Kapitel 5

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Wir saßen alle in dem kleinen Wohnzimmer des Hauses. Starrten in die Flammen, während Veilos Blick auf mir lag.
>>Du willst uns wirklich weismachen, dass du keinen Schimmer davon hast, was hier abgeht?<< fragte er verachtend, woraufhin ich zu ihm sah. >>Ob ihr es mir glauben wollt oder nicht. Ich habe tatsächlich keinen blassen Schimmer.<<

>>Diese Dinger waren wirklich einmal Menschen.<< begann Nótt. Seinen Blick auf die Flammen gerichtet. Auch Veilo wandte seinen Blick endlich von mir ab und sah auf die lehne des Sofas.
>>Die meisten von ihnen sind Männer. Sie haben damals mit den Kranken begonnen. Haben ihnen irgendwas gespritzt und versucht ihre Gehirnstruktur zu verändern. Mein Vater war damals einer von den Wissenschaftlern, die daran geforscht haben und verließ sie, als er merkte, was für kranke Scheiße sie vorhatten. Als sie gemerkt haben, dass es nur an den Frauen funktionierte, nahmen sie diese mit. Die Männer, die Jungen an denen sie gescheitert waren, wandeln rum. Und da es nicht an allen Frauen funktionierte, forschten sie weiter. Die Welt ist mittlerweile am Arsch Aurora. Und die größte Schuld an dem allen trifft dein Vater. Es ist seine Forschung gewesen und niemand weiß wozu und warum sie dafür mehr als die halbe Menschheit geopfert haben. Wir wissen nur, dass er eine Quelle hat. Eine verantwortliche Frau, dessen Existenz dafür sorgt, dass das hier kein Ende nimmt. Dass immer mehr Kinder verschwinden. Immer mehr Frauen.<< endete Nótt.
Ich war schockiert. Schockiert, weil sie mich nun alle ansahen. >>Ihr denkt ich wäre das? Die Verantwortliche dafür, dass das alles kein Ende nimmt?<<
Calen trat nun vor. >>Wir wissen es.<< Da war wieder dieser Hass in seinen Augen. Und dieses mal verletzte mich dieser Hass.

>>Tut mir Leid. Es tut mir wirklich Leid, was ihr durchmachen musstet. Doch wenn ihr glaubt, dass der Mord an mir die Lösung wäre, dann seid ihr weitaus dümmer als ich dachte.<< warf ich ihnen vor, bevor ich aufsprang und in eines der oberen Zimmer hetzte.

Ich hörte sie unten streiten, zum einen weil Veilo mir wieder etwas abfälliges hinterher warf und zum anderen, weil sie wohl selber unschlüssig waren. Doch das spielte keine Rolle, weil ich selbst so wütend und durcheinander war. Und dass nun Calen in das Zimmer trat, machte es nicht besser.
>>Was? Willst du mir wieder sagen, dass ich dennoch Mitschuldige an dem ganzen bin?<< Ich drehte mich nicht zu ihm, sondern blickte starr aus dem Fenster.
>>Ich will die Wahrheit und keine Lügen. Doch du kannst nichts anderes, als das Unschuldslamm zu spielen und meine Männer durcheinander zu bringen.<< warf mir Calen vor, woraufhin ich endgültig die Fassung verlor.
Wütend wie ich war, dachte ich nicht weiter darüber nach und zog meinen viel zu großen Pullover hoch und entblößte so meinen Rücken.

Ich spürte seinen Blick auf meinem Rücken. Fühlte die Glut in der Luft und die Wut in jeder Zelle meines Körpers.
>>Ist dir das Wahrheit genug?<< fragte ich bitter und irgendwie verletzt. Er sagte nichts. Betrachtete stattdessen die Narben, die sich über meinen Körper zogen und das eingearbeitete Metall, für die vielen kranken Simulationen, die ich durchleben musste.
Ich machte keine Anstalten meinen Pullover wieder anzuziehen oder ihn anzusehen. Stattdessen nahm ich Calens Schweigen als Einladung an, weiter zu sprechen.
Er wollte die Wahrheit?

Ich würde sie ihm geben.

>>Ich war sechs, als mein Vater entschied, seine abartigen Experimente an mir zu testen. Als ich sieben wurde, hatte er keine Skrupel mehr gehabt. Noch heute erinnere ich mich an das Gefühl, fast an meinem eigenen Blut zu ersticken. Du tust alles, um es auszuspucken, aber es wird immer mehr. Du schmeckst Eisen und den Tod auf deiner Zunge, während dein Vater teilnahmslos dort steht und zusieht.<<

Langsam zog ich meinen Pullover wieder runter, bevor ich mich zu ihm drehte. Mitleid und Wut. Ich konnte ihm ansehen, was er empfand.

>>Du und deine Leute haben gelitten und ich verstehe, dass du Rache an meinem Vater ausüben willst, indem du mich tötest. Doch du kannst mich nicht diffamieren, damit es dir leichter fällt. Nicht, wenn ich in der selben Hölle aufgewachsen bin, wie du Calen.<<

Er sah mich an, als würde er mich das erste mal wirklich sehen. Doch das war es auch. Kein Wort, kein weiterer Blick. Er senkte bloß seinen Kopf und schloss die Tür hinter sich. Das einzige Zeichen seiner Emotionen war seine geballte Faust, die er nicht mehr vor mir verbergen konnte.

Doch ich hatte es gesehen. Es sollte mich freuen, dass ich diesen Kampf einmal gewonnen hatte. Aber so war es nicht. Ich fühlte mich plötzlich so verwundbar. So nackt. Mit diesen Gefühlen, starrte ich eine ganze Weile auf die Tür und realisierte irgendwann, dass da nichts mehr kommen würde. Dass ich alleine war mit den Erinnerungen, die ich hervorgehoben habe.

~~~

Es war mitten in der Nacht, als ich mich aus dem Bett wälzte, weil ein unnatürliches Gefühl durch mich fegte. Trotz meiner Erschöpfung wachte ich auf und wollte mich gerade aufsetzen, als ich auch schon eine Silhouette wahrnahm. Ich hatte kaum Zeit zu reagieren, da wurde ich schon am Hals gepackt. Mit geweiteten Augen sah ich hoch in Veilos hasserfüllte Augen. Er drückte zu, sodass ich keine Luft bekam. In meiner Panik versuchte ich alles zu erwischen und traf nur die Lampe, die krachend zu Boden fiel und zerbrach. Ich kratzte ihm ins Gesicht, versuchte gegen ihn anzukämpfen, aber er drückte mich erbarmungslos in die Kissen. Meine Sicht begann zu verschwimmen und die Schwärze nahm zu. Augenblicklich bekam ich wieder Sauerstoff, als Veilo von mir gezerrt wurde.
Luftringend sah ich dabei zu, wie Calen auf ihn einschlug, bis Nótt ihn schließlich von ihm riss. >>Dawn, schafft ihn mir aus den Augen.<< befahl er atemlos zu dem Mann mit der Kapuze.

Ich fasste mir an den Hals, versuchte zu schlucken, aber es schmerzte. Calen trat auf mich zu, befühlte sanft meinen Hals und sah noch wütender aus.
>>Versuch nicht zu reden. Komm, wir holen dir erstmal etwas zu trinken.<<
Langsam folgte ich ihm, noch immer nicht realisierend, was gerade geschehen war. Als Calen mir ein Glas mit Wasser hinhielt und ich es langsam trank, schien es langsam zu mir durchzudringen. Mein Körper begann zu zittern. Die ganze Zeit war ich damit konfrontiert, dass ich sterben würde. Doch der Gedanke daran und dann der Moment, indem es wirklich soweit war...es war anders. Denn ich wusste jetzt, dass ich nicht sterben wollte.
>>Hey.<< hauchte er sanft, als ich auf die Knie sank und meine Arme um meinen Körper schlang.
Heiße Tränen flossen über meine Wange, bevor ein Wimmern aus mir drang. >>Ich will nicht sterben.<< beichtete ich und spürte im nächsten Moment, wie Calen mich an seine Brust zog. Ich krallte mich an ihm fest, weinte das erste mal alles heraus.
>>Bitte.<< flehte ich ihn an und tat somit genau das, was er mir dort im Wald vorgeworfen hatte.
>>Dir wird nichts geschehen. Das verspreche ich dir.<< hauchte er sanft und zog mich noch fester in eine Umarmung.
>>Ich vertraue dir nicht.<< schluchzte ich, woraufhin er sanft über meinen Rücken fuhr.
>>Ich weiß.<< sagte er nur, während er mich fest hielt. Ich wusste nicht, wie lange wir dort auf dem Boden kauerten. Ich wusste nur, dass Calen mich irgendwann in mein Bett trug und dass er nicht ging. Er setzte sich auf den Schaukelstuhl, sich sicher, ich würde schon schlafen. Doch ich wusste es besser.

Calen wachte über mich.

Be My Death Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt