte ich tatsächlich, er würde mich küssen, hier vor allen Menschen, ihnen zeigen, dass ich zu ihm gehörte, dass ich sein war.
Er tat es nicht.
Stattdessen begannen wir erneut zu tanzen, mit allen Schülern um uns herum. Es war egal, wie viele dort waren. Es gab nur uns beide.
Die gesamte Zeit über hielt sein Blick mich gefangen.

Erst, als meine Beine begannen zu zittern, hörten wir auf. Der Walzer kam mit einem sanften Ausklingen des Pianos zum Ende und Lucius blieb atemlos stehen.
Und dann tat er etwas, das ich noch nie gesehen hatte: Er grinste über sein ganzes Gesicht.
„Lucius", sagte ich fassungslos und lächelte breit. „Grinst du etwa?"
„Ich glaube schon", erwiderte er und lachte, bevor er mich enger an sich zog. „Und ich glaube, du bist der Grund dafür", flüsterte er und mein Lächeln wurde breiter.
Er löste seine Hand von mir und drehte mich gekonnt aus seinen Armen. Die Schüler neben uns waren viel zu sehr in ihre eigenen Tänze und Berührungen vertieft, dass sie es kaum merkten, dass Lucius so gelöst war.
„Möchtest du etwas trinken?", fragte er und ich nickte dankbar. Ich brauchte Luft und Wasser. Das Tanzen hatte seinen Tribut gefordert. Lucius strich unmerklich mit der Hand über meinen Arm, bevor er ging.
Vollkommen aufgelöst stand ich in der Mitte des Raums. Was sollte ich jetzt tun? Glück schien aus mir herauszulaufen und ich lachte unwillkürlich auf. Ich war so aufgeregt, dass mir schwindelig wurde.
„Was ist denn mit dir los?", fragte Blaise neben mir plötzlich lachend und ich fiel ihm und Pansy um den Hals.
„Ich bin einfach nur glücklich", sagte ich grinsend und Blaise schob mir zweifelnd von sich.
„Bist du sicher? Hast du nichts eingenommen?" Mit zusammengezogenen Brauen sah er mich an und Pansy verdrehte die Augen.
„Lass sie glücklich sein. Außerdem war die die gesamte Zeit über bei Professor Malfoy, denkst du, er hat ihr Drogen gegeben?"
„Solche Gedanken verbitte ich mir", ertönte eine kühle Stimme hinter uns und Pansy zuckte zusammen.
„Ich... ich wollte nicht...", stammelte sie, aber Lucius hob bloß unbeeindruckt eine Braue. Pansy wurde rot und sah auf die Erde. Ich unterdrückte ein Grinsen, als sie mir einen Seitenblick zuwarf.
Wirklich, er?
Ich nickte. Ja, er.
Und als er mir das Glas Wasser in die Hand drückte, lächelte er mich für eine Sekunde an. Den Moment, in denen er mir in die Augen sah, nutzten Pansy und Blaise um zu verschwinden.
Verblüfft drehte Lucius sich um. „Waren deine Freunde nicht eben noch hier?"
„Du könntest schon ein wenig netter zu ihnen sein", meinte ich lachend und Lucius sah mich kurz an, ehe er nickte.
„Ich kann er versuchen." Begeistert klang er nicht, aber das war mir egal.
„Dankeschön", hauchte ich leise und sah ihn an. Er biss seine Zähne zusammen.
„Maude, hör auf, mich so anzusehen."
Unschuldig blinzelte ich. „Wie denn?"
Er beugte sich zu mir nach unten und griff nach meinem Handgelenk. „Als würdest du wollen, dass ich dich sofort hier auf der Tanzfläche nehme und allen zeige, wem du gehörst, du..."
„Lucius!"
McGonagall kam auf uns zu und unterbrach seinen Satz. Atemlos riss ich mich von Lucius los, bevor die Gänsehaut von meinem Körper verschwand. Seine Worte... Meine Mitte begann zu pochen.
„Ja, Minerva?" Lucius Stimme war so kühl, dass nicht einmal ich ihn dann ansprechen würde, aber McGonagall schien kein derartiges Problem zu haben.
„Es ist ganz wundervoll, wie du mit Maude getanzt hast, aber könntest du eins der Mädchen dort hinten auffordern?" Sie deutete auf eine Bankreihe mit Mädchen, die sehnsüchtig auf die Tanzfläche blickten.
„Das wäre wohl kaum angemessen", erwiderte Lucius frostig. „Ich habe mit Miss Delacroix getanzt, weil sie keinen Partner gefunden hat und es für das aufrechterhalten der Tradition erforderlich war. Wenn eins dieser Mädchen im nächsten Jahr bei den obligatorischen Tanzstunden keinen Partner findet, dann bin ich natürlich zur Stelle, um den Ritter in der glänzenden Rüstung zu spielen." Sein Sarkasmus suchte seinesgleichen.
McGonagall funkelte ihn an, hatte dem allerdings nichts entgegenzusetzen. Sie neigte kurz ihren Kopf, bevor sie in der Menge verschwand. Lucius zog mich in eine Ecke und presste seine Finger auf seine Nase.
„Wieso hast du nicht mit einem der Mädchen getanzt?", fragte ich und trat ein wenig dichter zu ihm. Ernst sah er mir in die Augen.
„Maude", begann er dunkel, „wenn ich jemals mit einem anderen Mädchen als mit dir tanze, dann ist es, weil du mich dazu zwingst. Ich bin nicht nett. Ich werde dich nicht allein hier stehen lassen, nur damit eins dieser Mädchen, das ich kaum kenne, sich besser fühlt." Sein Arm glitt wieder um meine Hüfte. „Außerdem möchte ich niemanden außer dir anfassen", murmelte er und ich erschauderte. Sanft lehnte ich mich gegen ihn.
„Das klingt sehr schön", erwiderte ich leise und sah ihm in die kristallklaren Augen. „Wollen wir verschwinden?"
Lucius unterdrückte ein Stöhnen. „Glaub mir, Maude, ich würde nichts lieber als das. Aber das ist dein erster Julball. Diese Erfahrung will ich dir nicht nehmen." Er lächelte leicht. „Bleib hier und tanz mit deinen Freunden. Ich bleibe hier und wenn du mich brauchst, dann schau mich einfach an. Ich bin mir sicher, ich werde es merken."
Er sah sich kurz um, bevor er mir einen sanften Kuss auf den Scheitel drückte.
„Hab Spaß, Maude", sagte er sanft, bevor er zu den anderen Lehrern verschwand.
Die Musik wechselte von klassisch zu Party, aber für einen Moment konnte ich ihm nur nachsehen. Dann erst machte ich mich auf die Suche nach meinen Freunden.

𝙼𝚎𝚒𝚗 𝙿𝚛𝚘𝚏𝚎𝚜𝚜𝚘𝚛 || 𝙻𝚞𝚌𝚒𝚞𝚜 𝙼𝚊𝚕𝚏𝚘𝚢Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt