12.Kapitel

92 2 1
                                        

Mein Körper glitt gegen die eiskalte Wand der Toilette. Tränen liefen meine Wangen herunter. Ich stütze meinen Kopf in meinen Händen ab.
Ich versuchte mich zu beruhigen und eine vermeintliche Panikattacke zu verhindern, aber mein ganzer Körper zitterte und ich konnte nur Stoßweise Atmen.
Meine Hand griff nach meinem Handy. Einzelne Tränen tropften auf den Display.
Ich tippte hektisch drauf rum und mein erster Gedanken war Josh anzurufen.
Er würde mich hier rausschaffen, aber er würde auch nie wieder zulassen, dass ich mein Zimmer verließ.
Ich hatte nicht viel Auswahl auf meiner Kontaktliste:

~Yoshi
~Manuelaaa
~Großkotziges Arschloch

Ich versuchte Manuela anzurufen.
Ich drückte mir das Handy ans Ohr und lauschte meinem eigenen Atem.
Es klingelte einige Sekunden.
Dann: Dieser Kontakt ist zur Zeit nicht erreichbar. Hinterlassen Sie eine Nachricht na-
Ich legte auf.
Fuck. Fuck. Fuck. Fuck.
Aus meiner Kehle kam ein heftiges Schluchzen. Hilfe.
Ohne überhaupt nachzudenken drückte mein Finger auf den dritten Kontakt.
Es klingelte kaum eine Sekunde.
Dann ein kurzes Knacken hinter der Leitung. Angestrengter Atem und eine vertraute dunkle Stimme:,,Hallo?"
,,Zack?" Flüsterte ich wie benommen und mit rauer Stimme. Ich versuchte mein Schluchzen wieder zu unterdrücken und presste meine Hand fest auf meinen Mund.
Ich wischte über mein Gesicht, aber das machte es nur schlimmer.
,,Eleanor? Ist alles gut?" Fragte Zack.
Bei diesen Worten brach ich fast wieder zusammen. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nachhause. Ich wollte hier weg. Sofort.
Stille. Ich brachte kein Wort zustande.
Scham durchfloss meinen Körper.
,,El? Weinst du? Was ist passiert?"
Stille.
,,Wo bist du?"
Ein hörbares Schluchzen von mir.
Dann ruckartig Stille auf der anderen Seite. Rascheln, Klimpern und dann eine Tür.
,,Hör mir zu, El. Ich komme zu dir, Ok? Du musst mir nur sagen wo du bist. Es wird Alles gut. Das verspreche ich dir. Ich komme dich holen."
,,Trumpington St.31", sagte ich so gut es ging.
,,Ich komme. Keine Sorge. Ich bin sofort da. Bleib wo du bist. Alles wird gut."
Ich nickte schwach, obwohl er es nicht sehen konnte.
,,Bleib am Telefon, Eleanor." Sagte Zack, noch bevor ich ein Klackgeräusch hörte und dann einen Motor.
Würde er mich finden?
Ich versuchte zu Atmen.
Ich versuchte meinen Kopf zu leeren.
Nichts funktionierte.
Ich suchte nach Taschentüchern und wischte mir das Gesicht ab, aber meine Hände zitterte so doll, dass ich nach Zwei Minuten aufgab.
Ich kauerte mich also auf den Boden und wartete.
Übelkeit stieg mir immer wieder meinen Hals hoch.
Die Gedanken an Dylans Hände an meinen Körper.
Ich fühlte mich Dreckig und benutzt.
Wie viel Zeit verging, wusste ich nicht.
Ich presste mein Handy an mein Herz und versuchte einen kontrollierten Atemrhythmus zu finden. Ein drückendes Gefühl zerschmetterte meinen Brustkorb.
Knacken, Rauschen und der Klang von Zacks Atem kam durch den Lautsprecher von meinem Handy.
Tränen stiegen mir wieder in die Augen.
Plötzlich hörte ich ein Klopfen an der Tür.
,,Eleanor? Was brauchst du so lange?"
Es war Dylan.
Mein Körper fing wieder an zu zittern.
Nein.
Ich versteckte mich noch weiter hinter meinen Händen.
,,Beeil dich. Wir wollen doch noch Spaß haben."
Ich wollte schreien. Ich wollte ihn anschreien. Aber ich wusste, dass ich nicht konnte. Ich war so schwach.
,,Eleanor. Ich breche gleich diese Tür auf, wenn du nicht rauskommst."
Panik ergriff mich. Er hämmerte heftig gegen die Tür. Ich zuckte zusammen.
Das konnte er doch nicht tun.
,,Ich zähle bis 3."
Ich hielt mir die Ohren zu. Ich konnte das nicht mehr. Sein Zählen hörte ich immer noch und all die schrecklichen Versprechen, was er mit mir tun würde.
,,3....."
,,2..."
Ein dumpfer Schlag.
Dann Stille.
Ich hörte ein leises Klopfen.
Zacks Stimme.
,,Eleanor?"
Stille.
,,Kannst du die Tür aufmachen? Du bist jetzt sicher. Ich bin da."
Wieder ein Schluchzen aus meiner Kehle. Ich versuchte aufzustehen.
Meine Beine zitterten.
Ich griff nach dem eisernen Türgriff.
Ein bitterer, salziger Geschmack war auf meiner Zunge.
Dann drehte ich das Schloss um.
Ich versteckte mich halb hinter der Tür, aber als ich sah, dass es wirklich Zack war, fiel ich fast auf den Boden.
Er hielt mich fest. Sanft, nicht wie Dylan.
Bei dem Gedanken wurde mir wieder übel.
,,Ich bin da. Alles wird gut, Ok?." Flüsterte Zack.
,,Kannst du gehen?" Fragte er mich.
Ich nickte vorsichtig.
Er begleitete mich trotzdem nach draußen. Ich bemerkte, wie er mich ein paar Mal suchend mit seinen Augen abtastete.
Ich nahm alles nur taub und verschwommen war.
Zacks Hand war warm.
Es fühlte sich so an, als würde sie meinen ganzen Körper aufheizen.
Trotzdem zitterte ich.
Ich spürte etwas schweres auf meinen Schultern, dann sah ich wie Zack nur noch in einem T-shirt vor mir stand.
Er half mir seine Lederjacke anzuziehen und verschloss den Reißverschluss dann bis zu meinem Kinn. Ich versank förmlich darin.
Wir standen neben einem großen Motorrad.
Er sagte mir, dass ich mich dran lehnen sollte.
,,Warte kurz hier. Ich bin sofort da, Ja? Alles wird gut. Ich muss mich nur kurz um eine Sache kümmern."
Sein Kiefer war angespannt und er musterte mich. Ich nickte schwach und beobachtete benommen die Straßenlaternen.
Ich wollte in Zacks Jacke verschwinden. Ich wollte die Augen zu machen und in Dunkelheit geborgen sein. Ich wollte überall sein, nur nicht hier. Es dauerte nur wenige Minuten, aber als Zack zurückkam, waren seine Haare leicht verwuschelt.
Er wirkte aufgebracht.
Und dann sah ich seine Hände.
Die Knöchel waren wund und aufgeschürft. Blut klebte an ihnen.
Auf seiner Wange fand ich ebenfalls einzelne Blutspritzer.
Er sah meinen Blick.
Meine Hand berührte vorsichtig seine Wange. Es war fast so, als würde er sich in dieser Berührung reinlehnen.
Er schloss kurz die Augen, schluckte und guckte mich dann an.
Ich zog mich zurück.
Seine Augen waren voll mit Zorn.
,,Keine Sorge..Das Blut ist nicht von mir."
Ich verstand nicht, nickte aber trotzdem.
Plötzlich griff er mit seinen starken Händen um meine Taille und setzte mich auf das Motorrad.
Dann setzte Zack mir einen Helm auf und verschloss ihn. Bei seinen Berührungen erstarrte ich.
Er setzte sich vor mich, nahm meine Hände und wickelte sie um seine Taille. So zitterten sie nicht mehr unkontrolliert. ,,Festhalten."
Er selbst trug keinen Helm.
Ich schniefte. Dann startete er den Motor und fuhr langsam los.
Durch die Innenstadt im Schritttempo und dann auf die Hauptstraße.
Blinkende Straßelaternen zogen an uns vorbei und ich spürte die frische Luft auf meiner Haut.
Sie kühlte mich ab.
Zack nahm eine Hand vom Lenker und wärmte damit meine Hände an seiner Taille. Ich klammerte mich förmlich an ihn. Wegen unser Größenunterschiede konnte ich meinen Kopf an seinen Rücken ablegen. Ich atmete tief ein.
Ich nahm seine Nähe und seine beruhigende Wärme in mich auf.
Dabei inhalierte ich auch förmlich seinen Körpergeruch: Leder, Holz, ein bisschen Desinfektionsmittel und ein frischen zitrusartigen Geruch.
Wir hielten an einer Ampel. Das rote Licht flackerte auf Zacks Gesicht.
Er drehte sich langsam nach hinten und fragte:,,Willst du direkt ins Wohnheim, Eleanor?"
Es lag Sorge in seiner Stimme.
Mir kamen wieder die Tränen. Sie liefen über mein Gesicht und blieben im Stoff des Motorhelms hängen.
Zack zog seine Augenbrauen zusammen und sah wütend aus.
Ich schluckte. Dann wischte er mir die Tränen so weit es ging weg.
,,Ich bring dich erstmal woanders hin." Ich nickte kurz und versteckte mein Gesicht wieder in seinem Rücken. Das Licht wurde grün und er fuhr in einem schnellen Tempo weiter aus der Stadt raus.

On The RoadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt