ein abend zum vergessen

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kapitel 2

Die ersten Wochen am Set sind ruhig verlaufen. Wir haben im Team die Pläne für die nächsten Wochen besprochen, erste Szenen gedreht und mir wird immer deutlicher, wie groß dieses Projekt eigentlich ist.

Nolan meinte sogar, dass wir mit einigen Auszeichnungen rechnen können, wenn der Film erst einmal fertig ist.

Ich selber war noch nie für einen Filmpreis nominiert, sondern habe lediglich an solchen Veranstaltungen teilgenommen. Ebenso auch an den After Partys, wo ich unglücklicherweise auf eines meiner größten Idole getroffen bin. Ich wünschte, ich könnte diesen Tag aus meinem Gedächtnis löschen, so wie er es anscheinend getan hat.

Er kann sich wahrscheinlich nicht einmal daran erinnern mit mir in jeglicher Weise in Kontakt getreten zu sein, doch ich habe ihn getroffen. Den Mann, der mir gerade gegenübersitzt. Den ich vergöttert habe. Zu dem ich hinaufgeblickt habe. Mit dem ich schon immer zusammen arbeiten wollte.

Jetzt tue ich es und ich freue mich nicht.

Robert Downey Junior. Ich habe ihn nicht immer verabscheut.

Mit zusammengezogenen Augen starre ich ihn an, während ich meine Arme vor der Brust verschränkt habe. Der Tag, an dem wir uns trafen, spielt sich vor meinem geistigen Auge ab.

An dem Abend habe Ich mich amüsiert. Ich habe mit vielen berühmten Persönlichkeiten gesprochen, viel Lob für meine vergangenen Projekte erhalten und ihn gesucht. Ich wusste, dass er da ist und alleine der Fakt mit ihm in einem Raum zu sein, hat mich damals verrückt gemacht. Ein Foto und ein Gespräch, mehr wollte ich nicht.

Ich war nervös. Habe getrunken und den Mann vergeblich in der Menschenmenge gesucht. Als ich auf die Toilette gehen wollte und einen langen ruhigen Flur entlangging, kam eine halbnackte Frau aus einem Abstellraum herausgetorkelt. Sie war offensichtlich betrunken, konnte sich kaum auf den Beinen halten.

Dann hörte ich plötzlich seine Stimme. Ich erstarrte.

„Süße, warte auf uns" er lachte, was bei mir für Gänsehaut sorgte. Robert kam mit einer weiteren Frau, die sich an ihn schmiegte, wie eine notgeile Hure, aus dem Raum. Er sah mich, zwinkerte mir zu und die andere Frau legte ihren Arm um seine Schulter.

„Wohin gehen wir, Robert" fragte die eine Frau lallend. Er lehnte sich zu ihr herüber, biss in ihr Ohr und flüsterte Worte, die ich nicht vernehmen konnte. Anhand ihrer Reaktion muss es etwas versautes gewesen sein. Ich beobachtete sie noch, bis sie um eine Ecke bogen und stand auch noch weitere 10 Minuten sprachlos im Flur.

Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Etwas, was Zeit braucht, um es zu verarbeiten. Mein komplettes Bild von ihm wurde zerstört. Seit dem sehe ich den Mann mit anderen Augen, Augen voller Abscheu und Ekel.

Auch heute noch bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an den Abend zurückdenke. Danach habe ich die Party verlassen. Heulend.

Ich weiß, dass das erbärmlich ist, doch in gewisser Weise hat es mir das Herz gebrochen. Meine heile Welt ist an diesem Abend zum zweiten Mal vor meinen Augen zerbrochen.

Robert bemerkt, dass ich ihn anstarre und verengt seine Augen ebenfalls. Er blickt mich fragend an.

Ich schüttle abschätzend den Kopf und konzentriere mich wieder darauf, was Nolan zu sagen hat.

Als das Meeting beendet ist und die Schauspieler sich auf den Weg zu ihren Wohnwagen machen, holt Robert mich ein. Er joggt neben mich und passt sich meinem Tempo an.

„Was war das eben?" fragt er mit einem dämlichen Schmunzeln auf den Lippen. Ich weiß natürlich genau was er meint, tue jedoch ahnungslos.

„Was meinst du?" Ich würdige ihn nicht eines Blickes und erhöhe leicht das Tempo. Er hält mit.

„Du hast mich angestarrt"

„Ich habe nachgedacht" gebe ich wahrheitsgemäß zu.

Ich kann seinen Blick förmlich auf meiner Haut spüren.

„Du hast dir mich nackt vorgestellt" flüstert er in mein Ohr, woraufhin ich mich sofort in seine Richtung drehe und stehen bleibe.

„Ahhh du kannst mir also doch in die Augen schauen. Ich hatte schon vergessen, wie schön deine Augen sind" er zwinkert mir zu.

„Hörst du das?" frage ich gespielt ernst und blicke umher, wie als würde ich etwas suchen. Robert tut es mir gleich.

„es klingt so, als wäre es mir scheiß egal" ich lächle ihn süßlich an und verschwinde dann in meinem Wagen. Die Maskenbildner warten schon auf mich und ich werde für meinen dritten Szenendreh die Woche fertig gemacht. Auch wenn ich versuche nicht an ihn zu denken, wandern meine Gedanken immer wieder zu ihm.

Dieser Mann wird mir das Leben hier am Set noch schwer machen. Es ist jedoch echt amüsant zu sehen, wie der große Robert Downey Junior reagiert, wenn eine Frau mal kein Interesse an ihm zeigt. Das ist ihm wohl in seinem Leben noch nicht so oft passiert.

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Als ich den Wagen verlasse, kann ich mich wie die letzten Tage auch kaum wieder erkennen. Ich spiele eine Frau Anfang des 20. Jahrhunderts, deren Mann ein hoher Offizier im amerikanischen Militär ist.

Der Film spielt 1917, während des ersten Weltkrieges und handelt von einem Offizier, der mitverantwortlich für die Strategien der Amerikaner im Krieg ist. Zudem bekommt man Eindrücke von der heimischen Bevölkerung und seiner Frau, gespielt von mir, die ihm von zuhause den Rücken stärkt.

Es ist ein geschichtlicher Film mit einem Touch Romantik. Nolan wollte uns aber noch nicht verraten, wie Letzteres umgesetzt werden soll.

Als ich am Set ankomme, werde ich lächelnd von Nolan empfangen.

„Du siehst fabelhaft aus" sagt er und grinst über beide Ohren „das Ganze wird fabelhaft!"

„Mylady"

Als ich mich umdrehe und Robert erblicke, bleibt mir vorerst der Atem stehen. Ich fasse mich jedoch schnell und überspiele mein Zögern mit einem einfachen Räuspern.

„für meine Frau, sehen Sie nicht schlecht aus Miss Quinn" Robert zwinkert mir zu uns ich muss mit aller Kraft versuchen, zu unterdrücken, dass ich rot werde.

„Bilden Sie sich bloß nichts ein Mister Downey" gebe ich zurück und zwinkere ihm ebenfalls zu. Er grinst selbstgefällig, blickt mich für einen kurzen Moment wortlos an und wendet sich dann ab. Der Dreh beginnt.

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