Noah, der kleine Dieb

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Tja, uns alle lässt dieses Hemd nicht mehr los, oder?

Ob wir je eine Antwort darauf kriegen, wie Noah da dran kam? Keine Ahnung. Und wenn nicht, dann tun wir jetzt alle ganz brav so, als hätte dieses Szenario hier genau so stattgefunden.





»Das ist verrückt!«, stammelte Joel panisch.

»Es ist ja nicht nur Schule. Ich meine, wir wohnen zusammen. In einem Zimmer.«, stellte Colin klar, während er seine Klamotten in seinen Koffer packte.

»Dann ist die Lösung doch ganz klar: Wir gehen einfach zu Frau Schiller und fragen, ob Noah woanders wohnen kann. Und dann in ein paar Monaten, ist alles wieder so wie immer.«, protestierte Joel. Er griff nach Colins Klamotten im Koffer und packte diesen wieder in den Kleiderschrank.

Colin seufzte. »Nein, ist es nicht.«

»Und was ist mit meinem Pastinaken-Business?«, fragte Joel verzweifelt. »Ohne dich fehlt mir das Pektin.«

»Remote bleib ich immer Teil des Teams. Versprochen.«, sagte Colin.

»Remote ist aber nicht das gleiche!«, jammerte Joel. Erneut griff er nach Colins Klamotten und ging rüber zum Kleiderschrank, um diese in den Schrank zu packen.

Joel wäre nicht Joel, wenn er selbst mit den verrücktesten Ideen versuchen würde, Colin zum bleiben zu bewegen.

Er drehte sich zu Colin um.

»Ich hab mit Julia telefoniert.«, sagte er schlicht. »Dein Schulplatz ist weg. Außerdem sind alle Schulen geschlossen!«

Colin lachte leise auf. Er ging rüber zum Schrank.

»Joel, dir ist klar, dass die Pandemie vorbei ist, oder? Seit zwei Jahren.«

»Wegen Lehrermangel-?«, versuchte Joel hoffnungsvoll.

Colin verdrehte lächelnd die Augen.

»Das ist kein Witz.«, sagte Joel. »Das kam heute so in den Nachrichten!«

Colin seufzte. »Netter Versuch. Aber .. Noah kann seine Gefühle eben doch wegschweigen. Ich will das nicht.«

»Die Bratwürste in NRW sind furchtbar!«

Colin lächelte mild. »Dann schickst du mir halt regelmäßig welche zu. Oder du kommst uns besuchen. Julia würde sich bestimmt auch freuen, dich zu sehen.« Der Brünette ging auf Joel zu und legte seine Arme um seinen besten Freund, um ihn zu umarmen.

Joel legte seine Arme um Colin. Er verspürte einen Schmerz im Magen.

Der Junge schluckte den Kloß in seinem Hals herunter und drückte seine Nase in Colins Schulter. Colin roch nach einer Kombination aus Vanille und Zimt.

Joel wollte Colin nicht loslassen. Er wollte, dass er hier blieb.

Joel ließ Colin los, wenn auch eher widerwillig, als Colin sich aus seinen Armen befreite.

Er sah, dass seine Sanduhr auf Joels Regal stand. Er griff nach der Uhr und guckte Joel an.

»Das ist meine.«, warf der Brünette trocken ein. Er verstaute seine Sanduhr in einer kleinen Innentasche im Koffer.

Joel seufzte.

Dann hockte er sich auf sein Bett und guckte zu, wie Colin weiter seinen Schrank leer räumte. Auch, wenn ihm dieser Anblick ganz und gar nicht gefiel.

Colin fand eines seiner Hemden im Schrank - es war das schwarze mit dem bunten Tiger.

Er griff danach. Dann setzte er sich neben Joel aufs Bett.

Joel blickte das Hemd an.

»Hier.« Colin hielt ihm das Kleidungsstück hin. Joel musterte Colin perplex.

»Nimm es.«, sagte der Junge nur. Er lächelte ruhig.

»Aber- das ist doch dein Lieblingshemd-«

»Ist schon okay. So hast du wenigstens einen kleinen Teil von mir hier. Okay?«

Joel lächelte wehmütig. Er strich mit seinem Daumen über das Hemd.

»Danke schön.«, murmelte er, gerührt von Colins Geste.

»Ich werde für immer gut drauf aufpassen. Versprochen.«

Colin lächelte und Joel lächelte zurück, wenn auch eher traurig.

Joel wusste tief in seinem Inneren, dass er es weiterhin versuchen würde. Vielleicht fand er einen Weg, damit Colin doch blieb. Er würde sich noch nicht geschlagen geben.

-

Nach dem Unwetter schaffte Joel es, seine Wäsche draußen zum Trocknen aufzuhängen.

Inzwischen war eine kleine Zeit vergangen, seit Colin weg war. Joel vermisste ihn immer noch wie verrückt, aber es tröstete ihn, dass Colin und er sich noch ganz regelmäßig schrieben. Ab und an telefonierten sie, wenn sie Zeit hatten.

Joel griff nach zwei Wäscheklammern und dann sah er in seinen Wäschekorb - er erblickte Colins Hemd. Der Junge lächelte und griff danach. Mit seinen beiden Daumen strich der Junge über das Hemd, bevor er es an die Wäscheleine hing.

Wen Joel nicht bemerkte, war Noah. Er war nach Draußen gekommen, weil dieser zu Herrn Chung wollte, um mit Freddy zu spazieren.

Noah sah Joel zu, wie er die Wäsche aufhing, und als er Colins Hemd plötzlich erblickte, setzte Noahs Herz für zwei Sekunden aus.

Noah wusste, dass Colins gesamter Kram weg war. Aber eine Sache hatte dieser wohl noch hier gelassen. Und das war dieses Hemd.

-

»Hat irgendwer von euch Colins Hemd gesehen?«, fragte Joel panisch. Er sah Noah und Maxi an.

Maxi seufzte genervt. »Nein.«

»Nein.«, sagte Noah einfach.

»Fuck, wo ist es denn?!«, fluchte Joel und kramte wieder wild in seinem Schrank herum, doch leider ohne Erfolg. Er fand das Hemd nicht.

»Such morgen danach. Sei leise.«, grummelte Maxi genervt, bevor sie sich auf die Seite drehte und sich in ihr Kissen kuschelte.

Noah beobachtete Joel dabei, wie dieser sich frustriert die Haare raufte. Joel schloss enttäuscht den Schrank. Dann setzte er sich auf sein Bett. Widerwillig machte Joel sich bettfertig.



Als es endlich still genug war und Noah sich sicher war, dass Joel wirklich schlief, holte Noah leise etwas hervor, was er seit drei Tagen unter seinem Kissen versteckte - und zwar Colins Hemd.

Noah hatte es gemopst, als er alleine gewesen war in ihrem Zimmer. Ihn hatte zwar ein kleines schlechtes Gewissen geplagt, als er einfach so Joels Schrank durchwühlte, aber Noahs Drang, Colins Hemd in seine Finger zu kriegen, war zu groß gewesen.

Noah drückte das Hemd an sich.

Er hasste sich dafür, dass er es nicht gepackt hatte, sich von Colin zu verabschieden.

Aber wenn er in der Dunkelheit so da lag in seinem Bett, und er Colins Hemd ganz fest an sich drückte, überlegte Noah, wie er sich sich bei Colin für sein garstiges Verhalten entschuldigen konnte.

Der Junge zerbrach sich so lange den Kopf über Colin, bis ihn der Schlaf einholte.


Was Noahs Fehler an der Sache war? Das Hemd nicht wieder sorgfältig verstecken. Denn Joel hatte ihn eines Morgens damit erwischt. Es war ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Noah, der kleine Dieb, der er war, auffliegen würde.

Nolin || OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt