Rückblick 6 | Der Moment II

5 2 0
                                    

„Der Moment II"

Sonntag, 2. Januar 1972

Nicolas Flint

Seine braunen Augen fanden meine und sofort spürte ich, dass es Will war, dem ich hier entgegenblickte. Seine Gesichtszüge waren weich, das genaue Gegenteil von dem, was gerade mit ihnen geschehen war, und sein Blick war so unschuldig, dass es sich anfühlte, als würde ich in die großen unschuldigen Augen eines Rehkitzes schauen. Die Brauen des Slytherins zogen sich zusammen und mein Herz machte einen kleinen panischen Satz.

„Nic, ich kann nicht atmen", presste er unter mir hervor und Erleichterung durchflutete mich. Es war William. Kein mörderisches Etwas, dass wild um sich schlug oder mit Flammen rumwarf. Einfach nur mein Will. Die Spannung der letzten Momente fiel von mir ab und ich ließ mich erschöpft zur Seite rollen, um Wills Atemwege frei zu machen. Geschlagen lag ich auf dem Rücken und genoss den kurzen Moment der Ruhe mit geschlossenen Augen, während ich ganz genau spürte, wie sich mein Brustkorb regelmäßig hob und senkte. Ein irrationales Glücksgefühl erfasste mich. Ich war so unglaublich dankbar. Es fühlte sich an, als wäre ich nur haarscharf dem Angriff eines übermächtigen Raubtiers entkommen, was vielleicht sogar wirklich der Wahrheit entsprach. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass solch eine zerstörerische Kraft in William ruhte.

Ich spürte, wie er sich neben mir aufsetzte, hatte jedoch nicht die Kraft meine Augen sofort zu öffnen. Es war nicht nur die Hitze, die wie eine metallene Decke auf mir lastete, auch der fehlende Sauerstoff setzte mir spürbar zu. Ich war irgendwie müde.

„Nic, es-" Plötzlich fühlte ich Wills Hand an meinem Arm. Sie klammerte sich so hilfesuchend fest, dass ich mich gezwungen sah, zumindest die Augen zu öffnen. „Alles brennt!"

Wills Kopf bewegte sich ruckartig von Flamme zu Flamme, die Augen erfüllt von einem panischen Ausdruck. Ja, es brannte. Der Ausgang war versperrt. Und langsam aber sicher ging uns die Luft zum Atmen aus. Es war seltsam, dass sich in mir keine Panik auszubreiten schien. Hatte ich mich schon so sehr mit der Situation abgefunden? Meine Augenlider waren schwer und als mein Blickfeld an Größe verlor, zuckte die Erkenntnis wie ein Blitz durch meinen Körper.

Diese Müdigkeit war der Tod.

Sofort setzte ich mich auf und musste husten. Heiliger Lindwurm, beinahe hätte ich aufgegeben.

Ich spürte Wills Hand auf meiner Schulter und als ich wieder aufschaute, sah ich den besorgten Blick mit dem er mich musterte. „Ist alles in Ordnung?"

„Ja, geht schon", brachte ich krächzend hervor und musste mich räuspern. Meine Kehle fühlte sich rau und wund an.

„Nic, was ist passiert?" In seinen haselnussbraunen Augen spiegelten sich die Flammen um uns herum, die immer heftiger zu toben schienen. Im flackernden Licht glänzten Nics Haare in einem wunderschönen Kupfer. Alles in mir zog sich zusammen.

„Erinnerst du dich überhaupt nicht?"

Seine Augen weiteten sich erschrocken und ich bildete mir ein, einen Hauch von Erkenntnis über Wills Gesichtszüge gleiten zu sehen.

„Nein", brachte er begleitet von einem ungläubigen Kopfschütteln hervor. Ich wusste instinktiv, dass er damit nicht auf meine Frage antwortete. „Nein, Nic. Es- es tut mir so leid. War ich das?"

Er ließ meine Schulter los und rückte ein Stück von mir ab. Ich sah, wie es in seinen Augenwinkeln verdächtig anfing zu glänzen und sein Körper zu beben begann.

Etwas in mir fing so sehr an zu schmerzen, dass ich wie gelähmt war. Er war von mir abgerückt. Die Distanz war klein, aber da. Wenige Zentimeter, die voll Unsicherheit und fehlendem Vertrauen waren. Er gab sich selbst die Schuld, obwohl er offensichtlich nicht bei Bewusstsein gewesen war. Und er dachte, dass ich ein Recht darauf hatte, ihm die Schuld zu geben. Dass ich ihm auf jeden Fall die Schuld geben würde. Dass ich wütend auf ihn wäre.

William Bristow | HP FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt