Woche 5

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Severus Snape brütete über einigen Pergamenten, als Remus in die Bibliothek kam. Die fünfte Woche im Grimmauld Place war angebrochen. Harrys Geburtstag war vier Tage her und Severus' Entschluss den Jungen zu adoptieren hatte sich verfestigt. Er hatte inzwischen mit dem Ministerium gesprochen. Hier war man ihm recht wohlgesonnen und da Harry schon sechszehn war und damit ein großes Mitspracherecht hatte, schien der Adoption nicht viel im Wege zu stehen. Albus Dumbledore hatte mit Zähneknirschen hingenommen, dass Severus seinen Spionageposten aufgab. Nachdem dieser aber von Harrys Qualen bei den Dursleys berichtet hatte und auch von dem Missbrauch, den der Junge durch Lockhart erleiden musste, lenkte der Direktor ein und wurde sich wohl schmerzlich seiner eigenen Schuld bewusst. Nun blieben noch zwei Hürden. Zum einen musste Severus viele Unterlagen ausfüllen, damit die Adoption stattfinden konnte und zum anderen war da noch Voldemort. Bisher hatte der Lord sich ruhig verhalten, aber das konnte sich jederzeit ändern und Severus wollte nicht unbedingt herausfinden, was geschah, wenn er sich dem Ruf des Mannes widersetzte. Remus war noch immer da. Er war lediglich zwei Tage nach Harrys Geburtstag zu Hause gewesen, um den Vollmond zu überstehen. Severus und er kamen jeden Tag besser miteinander aus und Harry verstand inzwischen, was Bill meinte, wenn er sagte, dass er sich nicht mehr ganz sicher war, ob Remus wegen Harry oder Severus blieb.

»Wie kommst du voran?«, wollte Remus wissen und Severus schreckte auf.

»Oh ... na ja es geht so. Man könnte meinen, ich verkaufe meine Organe bei den Dingen, die sie alle wissen wollen«, sagte er und lächelte. Remus setzte sich grinsend neben Severus und überflog die Pergamente.

Severus schnaubte leise, als er die letzte Frage auf dem Pergament las, die nach seiner Meinung völlig irrelevant für die Adoption war.

»Sie wollen sogar wissen, ob ich jemals an einer ansteckenden magischen Krankheit gelitten habe. Als ob das jetzt noch eine Rolle spielen würde«, er legte den Federkiel beiseite und rieb sich die Stirn.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich das für Harry tun würde«, gestand er und blickte in die warmen Augen von Remus. Dieser lachte leise.

»Harry hat eine besondere Gabe, Menschen zu verändern, Sev. Ich habe es immer wieder gesehen«, seine Hand streifte unbeabsichtigt Severus', als er nach einem der Pergamente griff.

»Er hat es sogar geschafft, dich und mich an einen Tisch zu bringen. Das ist Magie, die selbst Dumbledore nicht hätte heraufbeschwören können«, das flüchtige Berühren löste ein unerwartetes Prickeln bei Severus aus, eine Wärme, die er schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Er sah Remus an, dessen Augen nun voller Verständnis und einer Tiefe waren, die Severus selten bei jemandem gesehen hatte.

»Ja, das hat er«, murmelte er, seine Stimme trug nun eine Weichheit in sich, die er selbst kaum erkannte.

Die Luft zwischen ihnen war plötzlich elektrisiert, als wären unsichtbare Funken am Fliegen. Beide Männer sahen einander an, jede humorvolle Bemerkung oder sarkastische Spitze vergessend. Remus rückte näher, seine Augen nicht von Severus lassend, der unwillkürlich den Atem anhielt.

»Sev«, hauchte Remus, seine Stimme rau vor unverhohlener Emotion. Die Nähe des Werwolfs war überwältigend, und für einen Moment schien alles außerhalb dieses Zimmers zu verblassen. Severus spürte, wie sich sein Puls beschleunigte, eine Reaktion, die er seit Jahren nicht mehr erlebt hatte, zumindest nicht auf diese Weise. Remus' Atem war warm gegen sein Gesicht, und als sich ihre Blicke trafen, fand Severus darin eine Tiefe des Verständnisses und der Zuneigung, die er nie für möglich gehalten hätte. Der andere bewegte sich langsam näher, sein Blick intensiv auf Severus gerichtet, der, gefangen in diesem Moment, sich nicht rühren konnte. Die Luft zwischen ihnen vibrierte förmlich, als Remus' Lippen nur noch Zentimeter von den seinen entfernt waren. In genau diesem Augenblick schwang die Tür auf und Bill stand im Türrahmen, ein leicht irritiertes Lächeln auf den Lippen.

Aus den SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt