Asmunir lag regungslos auf den glänzenden Schienen, sein schwarzer Ledermantel ausgebreitet wie die Schwingen einer düsteren Krähe. Der Vollmond leuchtete auf die Gleise, während die Stadt Solveg um Asmunir herum in ein Meer aus Dampfwolken gehüllt war. Die metallische Kugel in seiner Faust glänzte im fahlen Licht.
Umgeben von einem Whiskydunst und Stille schwebte Asmunir in einem surrealen Zwischenreich. Sein rechtes Auge fixierte den Sternenhimmel, während die Narbe unter der Augenklappe auf seiner linken Gesichtshälfte pulsierte.
Die Stadt brummte wie ein mechanisches Ungeheuer, dessen Herzschlag durch die Dampfkessel der gnomischen Werkzeumacher vorgegeben wurde. Plötzlich durchbrach ein Luftschiff den Blick auf die Sterne.
Eine Galeone, angetrieben von einem gewaltigen hölzernen Propeller, glitt majestätisch über die Türme und Dächer der Stadt. Lange Rauchschwaden folgten ihrem Pfad, und der Klang des dampfbetriebenen Motors drang in Asmunirs Betäubung.
Der Boden begann zu vibrieren, und das rhythmische Pfeifen einer herannahenden Dampflok mischte sich mit Asmunirs berauschtem Gemurmel.
„Gleich kommt der Zug", grummelte er vor sich hin, seine Worte von den Schienen widerhallend. Ein schelmisches Lächeln umspielte seine Lippen.
„Und wenn er nicht kommt? Dann habe ich eine Kugel."
Asmunirs dunkle Welt war eine Mischung aus Vergangenheit und Zukunft, eine unwirkliche Bühne, auf der sich sein Leben zu einem tragischen Schauspiel vereinte. Der Whisky floss weiter, als er den Trinksack an seinen Mund hielt und der Klang der nahenden Dampflok wurde lauter, als ob das Schicksal selbst auf dampfenden Rädern daher rollte.
„Vater", hallte eine Stimme in der mit Kopfsteinen gepflasterten Straße.
„Vater, hilf mir", durchdrang es Asmunirs Ohren.Grunzende Männerstimmen begleiteten die Rufe, und Asmunir setzte sich schwerfällig auf die kalten Gleise. Asmunir lauschte den verzweifelten Schreien, die wie traurige Melodien durch den regenschwangeren Nachthimmel drangen.
Ein Halbwüchsiger, von drei rotgekleideten Orks verfolgt, taumelte an den Schienen entlang. Der Junge rannte, doch die Grünlinge holten ihn ein.
Der Regen begann, seine stumme Melodie zu spielen, und Asmunir versuchte, sich in seinem langen Ledermantel aufzurappeln. Die Welt um ihn herum verschwamm, und er strich den nassen Schmutz von seinem breitkrempigen, schwarzen Hut. Eine Fasanenfeder zierte die Kopfbedeckung, die er wieder gerade rückte, bevor er sich aufsetzte.
Er schwankte auf die drei Orks zu, die den zitternden Halbwüchsigen umzingelt hatten. Die Grünhäuter, fünfzehn Meter entfernt, trugen rote Roben. Einer der Orks packte den Jungen an den Füßen und hielt ihn kopfüber. Der Kleine schrie nach seinem Vater, während die anderen beiden Orks hämisch lachten. Neben den Grünlingen stand eine Frau mit erhobenen Armen.
Betrunken griff Asmunir in seine Innentasche, holte zwei lange Faustfeuerwaffen heraus und hielt sie fest in den Händen. Zehn Meter trennten ihn von den Orks, die noch nichts von seiner Anwesenheit bemerkt hatten, so vertieft waren sie in ihre Unterhaltung mit dem Halbwüchsigen.
Jede seiner klobigen Pistolen hatte lange Holzgriffe und drei Läufe für je drei Eisenkugeln. Die junge Frau in der roten Robe rief etwas, aber Asmunir verstand es nicht in seinem berauschten Zustand.
„Ich hasse euch", murmelte er und ließ die beiden Handfeuerwaffen krachen. Blitze zuckten aus den Läufen und grauer, schmutziger Rauch umhüllte ihn. Die erste Kugel verfehlte den Ork knapp, doch die zweite durchschlug den Brustkorb der jungen Frau, die stöhnend nach hinten gerissen wurde und auf den Boden fiel.
Asmunir stieß mit ausgestreckten Armen durch den Rauch. Erneut feuerte er auf die Orks. Wieder zuckten zwei grelle Feuerblitze aus den Läufen der Handfeuerwaffen. Pulver und Rauch hüllten alles um ihn herum ein. Die beiden Kugeln verfehlten auch diesmal ihr Ziel und flogen über die Köpfe der Grünhäute hinweg.
Jetzt waren die Orks acht Meter von Asmunir entfernt. Ohne zu zögern ging er weiter durch den Rauch auf die Orks zu. Einer der Grünhäute zog seine Streitaxt und rannte Asmunir brüllend entgegen.
Diese neuartigen Handfeuerwaffen schossen für gewöhnlich nur ein oder zwei Schuss ab. Asmunir stellte sich seitlich vor dem heranstürmenden Ork. Er zielte mit nur einer Pistole, während er die anderen hinter seinem Rücken hielt. Er hatte eine dritte Kugel im Lauf.
Aus der Mündung der Feuerwaffe schoss es wie ein Donner. Feuer und Pulver spritzten dem Ork entgegen. Die Kugel durchschlug den Kopf des orkischen Ordenskriegers. Der tote Körper des Ordensbruders landete vor Asmunirs Füßen.
„Ihr seid Abschaum", schrie Asmunir die Orks an und ging unbeirrt auf die übrigen Orks zu. Wieder zielte er mit beiden Pistolen.
Die orkischen Ordensleute traten mit erhobenen Händen zurück, einer von ihnen warf einen kurzen Blick auf die Menschenfrau. Sie trug, wie die drei anderen Ordensmänner, den roten Mantel des Rubinordens. Die junge Frau lag tot in ihrem Blut. Die Orks in ihrer Ordenstracht drehten sich um und flohen vor Asmunir.
Er schoss ein weiteres Mal. Die erste Pistole gab nur ein lautes metallisches Klicken von sich, da sie ihre drei Kugeln abgefeuert hatte. Die zweite Pistole feuerte ihren dritten Schuss . Blitz, Feuer und Pulverrauch bedeckten die kleine rote Gestalt am Boden. Die Kugel flog zischend durch die Luft und traf den fliehenden Ork von hinten in das linke Schulterblatt. Er fiel kopfüber auf die Straße und blieb stöhnend liegen.
Asmunirs Blick nahm durch den Rauch seiner Pistolen die aufkommende Panik in den Augen der Passanten wahr, während die Stadt um ihn herum in einen Zustand der Unruhe taumelte.
Das leise Surren der Zahnräder, das sonst den Hintergrund untermalte, erstarb. Die vertraute Melodie des Alltags wich der Düsternis, die in Asmunir herrschte. Er wankte über das Kopfsteinpflaster.
Menschen stolperten vor ihm rückwärts. Der ferne Gong einer mechanischen großen Straßenuhr hallte in seinen Ohren nach. Um Asmunir kreiste es. Das Fundament der Realität, in der Asmunir fest verwurzelt schien, begann zu wanken. So stand Asmunir torkelnd auf der Straße, die beiden Feuerwaffen in der Hand.
Im Rauch sah er eine kleine lederne Gestalt am Boden kauern. Langsam bewegte sich das rote Leder. Schützend hatte das Bündel seine Flügel über den kleinen Kopf gelegt. An den Flügelspitzen saßen schuppige Händchen mit spitzen Krallen. Große Augen blickten vorsichtig hinter den Flügeln hervor.
„Du bist kein Kind?", fragte Asmunir verwirrt und betrunken. Verschwommen sah er ein rotes, katzenartiges Wesen. Es grinste ihn mit spitzen Zähnen an. Er senkte seine klobigen Schießeisen. Das kleine Wesen streckte die Flügel vom Kopf und blickte ein wenig schräg.
„Hat ihn Vater geschickt?", fragte die Kreatur mit gebrochener Stimme. Ohne ein weiteres Wort drehte sich Asmunir um, steckte seine Waffen in die Innentasche seines Mantels und ging wieder auf die Gleise zu. Das kleine Wesen schwang seine Flügel und flog ihm hinterher.
„Hat er mich gerettet?", zischte die bizarre Erscheinung.
„Wohin er geht?", fragte das Wesen erstaunt.„Zu den Gleisen", sagte Asmunir, „ich muss einen Zug erwischen."
„Will er mit Feuerkanonen Zug überfallen?", spottete die rote Kreatur und flatterte um Asmunir herum.„Warum nicht?", antwortete Asmunir und sah sich um.
Der Regen prasselte auf den toten Ork in der Ordenstracht. Der verwundete orkische Ordensmann schleppte sich kriechend zu der blutenden Frau, die regungslos auf der Straße lag. Das Blut vermischte sich mit dem Regen zu einer großen roten Pfütze.
Ich hoffe, die bisherigen Kapitel haben Euch gefallen. Für konstruktives Feedback bin ich dankbar. Wenn ihr wissen wollt, wie es weitergeht, dann würde ich mich freuen, wenn ihr mir „folgt" und den Button drückt 😊.
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✅️ Seelenstein - Ruf der Vettel
FantasiSariel, eine junge Seeelfe, steht vor einer unmöglichen Entscheidung: Soll sie ihre göttliche Pflicht als Heilerin erfüllen oder zur Waffe greifen, um gegen jene zu kämpfen, die einst als Feinde ihrer Sippe galten? Während ein brutaler Luftkampf übe...