Kapitel 11

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Wir hatten Nótt nicht gefunden. Stattdessen saßen wir nun in unserer Wohnung. Calen saß auf der Couch, lässig, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Und ich. Ich klammerte mich an mein Wasserglas und saß aufrecht auf einem Barhocker an unserem Küchentresen.
>>Du siehst süß aus in deiner Aufmachung.<< grinste er, woraufhin ich bloß mit den Augen rollte.

In dem Moment kam Nótt herein und kam erleichtert auf mich zu. >>Ich hab dich überall gesucht.<< stieß er abgehackt aus, bevor er meinem Blick folgte und Calen in die Augen starrte.
Er stellte sich schützend vor mich.

>>Vergiss es. Du wirst ihr nichts tun.<< warnte er ihn, woraufhin Calen verwirrt drein blickte. >>Du auch noch? Sagt mal was glaubt ihr denn, was ich getan habe?<< fragte er ehrlich.
>>Du hast sie der Regierung überlassen. Was hättest du sonst noch tun können?<< fragte Nótt vorwurfsvoll.

Calen schüttelte bloß mit dem Kopf.
>>Vielleicht solltest du mal dein Hirn einschalten Nótt. Was denkst du warum du aus dem nichts einen Anruf bekommen hast? Wo doch niemand von dieser Mission wusste? Was denkst du, wer dafür gesorgt hat, dass ihr hier herkommen konntet? So leichtfertig hätten sie euch niemals eingelassen zumal, ohne dich zu beleidigen, du kaum etwas zu sagen hast. Weder hier, noch woanders.<<

Calens Worte waren harsch und ich sah Nótt an, wie wütend er darüber war. Doch Calen gab ihm keine Möglichkeit etwas zu erwidern.

>>Im Grunde ist das egal. Glaubt mir, oder nicht. Aber ich bin hier, weil ich Auroras Hilfe brauche. Sie hat zugestimmt und ich wäre wohl nicht in eurer Wohnung, wenn sie mich nicht hereingelassen hätte. Also beruhig dich. Ich werde deiner Freundin schon nichts tun.<<

Er sagte das Wort Freundin so abfällig, dass es tatsächlich das einzige war, was mich in dem Moment störte.

>>Aurora.<< wandte sich Nótt an mich. >>Stimmt das?<<

Ich nickte, während ich Calen fixierte.
>>Er braucht meine Fähigkeiten. Er denkt, dass dieser Ort bald nicht mehr existieren könnte. Ich weiß selber nicht viel, aber mein Gefühl sagt mir, dass er die Wahrheit sagt.<< antwortete ich, woraufhin Nótt sich durch die Haare strich.

>>Wird es gefährlich für sie?<< fragte Nótt.

Calen sah mich für einen langen Moment an.

>>Es wird gefährlich. Für uns alle. Aber sie wird uns an ihrer Seite haben. Wir lassen nicht zu, dass ihr etwas geschieht.<< sagte er, aber Nótt schnaufte auf.

>>So wie letztes mal? Du sagst zwar, du hättest geholfen. Doch weißt du wie nah sie dem Tod entrungen war?<< warf er Calen vor.

Die Unterhaltung wurde unangenehm. Nicht nur, weil es um mich ging. Sondern auch darum, was ich an jenem Tag getan hatte und es noch immer als Geheimnis behielt. Ich hatte mich in den letzten Wochen vermehrt gefragt, ob ich Nótt nicht die Wahrheit sagen sollte. Und dabei hatte ich seither jedes Mal Schuldgefühle, weil er so ehrlich zu mir war.
Und diese Unterhaltung holte diese Schuldgefühle wieder hoch.

>>Doch sie lebt oder? Zählt das nicht?<<
Calen war kalt und distanziert. Doch ich wusste es besser. Auch ihm stand die Frage ins Gesicht geschrieben, was geschehen war.

>>Hört zu.<< unterbrach ich sie. >>Mittlerweile ist es wirklich egal was geschehen ist. Wichtig ist, dass wir diesen Ort schützen müssen. Und noch wichtiger ist, dass ich immer noch echt betrunken bin und gerne schlafen gehen würde. Also gute Nacht.<< sagte ich nur, woraufhin mir Nótt eine gute Nacht wünschte.

Ich wandte mich gerade zum gehen, als Calen uns fragend ansah.

>>Was? Teilt sich das Liebespaar kein Zimmer?<< Es war mehr wie ein Vorwurf. Und dieser Vorwurf machte mich enorm wütend.

>>Nótt. Kannst du uns bitte kurz alleine lassen?<<  Er nickte, bevor er sich eine Flasche Wasser griff und in sein Zimmer verschwand.

>>Jetzt hör mir mal zu. Dich geht mein Liebesleben einen scheiß Dreck an. Aber da du ja so neugierig bist, nein. Nótt und ich sind Freunde. Schwer zu glauben, dass ein Mensch aus guter Intention einem anderen hilft? Ohne, dass das Wort Liebe der Auslöser war oder? Wenigstens einer von euch hatte genug Herz. Also hör auf uns mit etwas aufzuziehen, was nicht mehr ist als Menschlichkeit Calen. Nur weil du diese Eigenschaft nicht besitzt, hast du kein Recht etwas ins lächerliche zu ziehen. Auch wenn wir ein Paar wären, hättest du kein Recht es mit so viel Verachtung niederzutrampeln.<<

Calen richtete sich auf und strich sich Müde übers Gesicht.

>>Ist es falsch es wissen zu wollen? Nachdem ich...<< brach er ab.

>>Nach dem du was? Feige wie du warst zugesehen hast bei alldem? Während er, der genau wusste, was so ein Verrat für Folgen haben könnte, mir dennoch geholfen hat? Du magst vielleicht geholfen haben. Im Hintergrund hast du wohlmöglich wirklich dafür gesorgt, dass Nótt mich da rausholen konnte. Doch dein Gesicht war es, welches ich flehend angesehen habe Calen. Du warst es, nach dem ich Ausschau gehalten habe, als Nótt dort war. Du hast rein geschissen und erwartest jetzt Verständnis?<< warf ich ihm vor und holte tief Luft.

>>Ich hatte dir vertraut. Viel zu sehr hatte ich dir vertraut. Und jetzt sieh dir an, wo wir stehen. In was für eine verdammt beschissene Situation du mich bringst, in der ich dir gezwungenermaßen wieder dieses Vertrauen entgegen bringen muss, um mich jeden Tag zu fragen, wann du mir in den Rücken fallen wirst. All das, wegen meiner Menschlichkeit. Meiner Zuneigung für die Menschen hier. Und doch bist du arrogant genug etwas banales wie mein Liebesleben in den Vordergrund zu rücken. Wach auf. Für mich gibt es im Moment wichtigere Dinge.<<

Ich ließ ihn nicht mehr zu Wort kommen. Stattdessen griff ich nach meinem Glas und stürmte in mein Zimmer. Sollte er doch auf der Couch schlafen oder abhauen. Es interessierte mich einen Dreck.

Naja. Ungefähr eine Stunde, nachdem ich nicht schlafen konnte, schnappte ich mir dann doch meine Kuscheldecke und lief vorsichtig ins Wohnzimmer. Auf der Couch lag Calen zusammengerollt, mit noch immer seiner Uniform.
>>Idiot.<< fluchte ich, bevor ich die Decke über ihn ausbreitete.

>>Verdammter Idot.<< murmelte ich abermals, bevor ich zurück in mein Zimmer tappste und die halbe Nacht an die Decke starrte. Ich wollte es mir nicht eingestehen. Doch der Teil in mir, der ihn vermisst hatte, meldete sich zu Wort. Ich wusste nicht was es war. Was mich abhielt davon ihn vollends zu hassen. Ich wusste nur, dass ich diese grünen Augen vermisst hatte und noch immer enttäuscht davon war, was passiert war.

Be My Death Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt