Kapitel 9

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>>Nótt.<< krächzte ich atemlos, als er Veilos toten Körper von mir weg schob.
>>Tut mir Leid, dass ich nicht eher da war. Tut mir so Leid.<< wiederholte er sich, während er sich meine Schusswunde ansah.
>>Es ist nur ein Streifschuss.<< sagte er erleichtert, bevor er an seinem T-Shirt riss und meine Wunde provisorisch zuband.

>>Wo warst du heute Nótt? Und was tust du hier?<< fragte ich, als er mir hoch half.

>>Ich war nicht einverstanden mit dem, was Veilo vor hatte. Also bin ich los, um eine Lösung zu finden. Und die habe ich zum Glück gefunden.<< erklärte er. Doch alles woran ich denken konnte war Calen. Und so stellte ich die Frage, vor dessen Antwort ich mich fürchtete.

>>Calen? Hat er dir geholfen.<<

Nótts Blick reichte mir als Antwort.

>>Es tut mir Leid Aurora. Calen hat eine gewisse Verantwortung. Es würde seinen Kopf kosten, sollte er sich widersetzen.<< versuchte Nótt es. Doch ich sah ihm nur ernst in seine Augen.

>>Kostes es nicht deinen Kopf ebenfalls?<<
Er presste seine Lippen zu einer einzigen Linie.
>>Nicht jeder ist gleichermaßen bereit ein Opfer zu bringen. Und nicht jeder erbringt auch die selbe Art von Opfer Aurora. Ich habe nichts, dort wo wir herkommen. Calen jedoch schon. Widersetzt er sich, wird seine gesamte Familie zur Verantwortung gezogen. Die Dinge heutzutage laufen anders, als sie sollten.<< versuchte er es erneut. Aber der Verrat saß viel zu tief.

>>Er hat mir gesagt, dass er keine Marionette mächtiger Männer sein will. Und doch sagst du mir, dass er genau das ist. Ich habe ihm alles anvertraut. Mich völlig verwundbar gemacht und doch hat er es zugelassen Nótt. Egal welche Gründe er hat. Es rechtfertigt nichts für mich.<<

Nótt strich sich durch seine kurzgeschorenen Haare, bevor er laut ausatmete.

>>Nun. Vermutlich wirst du ihn für eine ganze Weile nicht mehr sehen. Wir gehen an einen Ort, den niemand leichtfertig betritt. Vielleicht wirst du dort fürs erste deinen Frieden finden.<< Mehr sagte er nicht zu dem Thema. Und ich. Ich tat es ebenfalls nicht.
Stattdessen stieg ich gemeinsam in den Wagen, der ihm gehörte und blickte aus dem Fenster. So schön die Landschaft auch war. Ich konnte all das nicht genießen. Denn in meinem Kopf spukte das Geschehen, das was ich getan hatte und Calens Namen herum. Es ist gleich, was Nótt sagte. Ich war verletzt und dieses Gefühl verschwand nicht.

Vermutlich lag es daran, dass sich nach all den Jahren jemand um mich gesorgt hatte. Calen hatte über mich gewacht und mich vor seinen eigenen Leuten geschützt. Er hatte seine Gedanken mit mir geteilt, an denen ich nun zweifelte. Weil er mich an sich zweifeln ließ.

Und das schlimmste an all dem war, dass ich diesen Mann vermisse, der er in dieser Hütte war.

~~~

Es dauerte einen ganzen Tag, bis wir endlich an einer großen Mauer hielten. Umgeben vom Wald und den Pflanzen, die entlang der Mauer gewachsen waren, war es nicht einfach zu finden. Doch jetzt, wo ich davor stand, war es kaum übersehbar.
>>Was ist das hier?<< fragte ich Nótt, als wir an ein Tor traten.

>>Das hier ist eine abgeschottene Gemeinschaft. Ein Versuch das Leben zu führen, was wir einst kannten. Wer diesen Boden betritt ist sicher, weil hier andere Gesetze herrschen. Solange du hier bist, kann dir keiner etwas tun. Es wäre dennoch klug nicht zu erwähnen, woher du kommst und was du kannst.<< erklärte er mir.

Ich war dankbar für seine Ehrlichkeit und lächelte ihn sanft an.

Bevor die Tore sich öffneten, traten zwei bewaffnete Männer vor uns.
>>Nótt Greenbriar. Soldat der 77. Ich bin hier um Asyl für sie zu bitten. Aurora Torres.<<

Torres. Ich war dankbar, dass ich zumindest meinen Vornamen nicht verheimlichen musste. Es überraschte mich, wie schnell sie uns durchließen. Nótt hatte gesagt, dass es hier sicher wäre. Doch wie sicher konnte es sein, wenn man dem Wort von Fremden vertraute und sie passieren ließ. Es war mein Glück, abee dennoch konnte ich dieses komische Gefühl der Unsicherheit nicht gänzlich unterdrücken. Zumindest war ich jetzt sicher. Und vielleicht konnte ich hier tatsächlich neu anfangen, fernab von meiner Vergangenheit und all diesen Problemen, die mich zu verfolgen schienen.
Ja. Vielleicht konnte ich die letzten Jahre, die letzten Wochen...vielleicht konnte ich Calen vergessen.

Be My Death Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt