Kapitel 13

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>>Warum bist du nicht bei deinem Vater Nótt?<< fragte ich, als wir begannen unser Lager wieder abzubauen.
Die Nacht war still und hatte mir Zeit gegeben nachzudenken. Und dabei sind mir einige Fragen in den Kopf gestoßen, wie zum Beispiel diese.

>>Wir haben keinen guten Draht zueinander. Als er damals geflohen ist von deinem Vater, da war ich gemeinsam mit Calen und Veilo in Trainingslagern. Das war, bevor all das begonnen hatte.
Als es wirklich schlimm wurde, kam er für eine Weile zu uns. Er kam unter einem unwichtigen Vorwand, doch zu der Zeit schien er komplett außer sich, weil er tatsächlich dachte, er könnte etwas bewirken, aber dein Vater hielt ihn zurück. Wollte ihn nicht anhören.
Ich hatte eine Schwester. Sie war damals bei ihm geblieben und er sagte immer er hätte alles im Griff. Wir haben uns oft gestritten, weil er die Gefahr nicht sehen wollte, die sich entwickelte. Er glaubte mir nicht, als ich ihm von der Aufrüstung erzählte und der beginnenden Abneigung wegen ihrer wissenschaftlichen Probleme. Nun. Meine Schwester starb in diesen Forschungseinrichtungen und ich. Ich habe nie wieder ein Wort mit ihm gesprochen. Als er geflohen war, habe ich nicht nach ihm gesucht und um ehrlich zu sein würde ich es jetzt noch immer nicht tun, wäre die Situation nicht so wichtig.<< erzählte er.

Ich versuchte mich dabei an seinen Vater zu erinnern, da ich ihn ja schon einmal sehen gehaben musste. Doch irgendwie war da rein gar nichts. Also gab ich es schließlich auf.

>Tut mir Leid. Das mit deiner Schwester.<< erwiderte ich. Er nickte nur.

>>Lasst uns aufbrechen. Es dürfte nicht mehr lange dauern. Einige Stunden, dann sind wir im markierten Gebiet.<< unterbrach uns Calen, woraufhin Nótt auf die Karte starrte.

>>Das ist ziemlich nahe an den Schwarzwäldern. Wäre es nicht klüger uns etwas mehr nördlich zu bewegen?<< fragte Nótt und weckte somit meine Aufmerksamkeit. >>Was ist mit den Schwarzwäldern? Ich habe euch schonmal davon sprechen hören.<<

Beide sahen mich an, bevor Calen auf meine Frage antwortete.
>>Dort sind die meisten dieser Viecher, wie du sie kennst. Wir nennen sie Verlorene. Es waren auch einst Menschen. Und zu deiner Frage nochmal einzugehen Nótt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Bunker dort in der Nähe sein muss. Das ist der einzige Ort, den man unfreiwillig aufsuchen würde. Zumindest bis es einen dazu zwingt.<<

Meine Sorge wuchs. Und langsam begann ich an dem ganzen zu zweifeln.

>>Ich weiß langsam nicht mehr, ob das eine so gute Idee ist. Calen, wir sind zu dritt. Wenn dort etwas schief läuft, dann wird uns meine Gabe auch nichts bringen. Ich kann Unheil erahnen, aber es nicht aufhalten. Das habt ihr doch in den Wäldern auch gesehen. Der Fluss war reiner Glück.<< versuchte ich meine Sorgen mitzuteilen.

>>Sie hat recht. Es wäre dumm.<< sagte Nótt, woraufhin Calen sich gestresst durch die dunkeln Haare fuhr.

>>Wenn wir bei deinem Vater aufkreuzen, ohne einen direkten Punkt auf dieser Karte, glaubst du er würde uns helfen? Er ist ein Feigling und das weißt du. All die Jahre hat er sich versteckt und aufgerüstet, ohne uns Beistand zu geben. Wenn wir nichts hervorbringen können, dann sind wir genauso machtlos.<<

Bevor Nótt etwas sagen konnte, warf ich etwas ein. >>Ihr habt mich. Würde das nicht sein Interesse wecken?<< fragte ich.
Es war eine Gefahr, vor allem deswegen, weil ich meine Identität preisgeben und riskieren würde, dass jeder weiß, dass ich noch lebe. Einschließlich meines Vaters. Doch welche Wahl hatten wir?

Beide sahen mich an.

>>Es wäre riskant. Ist dir das bewusst?<< fragte Nótt.

Ich nickte, aber Calen schüttelte mit dem Kopf.

>>Ich riskiere nicht, dass er sie dort behält. Wir kennen ihn kaum noch Nótt. Was wenn er die Situation ausnutzt und sie versucht gegen ihren Willen bei sich zu behalten? Wer ist er? Kannst du mit Sicherheit sagen, dass er nicht erst wieder den Wissenschaftler raushängt für seine gierigen Interessen?<<

>>Warum willst du dann überhaupt dahin? Früher oder später wären wir zu ihm gegangen.<< widersprach ich, woraufhin er sich wütend erhob.

>>Ja. Aber ich hätte deine wahre Identität nicht auf einem Silbertablett serviert.<< sagte er gereizt.

So sehr mich seine Sorge auch berührte. Unsere Chancen standen schlecht. Viel zu schlecht.

>>Du wolltest meine Hilfe. Und du willst, dass man nicht über mich bestimmt. Das hier ist meine Entscheidung Calen und diese Entscheidung wird uns zumindest vor dem Tod bewahren. Denn genau das wird geschehen. Ich weiß es und warst du nicht derjenige, der meine Gabe brauchte? Nun, hier ist sie. Sie sagt mir, dass unsere einzige Chance darin besteht zuerst Verstärkung zu holen.<< Ich klang verzweifelter als ich wollte. Und trotz meiner Ansage wollte er tatsächlich widersprechen, aber Nótt kam dieses mal dazwischen.

>>Sie hat recht Calen. So sehr ich diese Idee auch verachte. Du weißt genauso sehr wie ich, dass das unsere einzige Möglichkeit ist.<<

>>Dann sei dir bei einer Sache sicher. Ob es dein Vater ist oder nicht. Ich knalle jeden ab, der ihr irgendwie zu nahe kommt oder sie bloß schief ansieht.<< warnte er Nótt.

Schockiert sah ich zwischen Calen und Nótt hin und her. >>Falls das geschieht, dann werde ich dich nicht zurückhalten.<< erwiderte Nótt.

>>Du hast mein Wort Calen.<< fügte er hinzu.
Die Sache schien somit besiegelt. Beide betrachteten die Karte, um unsere Route neu zu ermitteln, während der Schock von Calens Worten noch immer in mir summte.
Ich wusste, dass er es tun würde. Und das merkwürdige war, dass es etwas in mir erweichte. Zu wissen, dass er mich verteidigen würde.
Es gab mir eine so immense Sicherheit, die ich zuvor nie kannte.
Tränen bahnten sich ihren Weg durch meinen Gedankenschleier, sodass ich mich abwendete und sie schnell wegwischte. Zum Glück waren sie zu vertieft, um etwas von meinem Gefühlschaos mitzubekommen.

So setzte ich mich auf einen umgefallenen Baumstamm und versuchte mich zu sammeln.

Eine lange Zeit hatte ich versucht stark zu sein und alles zu verdrängen. Ich hatte versucht mich selbst am Leben zu halten und wusste immer, dass ich die einzige war, die sich wirklich um mich sorgte. Doch nun waren da zwei Männer, ehemalige Soldaten, die nun zu Rebellen geworden waren. Jene Rebellen, vor denen man mich schon immer gewarnt hatte. Jene Rebellen, die mich abgehalten hatten, nach einem Fluchtweg von der Einrichtung meines Vaters zu suchen.
Und ich.

Ich war nun ebenfalls eine Rebellin.

Ich schwor mir, dass sie es nun sein werden, die sich fürchten werden.
Ich schwor mir, dass ich der Grund für all ihre Albträume sein würde.
Solange ich lebe, werde ich sie lehren, was wahre Furcht wirklich bedeutet.

Be My Death Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt