16. Kapitel

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POV Nico

Nach dem Unterricht stehe ich gedankenverloren auf dem Schulhof und warte auf Solace.
Ich hatte Annabeth bereits eingeweiht, dass ich mich mit ihm verabredet habe. Das ich bei ihm Zuhause sein würde, habe ich dabei weggelassen. Ich habe bloß erwähnt, dass seine Mutter meine Therapeutin ist und wir auf direktem Weg zur Klinik rüberfahren.

Das war eine eiskalte Lüge, aber ich wollte sie nicht beunruhigen.
Gerade als ich von meinem Handy aufsehe, erblicke ich William, der grinsend auf mich zuläuft. Neben ihm schlendert Piper und plappert den Blondschopf zu.

Als die beiden mich erreichen, drückt William Piper nochmals einen Kuss auf die Wange und verabschiedet sich von ihr. Bei dem Anblick zieht sich mein Herz zusammen und ich kann nicht anders als Löcher in den Hinterkopf von McLean zu starren. Läuft was mit den beiden? Nein, dass kann nicht sein. Würde Piper meinen besten Freund betrügen?

"Hey, können wir los?", unterbricht Will.
Ich nicke knapp, erkenne erst jetzt das meine Hände sich zu Fäusten geballt haben. Vorsichtig entfalte ich sie wieder und folge Will zu den Parkplätzen.
Das Gefühl von Eifersucht ist immer noch in meiner Brust eingenistet, aber ich verbanne es schnell.
Ich habe eine Freundin.
Wieso sollte es mich interessieren, was Solace macht?

Im Auto angekommen herrscht eine dicke Luft. Naomi sieht zu uns herüber, als wir uns leise auf die Rückbank pflanzen. Kurz reden wir darüber, wie die Schule lief, aber es war nichts wirkliches Erwähnenswertes.
Will wirft mir ab und an ein paar Blicke zu, aber er beginnt kein Gespräch. Er hockt stumm da und knetet nervös seine Hände, die gefaltet über seinem Schoß liegen.
Und obwohl ich vorhin noch angespannt war, beginne ich mich zu beruhigen.
In meinem Kopf wiederhole ich ständig das Mantra, dass Will niemals etwas mit Piper anfangen würde.
Und es hilft, es entspannt mich wirklich.

"Wir sind da.", räuspert sich Will und schnallt sich vorsichtig ab.
Ich tue ihm gleich, bevor ich schnell aussteige und unbeholfen neben Naomi stehe. Diese lächelt beruhigend und wuschelt einmal durch mein Haar.
Der Blondschopf folgt uns und hüpft aus der Karre. Sein Gesicht erhellt sich automatisch, als er sein Haus sieht.
Dann greift er nach meiner Hand und zieht mich sofort ins Gebäude.

"Wir sind im Zimmer!", brüllt er noch zu seiner Mutter, steht sich aber nicht mehr zu ihr um.
Stolpernd folge ich Will und spüre, wie seine warme Hand die meine hält.
Selbst in seinem Zimmer angekommen, lässt er meine Hand nicht los. Die Erkenntnis lässt mich fast rot anlaufen, aber ich verberge meine Schüchternheit schnell.
"Also...", beginnt er und grinst mir zu.

"Also?", frage ich neugierig zurück.
Will lächelt schwach.
"Kann ich dir was zeigen?" Ich nicke sofort.
Will muss fast aufs neue feixen und zieht mich einfach weiter. Mit leichten Schritten laufen wir durch die Gänge und bleiben vor einem etwas kahleren Raum stehen. Die Tür ist in einem olivgrün gestrichen und erinnert mich an eine blasse Wiese im Winter.
"Bist du bereit?" Ich bejahe sanft, die Interesse in mir aufkochend. Was er mir wohl zeigen will?

Will drückt vorsichtig die Klinke herunter und offenbart ein leeres Zimmer. Die Wände sind kunterbunt gestrichen, wirken wie ein Farbverlauf des Regenbogens.
Als ich durch den Raum blicke, erkenne ich einen Flügel. Er zeigt mir ein Klavier. Als er mich näher heranführt, schnürt sich meine Kehle beinahe zu.
Wollte er das ich ihm erneut vorspiele?

Als Will den Hocker heranzieht und sich auf diesem niederlässt, rückt er etwas zur Seite um mir Platz zu lassen.
Mittlerweile hat er meine Hand losgelassen und ein Hauch von Kälte durchströmt mich.
Heute ist kein guter Tag um Piano zu spielen.
Obwohl meine Gedanken und meine Panik mich davon abhalten wollen, lasse ich mich neben dem Jungen fallen.
Als er die Klappe hochklappt und die Tasten freilegt, schließe ich meine Augen.
Kann ich das?

Als Will zu mir sieht, erkennt er meine Zurückhaltung. Denn er lächelt mir aufmunternd zu und nickt wortlos. Als suche ich Bestätigung. Als bräuchte ich die Erlaubnis zu spielen, weil meine Mutter sie mir nicht mehr geben konnte.
Ich hebe langsam meine Hand an, spüre wie sie beginnt zu zittern.
Will beobachtet mich haarscharf, als wüsste er nicht ganz, was mich aufhält.
Als meine Finger die Kühle der Tasten wahrnimmt, zucke ich sofort zurück.

Bilder flammen in meinem Kopf auf.
Wie meine Mutter mit mir am Klavier sitzt, ihr Lachen wenn ich mich verspielt habe. Besonders aber ihre Augen, wie sie mich angesehen hat.
Dieses kakaobraun, die Wärme, mit der sie mich gemustert hat.
So hat sie mich nur angesehen, wenn wir gespielt haben. Zusammen. Wenn wir zusammen komponiert haben.

"Ich kann nicht...", verlässt es monton meine Lippen.
Will rückt ein Stück näher, bevor er zärtlich seine Hand auf die Tasten legt.
"Zusammen?"
Als er das fragt, durchfährt mich eine Welle von Leid.
Würde es sich falsch anfühlen, wenn ich mit ihm spiele?
"Kannst du...überhaupt spielen?", frage ich skeptisch, will davon ablenken, dass ich mich unwohl fühle.

"Nein, aber du könntest es mir ja beibringen." Er lächelt erneut, lehnt sich zu mir vor.
Dann streicht er zärtlich mit seiner linken Hand über meine Wange und flüstert:
"Hey, es ist alles okay."
Von seiner plötzlichen Berührung überrascht, nicke ich. Sein warmer Atem streift meine Lippen und ich kann nicht anders als auf die seinen niederzustarren.

Bevor ich darüber nachdenken kann, was hier gerade geschieht, drückt Will seine Münder auf meine nieder.

Als er das tut, schießt ein Feuerwerk in meinem Bauch los.
Hitze kriecht meinen Nacken hinauf und ich spüre die Wärme, die er noch zusätzlich auf mich abgibt.
Sein heißer Atem auf meinem Gesicht vernebelt meinen Verstand und beinahe automatisch drücke ich mich fester an ihn heran.
Als Will sich von mir löst, entfährt mir ein erstickter Ton.

Ist das hier gerade wirklich passiert?

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Richtig! Der erste Kuss.
(Hier könnt ihr kurz eine Fan-Attacke rauslassen.)

Heute kamen Mal drei Kapitel, weil das davor etwas kürzer war.

Ich möchte mich übrigens bei all den Lesern bedanken und besonders für die lieben Kommentare, unter anderem auch bezüglich der Chat-Funktionen.

Stay tuned. <3

Solangelo - Die SonnenfinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt