Feuer Frei

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Erschöpft stieg ich mit Lucas aus dem Taxi. Der Abend mit Lisa und ihm war doch recht kurz ausgefallen. Hauptsächlich weil wir alle drei morgen früh arbeiten mussten, doch ich selbst fungierte ebenfalls als derbe Stimmungskillerin. Daher konnte ich den beiden den vorzeitigen Abbruch des Abends wirklich nicht verdenken. Da Lucas sich extra die Mühe gemacht hatte mich nach Hause zu begleiten, stand ich nun etwas unschlüssig vor meiner Tür. Sollte ich ihn noch rein bitten? Mit einem Blick auf die Uhr entschied ich, dass der Abend noch jung war und ich definitiv noch etwas zu trinken brauchte. Da man dafür allerdings Gesellschaft haben sollte, sah ich mich nach ihm um. „Kommst du noch auf einen Absacker rein?"
Sein Kopf legte sich schräg und ein typisches Jungen-grinsen breitete sich aus. „Da musst du doch nicht fragen."
Froh darüber, nicht allein sein zu müssen, lief ich mit ihm in meine Wohnung und suchte, nachdem ich im Wohnzimmer Licht gemacht hatte, nach zwei Gläsern und meinem Lieblings Rum um. Seufzend ließ ich mich neben Lucas auf dem Sofa plumpsen und öffnete die Flasche.
„Wow...harte Geschütze..."
Ich quittiert seinen Kommentar mit einem Grinsen. „Du wirst ihn lieben, vertrau mir."
Er prostete mir mit seinem Glas zu und nippte dann probeweise daran. Überrascht zog er seine Brauen beinahe bis zum Haaransatz. „Verdammt, der ist gut!"
„Siehst du?" Grinsend nippte ich nun auch an meinem Glas und lehnte mich zurück.

„Willst du drüber reden?"
Ich schnalzte missbilligend mit der Zunge und sah aus den Augenwinkeln zu ihm. „Wie ich schon die anderen dutzend male heute Abend sagte: Nein."
Er verdrehte die Augen und stupste mich mit seiner Schulter an. „Es geht um diesen Kerl, oder?"
Er konnte es einfach nicht sein lassen oder? Genervt griff ich zur Flasche und füllte unsere Gläser nach. „Es gibt keinen Kerl!" Noch bevor Lucas sein Glas heben konnte, stürzte ich meins auch schon hinunter.
„Oh es ist also vorbei?"
Verächtlich lachte ich auf. „So was von vorbei!"

Und das würde auch besagter 'Kerl' schon noch merken. Da ich nach der Mittagspause in ein leeres Büro zurückkam und Dante sich bis zum Feierabend nicht blicken ließ, konnte ich für mich selbst meine Gedanken und Gefühle ordnen. Und diese schrien laut nach einem radikalen Cut. Er hatte zwar ein paar Mal angerufen, aber leider war ich genau in diesen Momenten viel zu beschäftigt, um mit ihm zu reden. Beispielsweise mussten meine Büroklammern neu sortiert werden, solche komplexen Aufgaben durften man nicht einfach unterbrechen.
Was gab es da auch noch zu bereden? Seine Verlobte kam hereingeschneit, er ist mit ihr zusammen ab-gerauscht...

Er hatte ganz bewusst das Gespräch mit mir gemieden und jetzt plötzlich wollte er mit mir reden?!

Was er mir zu sagen hatte, konnte ich mir lebhaft vorstellen und verzichtete dankend. Nein, ich würde mir das nicht mehr antun. Es musste sich etwas ändern! Ich musste mich entwickeln und die Sache nun selbst in die Hand nehmen. Dante hatte mich lang genug manipuliert! Ja, nichts anderes war es. Pure Manipulation! Sobald ich auch nur einen klaren Gedanken fasste, vernebelte er mir mit Sex den Verstand und diese Achterbahnfahrten auf seinen Launen hielt ich einfach nicht mehr aus.

Ich war keine verdammte Masochistin! Wieso also sollte ich weiter auf mir herumtrampeln lassen?

Lucas schnippte, mit seinen Fingern, einige Male vor meinem Gesicht umher und holte mich damit aus meinem innerlichen Zwiegespräch. „Erde an Alex. Noch jemand da?"
lachend öffnete ich meinen Pferdeschwanz, schüttelte mein Haar auf. „Entschuldige, war kurz mit den Gedanken wo anders. Hast du was gesagt?"
Er nickte verstehend. „Schon okay. Trennungen sind nie leicht..."
Schnaubend blickte ich in mein flaches Glas. „Es war nicht mal eine Beziehung. Von Trennung kann nicht die Rede sein."
Lucas blickte nun selbst in sein Glas und drehte es langsam in der Hand. „Tut es weh?"
Das Brandeisen in meiner Brust meldete sich prompt zurück und winkte fröhlich. „Ja...", brachte ich mit belegter Stimme hervor.
Lucas schlang einen Arm um mich und zog mich in eine warme Geborgenheit. „Dann ist es eine Trennung."
Ich schnaubte erneut, nun an seine Brust gelehnt und genoss diesen kurzen ruhigen Moment. Zum Glück hatte ich mich dazu entschieden ihn hereinzubitten. Diesen halt hatte ich wirklich gebraucht. Seitdem wir uns ausgesprochen hatten, wuchsen wir beide richtig zusammen. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass er mich wirklich verstand und mich jederzeit auffangen würde, wenn ich ins Stolpern geriet. Sicher, er hatte auch seine Fehler, aber wir hatten das ausdiskutiert und im Nachhinein war ich mir sicher, dass ich an diesem Abend den Alkohol, mit falsch gedeuteten Signalen gesehen hatte und nicht Lucas selbst. Er war im echten Leben so völlig anders und auch so völlig anders als Dante. Lucas war stabil, freundlich, lieb. Er gab mir ein gutes Gefühl und genau dieses sog ich nun in mir auf wie ein Schwamm.
Er rieb mit seiner Hand sanft über meine Schulter. „Aber weißt du, du bist nicht allein. Du hast Lisa und mich und da draußen laufen noch eine ganze Menge andere Kerle umher, die nur darauf warten, dass du ihnen den Kopf verdrehst."
Leise lachend schloss ich für einen Moment die Augen. Ja, er hatte recht. Das hier war kein Weltende für mich. Dieses etwas mit Dante, war verrückt, aufregend und ziemlich intensiv. Dennoch waren es nur eine Handvoll Momente, über die ich schlicht hinwegkommen konnte. Ich musste es einfach.
„Danke...", flüsterte ich leise.
Seine Arme schlossen sich fester um mich, nachdem er sein Glas und meins auf den Tisch abstellte.
„Aber immer doch. Ich bin für dich da kleines."
Seufzend stupste ich ihn mit meinem Kopf kurz an. „Ich auch für dich."
Seine Hand glitt an meinen Arm entlang und fädelte seine Finger durch die meinen. „Lass uns die Tage miteinander ausgehen."
Mit geschlossenen Augen zuckte ich mit den Schultern. „Klar. Ich frag Morgen mal Lisa, woran hast du gedacht?"
„Nun ja vor allem dachte ich nicht an Lisa. Ich dachte da eher nur an dich und mich."
Mein Herzschlag setzte aus und ich blickte zu Lucas auf. „Ich dachte wir hätten darüber geredet..."
Er seufzte gedehnt und strich kreisend mit seinem Daumen über meine Hand. „Ja und du warst zu der Zeit etwas...eingebunden. Was ich ja auch verstehe... Aber meinst du nicht das du dich nun anderweitig umsehen solltest?"
„Ich mag dich Lucas...aber...", ich stockte.

Blind (Band 1 der Chaise Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt